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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegcl

nähme -- seine Dividende uni mindestens 1Prozent wird verkürzen müssen.
Der Bankverein hat auf diesem Gebiete eine besonders unglückliche Hand
bewiesen. Er ist mit großen Beträgen engagiert bei dem Zusammenbruch des
Bauunternehmers Kurt Berndt. bei Großberlin G. in. b. H., und vor allem
mit der Garantie sür die erste Hypothek des Voardinghauses in Höhe von
6 Millionen belastet. Noch hält sich dieses Unternehmen zwar aufrecht, aber
es ist ihm nicht gelungen, die zweite Hypothek zu beschaffen, und seine Situation
ist daher eine gefährdete. Sind doch schon einige Lieferanten, darunter nicht
unbedeutende Firmen, in Schmierigkeiten geraten, weil sie kein Geld er¬
halten konnten.

Diese Verhältnisse lenken von neuem den Blick auf die üble Lage des
Terrainmarkts und die Kreditnot des städtischen Grundbesitzes. Mit
ihr hat sich in diesen Tagen sogar eine Jnterpellation im Abgeordnetenhause
beschäftigt und der Landwirtschaftsminister hat sich über die Stellung geäußert,
welche die Regierung gegenüber dem Notstand des städtischen Realkredits ein¬
nimmt. Er hat sich zustimmend zu dem Antrag geäußert, eine Untersuchung
von Staats wegen über die Gründe des Notstandes und die Maßregeln zur
Abhilfe zu veranlassen. Eine solche wirtschaftspolitische Enquete wäre in der
Tat mit Freude zu begrüßen. Denn es handelt sich hier um ein Problem,
das äußerst schwierig und verwickelt ist und das, selbst wenn man die Ursachen
des Notstandes klar erkannt hat, doch sehr schwierig zu lösen sein wird, weil
dazu tiefe Eingriffe in die gegenwärtige Rechts- und Wirtschaftsordnung getan
werden müssen. Denn mit kleinen Mitteln, der Errichtung neuer Hypotheken-
institute zu der schon bestehenden Legion alter, der Schaffung von Taxämtern
und ähnlichen Maßnahmen ist es nicht getan. Manches davon wird heilsam
wirken. Das Taxwesen liegt, wie jedermann weiß, im Argen, obgleich auch
hier manches aus freien Stücken gebessert worden ist. Der Kernpunkt des
Problems liegt aber in der Kreditfrage. Wenn man nämlich von der
Kreditnot des städtischen Grundbesitzes spricht, so ist darin Wahres mit
Falschen gemischt. In der ganzen Welt gibt es keinen Staatsorganismus,
in welchem dem städtischen Nealkredit so ungeheure Summen zur Ver¬
fügung stehen und jährlich aufs neue zur Verfügung gestellt werden, als
Deutschland. Das Hypothekenbankwesen hat nirgends eine derartige Ent¬
wicklung und Ausbildung erfahren als bei uns. Der Psandbriefumlauf der
Hypothekenbanken beläuft sich auf etwa 10 Milliarden Mark und diese Kapitalien
sind zum allergrößten Teile dem städtischen Grundbesitz und darunter vorwiegend
wieder Berlin zugeflossen. Durch das System, welches die Hypothekenbanken
beim Vertrieb der Pfandbriefe beobachten, sorgen sie dafür, bei einigermaßen
günstiger Lage des Geldmarktes, immer neues Kapital in das Danaidenfaß des
städtischen Nealkredits hineinzupumpen. Sie müssen dies tun, denn ohne
Steigerung des Pfandbriefumlaufes würden ihre Gewinne bald nicht mehr aus¬
reichen. Und trotz dieser enormen Zufuhr an Kapital besteht unzweifelhaft eine


Reichsspiegcl

nähme — seine Dividende uni mindestens 1Prozent wird verkürzen müssen.
Der Bankverein hat auf diesem Gebiete eine besonders unglückliche Hand
bewiesen. Er ist mit großen Beträgen engagiert bei dem Zusammenbruch des
Bauunternehmers Kurt Berndt. bei Großberlin G. in. b. H., und vor allem
mit der Garantie sür die erste Hypothek des Voardinghauses in Höhe von
6 Millionen belastet. Noch hält sich dieses Unternehmen zwar aufrecht, aber
es ist ihm nicht gelungen, die zweite Hypothek zu beschaffen, und seine Situation
ist daher eine gefährdete. Sind doch schon einige Lieferanten, darunter nicht
unbedeutende Firmen, in Schmierigkeiten geraten, weil sie kein Geld er¬
halten konnten.

Diese Verhältnisse lenken von neuem den Blick auf die üble Lage des
Terrainmarkts und die Kreditnot des städtischen Grundbesitzes. Mit
ihr hat sich in diesen Tagen sogar eine Jnterpellation im Abgeordnetenhause
beschäftigt und der Landwirtschaftsminister hat sich über die Stellung geäußert,
welche die Regierung gegenüber dem Notstand des städtischen Realkredits ein¬
nimmt. Er hat sich zustimmend zu dem Antrag geäußert, eine Untersuchung
von Staats wegen über die Gründe des Notstandes und die Maßregeln zur
Abhilfe zu veranlassen. Eine solche wirtschaftspolitische Enquete wäre in der
Tat mit Freude zu begrüßen. Denn es handelt sich hier um ein Problem,
das äußerst schwierig und verwickelt ist und das, selbst wenn man die Ursachen
des Notstandes klar erkannt hat, doch sehr schwierig zu lösen sein wird, weil
dazu tiefe Eingriffe in die gegenwärtige Rechts- und Wirtschaftsordnung getan
werden müssen. Denn mit kleinen Mitteln, der Errichtung neuer Hypotheken-
institute zu der schon bestehenden Legion alter, der Schaffung von Taxämtern
und ähnlichen Maßnahmen ist es nicht getan. Manches davon wird heilsam
wirken. Das Taxwesen liegt, wie jedermann weiß, im Argen, obgleich auch
hier manches aus freien Stücken gebessert worden ist. Der Kernpunkt des
Problems liegt aber in der Kreditfrage. Wenn man nämlich von der
Kreditnot des städtischen Grundbesitzes spricht, so ist darin Wahres mit
Falschen gemischt. In der ganzen Welt gibt es keinen Staatsorganismus,
in welchem dem städtischen Nealkredit so ungeheure Summen zur Ver¬
fügung stehen und jährlich aufs neue zur Verfügung gestellt werden, als
Deutschland. Das Hypothekenbankwesen hat nirgends eine derartige Ent¬
wicklung und Ausbildung erfahren als bei uns. Der Psandbriefumlauf der
Hypothekenbanken beläuft sich auf etwa 10 Milliarden Mark und diese Kapitalien
sind zum allergrößten Teile dem städtischen Grundbesitz und darunter vorwiegend
wieder Berlin zugeflossen. Durch das System, welches die Hypothekenbanken
beim Vertrieb der Pfandbriefe beobachten, sorgen sie dafür, bei einigermaßen
günstiger Lage des Geldmarktes, immer neues Kapital in das Danaidenfaß des
städtischen Nealkredits hineinzupumpen. Sie müssen dies tun, denn ohne
Steigerung des Pfandbriefumlaufes würden ihre Gewinne bald nicht mehr aus¬
reichen. Und trotz dieser enormen Zufuhr an Kapital besteht unzweifelhaft eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/600>, abgerufen am 15.01.2025.