Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche und schon 968 titulierte Johann der Dreizehnte den Kaiser Nikephoros Pholas So wurde klar ausgesprochen, was längst in der Wirklichkeit Wahrheit Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche und schon 968 titulierte Johann der Dreizehnte den Kaiser Nikephoros Pholas So wurde klar ausgesprochen, was längst in der Wirklichkeit Wahrheit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0365" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322767"/> <fw type="header" place="top"> Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche</fw><lb/> <p xml:id="ID_1750" prev="#ID_1749"> und schon 968 titulierte Johann der Dreizehnte den Kaiser Nikephoros Pholas<lb/> als Kaiser der Griechen und nannte Otto den Großen römischen Kaiser. Die<lb/> Ausbreitung der weltlichen Herrschaft des Papstes in Unteritalien auf Kosten<lb/> des byzantinischen Reiches gab schließlich den Ausschlag, und entscheidend wurden<lb/> die Machtansprüche des Papsttums, wie es sich im elften Jahrhundert unter<lb/> dem Einfluß der Reformen von Cluny entwickelte. Im Jahre 1054 wurde bei<lb/> den Verhandlungen der Bruch unvermeidlich. Michael Kairoularios hob die<lb/> Kirchengemeinschaft auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1751" next="#ID_1752"> So wurde klar ausgesprochen, was längst in der Wirklichkeit Wahrheit<lb/> geworden war. Das Papsttum war abendländisch und universal geworden,<lb/> die griechische Kirche byzantinisch und Staatskirche. Die Byzantiner haben, sicher<lb/> in ihrer Eigenart und selbstbewußt, bis ins dreizehnte Jahrhundert auch geistig<lb/> überlegen, nie das Bedürfnis nach der Union empfunden so wenig wie nach<lb/> kirchlichen Reformen. Erst als die politischen Bedrängungen anfingen, haben<lb/> die Kaiser Unionsverhandlungen mit dem Papsttum angeknüpft, deren Resultat<lb/> die Kirche niemals anerkannt hat. Und heute ist eine Union vollkommen aus¬<lb/> geschlossen, denn was die orientalische Kirche von der römischen erlitten<lb/> hat, kann sie nie aus ihrem Gedächtnis auslöschen, die politischen Erinnerungen<lb/> find von den kirchlichen Anschauungen nicht zu trennen. Die Kaufleute von<lb/> Venedig und Genua haben das Reich der Byzantiner durch Handelsprivilegien<lb/> ausgesogen; im Jahre 1182 erfolgte plötzlich ein furchtbarer Ausbruch des<lb/> nationalen Hasses, unter den unmenschlichsten Greueln wurden alle Lateiner,<lb/> die in und um Konstantinopel wohnten, umgebracht. Nur die Sizilianische<lb/> Vesper läßt sich mit diesem furchtbaren Ausbruch nationaler Erbitterung ver¬<lb/> gleichen, den in seiner Durchführung nichts entschuldigen kann, den man aber<lb/> versteht, wenn man die Ursachen erwägt. Es folgte nach zwanzig Jahren die<lb/> Rache der Venetianer. 1204 wurde Konstantinopel von den Kreuzfahrern<lb/> erobert, das byzantinische Reich vernichtet. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum,<lb/> daß die Macht des byzantinischen Reiches erst im Jahre 1453, durch den Einzug<lb/> Mohammeds des Eroberers, gebrochen wurde. Gewiß war immer noch der<lb/> Orient so sehr in Konstantinopel konzentriert, daß der Fall dieser Stadt den Unter¬<lb/> gang eines Reiches bedeuten konnte. Aber seit dem Jahre 1261 war es nur noch<lb/> der Schatten ihrer alten Größe, denn wie haben die Lateiner Konstantinopel<lb/> ausgeplündert! Bis dahin die reichste und erste Stadt der Welt, wurde sie<lb/> seit 1204 durch die roheste Habgier und Brutalität ausgeraubt, und der gesamte<lb/> materielle und geistige Reichtum einer jahrjundertealten Kultur auf die roheste<lb/> Weise vernichtet; den Türken ist später nicht viel geblieben. Unmittelbar auf dem<lb/> Fuße folgten den Venetianern die Legaten des Papstes Innocenz; mit rücksichts¬<lb/> loser Härte wurde in dem ganzen lateinischen Kaisertum der römische Glaube<lb/> eingeführt, die griechische Geistlichkeit vertrieben, die Einkünfte eingezogen.<lb/> Verlust der nationalen Selbständigkeit und Verlust des Glaubens der Väter<lb/> gingen Hand in Hand, hatten die gleiche Ursache: darf man sich wundern, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0365]
Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche
und schon 968 titulierte Johann der Dreizehnte den Kaiser Nikephoros Pholas
als Kaiser der Griechen und nannte Otto den Großen römischen Kaiser. Die
Ausbreitung der weltlichen Herrschaft des Papstes in Unteritalien auf Kosten
des byzantinischen Reiches gab schließlich den Ausschlag, und entscheidend wurden
die Machtansprüche des Papsttums, wie es sich im elften Jahrhundert unter
dem Einfluß der Reformen von Cluny entwickelte. Im Jahre 1054 wurde bei
den Verhandlungen der Bruch unvermeidlich. Michael Kairoularios hob die
Kirchengemeinschaft auf.
So wurde klar ausgesprochen, was längst in der Wirklichkeit Wahrheit
geworden war. Das Papsttum war abendländisch und universal geworden,
die griechische Kirche byzantinisch und Staatskirche. Die Byzantiner haben, sicher
in ihrer Eigenart und selbstbewußt, bis ins dreizehnte Jahrhundert auch geistig
überlegen, nie das Bedürfnis nach der Union empfunden so wenig wie nach
kirchlichen Reformen. Erst als die politischen Bedrängungen anfingen, haben
die Kaiser Unionsverhandlungen mit dem Papsttum angeknüpft, deren Resultat
die Kirche niemals anerkannt hat. Und heute ist eine Union vollkommen aus¬
geschlossen, denn was die orientalische Kirche von der römischen erlitten
hat, kann sie nie aus ihrem Gedächtnis auslöschen, die politischen Erinnerungen
find von den kirchlichen Anschauungen nicht zu trennen. Die Kaufleute von
Venedig und Genua haben das Reich der Byzantiner durch Handelsprivilegien
ausgesogen; im Jahre 1182 erfolgte plötzlich ein furchtbarer Ausbruch des
nationalen Hasses, unter den unmenschlichsten Greueln wurden alle Lateiner,
die in und um Konstantinopel wohnten, umgebracht. Nur die Sizilianische
Vesper läßt sich mit diesem furchtbaren Ausbruch nationaler Erbitterung ver¬
gleichen, den in seiner Durchführung nichts entschuldigen kann, den man aber
versteht, wenn man die Ursachen erwägt. Es folgte nach zwanzig Jahren die
Rache der Venetianer. 1204 wurde Konstantinopel von den Kreuzfahrern
erobert, das byzantinische Reich vernichtet. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum,
daß die Macht des byzantinischen Reiches erst im Jahre 1453, durch den Einzug
Mohammeds des Eroberers, gebrochen wurde. Gewiß war immer noch der
Orient so sehr in Konstantinopel konzentriert, daß der Fall dieser Stadt den Unter¬
gang eines Reiches bedeuten konnte. Aber seit dem Jahre 1261 war es nur noch
der Schatten ihrer alten Größe, denn wie haben die Lateiner Konstantinopel
ausgeplündert! Bis dahin die reichste und erste Stadt der Welt, wurde sie
seit 1204 durch die roheste Habgier und Brutalität ausgeraubt, und der gesamte
materielle und geistige Reichtum einer jahrjundertealten Kultur auf die roheste
Weise vernichtet; den Türken ist später nicht viel geblieben. Unmittelbar auf dem
Fuße folgten den Venetianern die Legaten des Papstes Innocenz; mit rücksichts¬
loser Härte wurde in dem ganzen lateinischen Kaisertum der römische Glaube
eingeführt, die griechische Geistlichkeit vertrieben, die Einkünfte eingezogen.
Verlust der nationalen Selbständigkeit und Verlust des Glaubens der Väter
gingen Hand in Hand, hatten die gleiche Ursache: darf man sich wundern, daß
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