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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Drei Könige

war auch Prinz Wilhelm mit dem sächsischen Verwandten in schriftlichen Verkehr
getreten, der bald in freundschaftliche Formen überging. Freilich das leuchtete
von vornherein ein: enger schlössen sich Johann und Friedrich Wilhelm anein¬
ander an. Ihre Freundschaft war auf tiefer gegenseitiger Zuneigung aufgebaut.
Sie bilden, bei aller Verschiedenheit ihres Wesens, ein Paar für sich, wenn man
sie etwa mit dem Prinzen Wilhelm vergleicht. Der geistige Grund und Boden,
ans dem diese beiden standen, war nicht der seine. Man käme ins Schablonisieren,
wollte man den Reichtum dieser vielseitigen persönlichen Berührungen auf ein
paar dürre Begriffe zurückführen, statt ihnen liebevoll ins einzelne nachzugehen,
um das Verwandte und Widerspruchsvolle darin aufzudecken. Eine erschöpfende
Analyse kann hier freilich nicht unternommen werden; nur einige besonders
hervorstechende Eindrücke mögen festgehalten werden.

Die Briefe Friedrich Wilhelms und Johanns strömen für uns das Lebens¬
gefühl und die Stimmungen einer vergangenen Epoche ans. Ihre Korrespondenz
ruht auf einem starken Bedürfnis sich gegenseitig mitzuteilen, auf einer sehr
persönlichen Grundlage. Sie ist frei von dem erkältenden Hauch der Objek¬
tivität, der Rastlosigkeit und Zielstrebigkeit, der heutzutage, wenn man so
allgemeinhin urteilen darf, zumeist unserem brieflichen Verkehr anzuhaften pflegt.
Da sprechen zwei Menschen von dem, was innerstes Empfinden, Familie und
politische Ereignisse ihnen zutragen, gefühlvoll, mitteilsam, voll Freude an sich
und am anderen. Es kommt hinzu, bei Friedrich Wilhelm allerdings in stärkerem
Maße, ein besonderes Vergnügen am Schreiben, an Ausdruck und Form,
obwohl auch der Kronprinz von bewußter Pose weit entfernt ist und sich höchst
unbefangen den krausen Eingebungen des Augenblicks überläßt. Wohltuend
berührt die große Zartheit der Freunde im wechselseitigen Umgang, die Reinheit
und Wärme des Familienlebens, die in der langen Kette dieser Briefe durch¬
leuchtet.

Die beiden Freunde waren überaus erfinderisch in Spitz- und Kosenamen,
womit sie einander bedachten. Friedrich Wilhelm geradezu unerschöpflich.
Er gefiel sich in seinen humoristischen Verkleidungen als Dicky oder Onkel
Wauwau. Vielleicht wird man in seiner Selbstpersiflage nur den Ausdruck eines
gesteigerten Selbstgefühls, die kokette Ironie des Romantikers erblicken. Man
kann es bezweifeln, ob er ein Mensch von ursprünglich quellenden, echtem Humor
war; man möchte wohl eher von barock anmutenden Witz reden. Er glitt
freilich nur zu oft ins triviale Wortspiel oder gar in einen Berliner Kalauer
über. Ein ausgelassener, knabenhafter Übermut treibt in den Briefen des Kron¬
prinzen wie des Königs sein Wesen. Es verleiht dem Manne einen liebens¬
würdigen Reiz, nicht selten aber befremdet es geradezu, weil man darin die
Schlacken einer ungleichmäßigen Entwicklung, einer unharmonisch durchgebildeten
Persönlichkeit wahrzunehmen glaubt. In den burschikosen Ton des Freundes, dessen
Feder so gar nicht auf fürstliche Würde hielt, hat Johann kaum eingestimmt.
Dagegen scheint er empfunden zu haben, daß in dem sprudelnden, geistreichen


Drei Könige

war auch Prinz Wilhelm mit dem sächsischen Verwandten in schriftlichen Verkehr
getreten, der bald in freundschaftliche Formen überging. Freilich das leuchtete
von vornherein ein: enger schlössen sich Johann und Friedrich Wilhelm anein¬
ander an. Ihre Freundschaft war auf tiefer gegenseitiger Zuneigung aufgebaut.
Sie bilden, bei aller Verschiedenheit ihres Wesens, ein Paar für sich, wenn man
sie etwa mit dem Prinzen Wilhelm vergleicht. Der geistige Grund und Boden,
ans dem diese beiden standen, war nicht der seine. Man käme ins Schablonisieren,
wollte man den Reichtum dieser vielseitigen persönlichen Berührungen auf ein
paar dürre Begriffe zurückführen, statt ihnen liebevoll ins einzelne nachzugehen,
um das Verwandte und Widerspruchsvolle darin aufzudecken. Eine erschöpfende
Analyse kann hier freilich nicht unternommen werden; nur einige besonders
hervorstechende Eindrücke mögen festgehalten werden.

Die Briefe Friedrich Wilhelms und Johanns strömen für uns das Lebens¬
gefühl und die Stimmungen einer vergangenen Epoche ans. Ihre Korrespondenz
ruht auf einem starken Bedürfnis sich gegenseitig mitzuteilen, auf einer sehr
persönlichen Grundlage. Sie ist frei von dem erkältenden Hauch der Objek¬
tivität, der Rastlosigkeit und Zielstrebigkeit, der heutzutage, wenn man so
allgemeinhin urteilen darf, zumeist unserem brieflichen Verkehr anzuhaften pflegt.
Da sprechen zwei Menschen von dem, was innerstes Empfinden, Familie und
politische Ereignisse ihnen zutragen, gefühlvoll, mitteilsam, voll Freude an sich
und am anderen. Es kommt hinzu, bei Friedrich Wilhelm allerdings in stärkerem
Maße, ein besonderes Vergnügen am Schreiben, an Ausdruck und Form,
obwohl auch der Kronprinz von bewußter Pose weit entfernt ist und sich höchst
unbefangen den krausen Eingebungen des Augenblicks überläßt. Wohltuend
berührt die große Zartheit der Freunde im wechselseitigen Umgang, die Reinheit
und Wärme des Familienlebens, die in der langen Kette dieser Briefe durch¬
leuchtet.

Die beiden Freunde waren überaus erfinderisch in Spitz- und Kosenamen,
womit sie einander bedachten. Friedrich Wilhelm geradezu unerschöpflich.
Er gefiel sich in seinen humoristischen Verkleidungen als Dicky oder Onkel
Wauwau. Vielleicht wird man in seiner Selbstpersiflage nur den Ausdruck eines
gesteigerten Selbstgefühls, die kokette Ironie des Romantikers erblicken. Man
kann es bezweifeln, ob er ein Mensch von ursprünglich quellenden, echtem Humor
war; man möchte wohl eher von barock anmutenden Witz reden. Er glitt
freilich nur zu oft ins triviale Wortspiel oder gar in einen Berliner Kalauer
über. Ein ausgelassener, knabenhafter Übermut treibt in den Briefen des Kron¬
prinzen wie des Königs sein Wesen. Es verleiht dem Manne einen liebens¬
würdigen Reiz, nicht selten aber befremdet es geradezu, weil man darin die
Schlacken einer ungleichmäßigen Entwicklung, einer unharmonisch durchgebildeten
Persönlichkeit wahrzunehmen glaubt. In den burschikosen Ton des Freundes, dessen
Feder so gar nicht auf fürstliche Würde hielt, hat Johann kaum eingestimmt.
Dagegen scheint er empfunden zu haben, daß in dem sprudelnden, geistreichen


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[0609] Drei Könige war auch Prinz Wilhelm mit dem sächsischen Verwandten in schriftlichen Verkehr getreten, der bald in freundschaftliche Formen überging. Freilich das leuchtete von vornherein ein: enger schlössen sich Johann und Friedrich Wilhelm anein¬ ander an. Ihre Freundschaft war auf tiefer gegenseitiger Zuneigung aufgebaut. Sie bilden, bei aller Verschiedenheit ihres Wesens, ein Paar für sich, wenn man sie etwa mit dem Prinzen Wilhelm vergleicht. Der geistige Grund und Boden, ans dem diese beiden standen, war nicht der seine. Man käme ins Schablonisieren, wollte man den Reichtum dieser vielseitigen persönlichen Berührungen auf ein paar dürre Begriffe zurückführen, statt ihnen liebevoll ins einzelne nachzugehen, um das Verwandte und Widerspruchsvolle darin aufzudecken. Eine erschöpfende Analyse kann hier freilich nicht unternommen werden; nur einige besonders hervorstechende Eindrücke mögen festgehalten werden. Die Briefe Friedrich Wilhelms und Johanns strömen für uns das Lebens¬ gefühl und die Stimmungen einer vergangenen Epoche ans. Ihre Korrespondenz ruht auf einem starken Bedürfnis sich gegenseitig mitzuteilen, auf einer sehr persönlichen Grundlage. Sie ist frei von dem erkältenden Hauch der Objek¬ tivität, der Rastlosigkeit und Zielstrebigkeit, der heutzutage, wenn man so allgemeinhin urteilen darf, zumeist unserem brieflichen Verkehr anzuhaften pflegt. Da sprechen zwei Menschen von dem, was innerstes Empfinden, Familie und politische Ereignisse ihnen zutragen, gefühlvoll, mitteilsam, voll Freude an sich und am anderen. Es kommt hinzu, bei Friedrich Wilhelm allerdings in stärkerem Maße, ein besonderes Vergnügen am Schreiben, an Ausdruck und Form, obwohl auch der Kronprinz von bewußter Pose weit entfernt ist und sich höchst unbefangen den krausen Eingebungen des Augenblicks überläßt. Wohltuend berührt die große Zartheit der Freunde im wechselseitigen Umgang, die Reinheit und Wärme des Familienlebens, die in der langen Kette dieser Briefe durch¬ leuchtet. Die beiden Freunde waren überaus erfinderisch in Spitz- und Kosenamen, womit sie einander bedachten. Friedrich Wilhelm geradezu unerschöpflich. Er gefiel sich in seinen humoristischen Verkleidungen als Dicky oder Onkel Wauwau. Vielleicht wird man in seiner Selbstpersiflage nur den Ausdruck eines gesteigerten Selbstgefühls, die kokette Ironie des Romantikers erblicken. Man kann es bezweifeln, ob er ein Mensch von ursprünglich quellenden, echtem Humor war; man möchte wohl eher von barock anmutenden Witz reden. Er glitt freilich nur zu oft ins triviale Wortspiel oder gar in einen Berliner Kalauer über. Ein ausgelassener, knabenhafter Übermut treibt in den Briefen des Kron¬ prinzen wie des Königs sein Wesen. Es verleiht dem Manne einen liebens¬ würdigen Reiz, nicht selten aber befremdet es geradezu, weil man darin die Schlacken einer ungleichmäßigen Entwicklung, einer unharmonisch durchgebildeten Persönlichkeit wahrzunehmen glaubt. In den burschikosen Ton des Freundes, dessen Feder so gar nicht auf fürstliche Würde hielt, hat Johann kaum eingestimmt. Dagegen scheint er empfunden zu haben, daß in dem sprudelnden, geistreichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/609>, abgerufen am 15.01.2025.