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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

oder gar 7 Prozent zu gehen. Alte Erfahrung lehrt, daß derartig hohe Zins¬
sätze auf die Dsuer die bestfundierte Konjunktur erdrosseln.

Die Lage des Geldmarktes gibt aber zu besonderen Bedenken noch deshalb
Anlaß, weil ganz außerordentliche Ansprüche in nächster Zeit an ihn
herantreten werden, von denen man augenblicklich nicht weiß, wie er ihnen gerecht
werden soll. Mit dem Ende des Balkankrieges wird bei allen kriegführenden
Staaten ein starker Geldbedarf für das Retablissement und die Entschädigungen
auftreten. Außerdem sind aber noch verschiedene Anleihetransaktionen in
Schwebe, deren Durchführung nur durch den Kriegsausbruch verhindert wurde,
so die türkische Zollanleihe von 1911, von der noch etwa 80 Millionen Mark
unrealisiert sind, eine weitere Anleihe der Türkei von etwa 200 Millionen Mark
bei der französischen Gruppe der Ottomanbank, die bekannte Anleihe Bulgariens
von 180 Millionen Franken, welche mit einem internationalen Konsortium ab¬
geschlossen, aber nicht realisiert ist, und endlich eine große Anleihe Italiens in
Höhe von 600 Millionen Franken, die zur Liquidierung des Tripolisfeldzuges
bestimmt ist. Schon dieser dringliche Geldbedarf der europäischen Staaten ist
also auf mehr als eine Milliarde Mark zu schätzen und er vergrößert sich noch
bedeutend, wenn auch Österreich-Ungarn, wie wahrscheinlich ist, für Wehr-




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oder gar 7 Prozent zu gehen. Alte Erfahrung lehrt, daß derartig hohe Zins¬
sätze auf die Dsuer die bestfundierte Konjunktur erdrosseln.

Die Lage des Geldmarktes gibt aber zu besonderen Bedenken noch deshalb
Anlaß, weil ganz außerordentliche Ansprüche in nächster Zeit an ihn
herantreten werden, von denen man augenblicklich nicht weiß, wie er ihnen gerecht
werden soll. Mit dem Ende des Balkankrieges wird bei allen kriegführenden
Staaten ein starker Geldbedarf für das Retablissement und die Entschädigungen
auftreten. Außerdem sind aber noch verschiedene Anleihetransaktionen in
Schwebe, deren Durchführung nur durch den Kriegsausbruch verhindert wurde,
so die türkische Zollanleihe von 1911, von der noch etwa 80 Millionen Mark
unrealisiert sind, eine weitere Anleihe der Türkei von etwa 200 Millionen Mark
bei der französischen Gruppe der Ottomanbank, die bekannte Anleihe Bulgariens
von 180 Millionen Franken, welche mit einem internationalen Konsortium ab¬
geschlossen, aber nicht realisiert ist, und endlich eine große Anleihe Italiens in
Höhe von 600 Millionen Franken, die zur Liquidierung des Tripolisfeldzuges
bestimmt ist. Schon dieser dringliche Geldbedarf der europäischen Staaten ist
also auf mehr als eine Milliarde Mark zu schätzen und er vergrößert sich noch
bedeutend, wenn auch Österreich-Ungarn, wie wahrscheinlich ist, für Wehr-




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[0497] Reichsspiegel oder gar 7 Prozent zu gehen. Alte Erfahrung lehrt, daß derartig hohe Zins¬ sätze auf die Dsuer die bestfundierte Konjunktur erdrosseln. Die Lage des Geldmarktes gibt aber zu besonderen Bedenken noch deshalb Anlaß, weil ganz außerordentliche Ansprüche in nächster Zeit an ihn herantreten werden, von denen man augenblicklich nicht weiß, wie er ihnen gerecht werden soll. Mit dem Ende des Balkankrieges wird bei allen kriegführenden Staaten ein starker Geldbedarf für das Retablissement und die Entschädigungen auftreten. Außerdem sind aber noch verschiedene Anleihetransaktionen in Schwebe, deren Durchführung nur durch den Kriegsausbruch verhindert wurde, so die türkische Zollanleihe von 1911, von der noch etwa 80 Millionen Mark unrealisiert sind, eine weitere Anleihe der Türkei von etwa 200 Millionen Mark bei der französischen Gruppe der Ottomanbank, die bekannte Anleihe Bulgariens von 180 Millionen Franken, welche mit einem internationalen Konsortium ab¬ geschlossen, aber nicht realisiert ist, und endlich eine große Anleihe Italiens in Höhe von 600 Millionen Franken, die zur Liquidierung des Tripolisfeldzuges bestimmt ist. Schon dieser dringliche Geldbedarf der europäischen Staaten ist also auf mehr als eine Milliarde Mark zu schätzen und er vergrößert sich noch bedeutend, wenn auch Österreich-Ungarn, wie wahrscheinlich ist, für Wehr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/497>, abgerufen am 15.01.2025.