Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Standard-Oil-Co. geworden. Erst spät,
aber noch nicht zu spät ist die Regierung mit
einer Denkschrift, die nichts geringeres als
die Begründung einer unter Aufsicht des
Reichs stehenden Aktiengesellschaft zum Ver¬
trieb von Petroleum bezweckt, an die Öffent¬
lichkeit getreten. Es wäre dies der erste vom
Staate unternommene Versuch, den Macht¬
gelüsten der Standard - Oil - Co. durch ein
gesetzliches Eingreifen in den Petroleumhandel
einen Riegel vorzuschieben und den ver¬
derblichen Einfluß der Trusts auf das ge¬
samte Wirtschaftsleben zu brechen. Die offi¬
zielle Note über diesen wichtigen Schritt deckt
sich in der Hauptsache mit den weiter oben
näher bezeichneten Anregungen Duimchens,
die dadurch ein hohes aktuelles Interesse ge¬
winnen und bei der bevorstehenden Beratung
des Gesetzentwurfs von grundlegender Bedeu¬
tung werden könnten.

Um Rockefeller zu berockfellern -- so regte
Duimchen an -- müßte eine Deutsche Petro¬
leumhandlung, vielleicht in der Weise der
Preußischen Seehandlung oder der Reichsbank,
errichtet werden, die für Rechnung des Reiches
oder mindestens unter maßgebender Mit¬
beteiligung des Reiches das Petroleumgeschäft
zu betreiben hätte. In den Geschäftsbereich
fiele die Einfuhr von rohem und raffiniertem
Petroleum, ferner die Rasfinierung inlän¬
dischen und ausländischen Rohpetroleums in
Deutschland, der Bau und die Ausnutzung
von Sammeltanks und Röhrenleitungen, von
Kcsselwaggons usw. Die Deutsche Petroleum-
Handlung hätte sich zunächst mit den russischen,
rumänischen Quellenbesitzern zu verständigen,
ferner mit den amerikanischen, soweit sie noch
vom Standard unabhängig sind. Die Öl¬
quellen besitzer und die mit ihnen zusammen¬
hängenden Rafsineure -- alle Todfeinde der
Staudard -- müßten drüben in Amerika
zusammengefaßt, organisiert und in die Hand
der Deutschen Petrvlenmhandlung gebracht
werden. Um die Mitte der neunziger Jahre
waren nach zuverlässigen Schützungen noch
fünf Achtel bis drei Viertel der Gesamtpro¬
duktion völlig "unabhängig". Heute dürfte
es kaum noch der vierte Teil sein, aber diese
"amerikanische Filiale" der "Deutschen Petro¬
leumhandlung" könnte dennoch den Bedarf
in Deutschland in der Hauptsache decken.

[Spaltenumbruch]

Die wenigen noch unabhängigen Gesell¬
schaften Amerikas sind schon deshalb in ihrer
Existenz auf das äußerste gefährdet, weil sie
über keine eigene Tankflotte verfügen und
daher ausschließlich auf den Inlandmarkt an¬
gewiesen sind, den die Standard-Oil-Co.
"kontrolliert". Ihre Tage dürften, sollte ihnen
nicht bald Hilfe von außen kommen, darum
bald gezählt sein. Hier könnte das Reich,
resp, die zu gründende Aktiengesellschaft den
Hebel einsetzen, um Rockefeller aus dem Sattel
zu heben. Denn es handelt sich bei dieser
Aktion nicht allein um die Beschaffung von
billigem Petroleum, sondern erstrecht um
einen Kampf gegen die Trusts. In der Denk¬
schrift heißt eS allerdings: "Die Stcmdard-
Oil-Co. soll keineswegs von der Versorgung
des deutschen Marktes ausgeschaltet werden,
vielmehr ist von der geschäftskundigen Leitung
zu erwarten, daß auch sie unter Verzicht auf
ihre bisherige Monopolstellung Ol für den
deutschen Markt liefert."

Als ob Rockefeller jemals auf ergaunerte
Privilegien und Monopole freiwillig verzichtet
hätte I So naiv ist der Mann, der zur Er¬
reichung seines Zieles über ungezählte Leichen
gegangen ist, nicht, daß er auf ein liebens¬
würdiges Jureden der Reichsregierung hin
auch nur das geringste Entgegenkommen
zeigen würde. Den Petroleumtrust nannte
Duimchen einen Schulfall. Man ist in Ame¬
rika dabei, alle großen Industrien nach seinem
Vorbilde unter einen Hut zu bringen. Und
darüber hinaus streckt das vertrustete Kapital
seine Arme nach Deutschland aus, um sich
seine Bewohner tributpflichtig zu machen Die
Aktien der nur noch dein Namen nach deut¬
schen Zigarettenfabriken, befinden sich zum
großen Teil in amerikanischen Händen. Der
Tabaktrust ist so gut wie abgeschlossen.

Vertrustung heißt Verknechtung. Das freie
Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, auf dem
unser Wirtschaftssystem beruht, dem wir auf
dem Weltmarkt unsere großen Erfolge ver¬
danken, hört auf, sobald die großen Korpo¬
rationen eine unbedingte, unkontrollierte, völlig
willkürliche Macht erlangt haben, immer nur
von der einen Erwägung geleitet, wie die
Beherrschten gründlich und dauernd ausgebeutet
werden können. Duimchen folgert weiter:
"Der Staat, die Monarchie oder die Republik,

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Standard-Oil-Co. geworden. Erst spät,
aber noch nicht zu spät ist die Regierung mit
einer Denkschrift, die nichts geringeres als
die Begründung einer unter Aufsicht des
Reichs stehenden Aktiengesellschaft zum Ver¬
trieb von Petroleum bezweckt, an die Öffent¬
lichkeit getreten. Es wäre dies der erste vom
Staate unternommene Versuch, den Macht¬
gelüsten der Standard - Oil - Co. durch ein
gesetzliches Eingreifen in den Petroleumhandel
einen Riegel vorzuschieben und den ver¬
derblichen Einfluß der Trusts auf das ge¬
samte Wirtschaftsleben zu brechen. Die offi¬
zielle Note über diesen wichtigen Schritt deckt
sich in der Hauptsache mit den weiter oben
näher bezeichneten Anregungen Duimchens,
die dadurch ein hohes aktuelles Interesse ge¬
winnen und bei der bevorstehenden Beratung
des Gesetzentwurfs von grundlegender Bedeu¬
tung werden könnten.

Um Rockefeller zu berockfellern — so regte
Duimchen an — müßte eine Deutsche Petro¬
leumhandlung, vielleicht in der Weise der
Preußischen Seehandlung oder der Reichsbank,
errichtet werden, die für Rechnung des Reiches
oder mindestens unter maßgebender Mit¬
beteiligung des Reiches das Petroleumgeschäft
zu betreiben hätte. In den Geschäftsbereich
fiele die Einfuhr von rohem und raffiniertem
Petroleum, ferner die Rasfinierung inlän¬
dischen und ausländischen Rohpetroleums in
Deutschland, der Bau und die Ausnutzung
von Sammeltanks und Röhrenleitungen, von
Kcsselwaggons usw. Die Deutsche Petroleum-
Handlung hätte sich zunächst mit den russischen,
rumänischen Quellenbesitzern zu verständigen,
ferner mit den amerikanischen, soweit sie noch
vom Standard unabhängig sind. Die Öl¬
quellen besitzer und die mit ihnen zusammen¬
hängenden Rafsineure — alle Todfeinde der
Staudard — müßten drüben in Amerika
zusammengefaßt, organisiert und in die Hand
der Deutschen Petrvlenmhandlung gebracht
werden. Um die Mitte der neunziger Jahre
waren nach zuverlässigen Schützungen noch
fünf Achtel bis drei Viertel der Gesamtpro¬
duktion völlig „unabhängig". Heute dürfte
es kaum noch der vierte Teil sein, aber diese
„amerikanische Filiale" der „Deutschen Petro¬
leumhandlung" könnte dennoch den Bedarf
in Deutschland in der Hauptsache decken.

[Spaltenumbruch]

Die wenigen noch unabhängigen Gesell¬
schaften Amerikas sind schon deshalb in ihrer
Existenz auf das äußerste gefährdet, weil sie
über keine eigene Tankflotte verfügen und
daher ausschließlich auf den Inlandmarkt an¬
gewiesen sind, den die Standard-Oil-Co.
„kontrolliert". Ihre Tage dürften, sollte ihnen
nicht bald Hilfe von außen kommen, darum
bald gezählt sein. Hier könnte das Reich,
resp, die zu gründende Aktiengesellschaft den
Hebel einsetzen, um Rockefeller aus dem Sattel
zu heben. Denn es handelt sich bei dieser
Aktion nicht allein um die Beschaffung von
billigem Petroleum, sondern erstrecht um
einen Kampf gegen die Trusts. In der Denk¬
schrift heißt eS allerdings: „Die Stcmdard-
Oil-Co. soll keineswegs von der Versorgung
des deutschen Marktes ausgeschaltet werden,
vielmehr ist von der geschäftskundigen Leitung
zu erwarten, daß auch sie unter Verzicht auf
ihre bisherige Monopolstellung Ol für den
deutschen Markt liefert."

Als ob Rockefeller jemals auf ergaunerte
Privilegien und Monopole freiwillig verzichtet
hätte I So naiv ist der Mann, der zur Er¬
reichung seines Zieles über ungezählte Leichen
gegangen ist, nicht, daß er auf ein liebens¬
würdiges Jureden der Reichsregierung hin
auch nur das geringste Entgegenkommen
zeigen würde. Den Petroleumtrust nannte
Duimchen einen Schulfall. Man ist in Ame¬
rika dabei, alle großen Industrien nach seinem
Vorbilde unter einen Hut zu bringen. Und
darüber hinaus streckt das vertrustete Kapital
seine Arme nach Deutschland aus, um sich
seine Bewohner tributpflichtig zu machen Die
Aktien der nur noch dein Namen nach deut¬
schen Zigarettenfabriken, befinden sich zum
großen Teil in amerikanischen Händen. Der
Tabaktrust ist so gut wie abgeschlossen.

Vertrustung heißt Verknechtung. Das freie
Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, auf dem
unser Wirtschaftssystem beruht, dem wir auf
dem Weltmarkt unsere großen Erfolge ver¬
danken, hört auf, sobald die großen Korpo¬
rationen eine unbedingte, unkontrollierte, völlig
willkürliche Macht erlangt haben, immer nur
von der einen Erwägung geleitet, wie die
Beherrschten gründlich und dauernd ausgebeutet
werden können. Duimchen folgert weiter:
„Der Staat, die Monarchie oder die Republik,

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322749"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_1683" prev="#ID_1682"> der Standard-Oil-Co. geworden. Erst spät,<lb/>
aber noch nicht zu spät ist die Regierung mit<lb/>
einer Denkschrift, die nichts geringeres als<lb/>
die Begründung einer unter Aufsicht des<lb/>
Reichs stehenden Aktiengesellschaft zum Ver¬<lb/>
trieb von Petroleum bezweckt, an die Öffent¬<lb/>
lichkeit getreten. Es wäre dies der erste vom<lb/>
Staate unternommene Versuch, den Macht¬<lb/>
gelüsten der Standard - Oil - Co. durch ein<lb/>
gesetzliches Eingreifen in den Petroleumhandel<lb/>
einen Riegel vorzuschieben und den ver¬<lb/>
derblichen Einfluß der Trusts auf das ge¬<lb/>
samte Wirtschaftsleben zu brechen. Die offi¬<lb/>
zielle Note über diesen wichtigen Schritt deckt<lb/>
sich in der Hauptsache mit den weiter oben<lb/>
näher bezeichneten Anregungen Duimchens,<lb/>
die dadurch ein hohes aktuelles Interesse ge¬<lb/>
winnen und bei der bevorstehenden Beratung<lb/>
des Gesetzentwurfs von grundlegender Bedeu¬<lb/>
tung werden könnten.</p>
            <p xml:id="ID_1684"> Um Rockefeller zu berockfellern &#x2014; so regte<lb/>
Duimchen an &#x2014; müßte eine Deutsche Petro¬<lb/>
leumhandlung, vielleicht in der Weise der<lb/>
Preußischen Seehandlung oder der Reichsbank,<lb/>
errichtet werden, die für Rechnung des Reiches<lb/>
oder mindestens unter maßgebender Mit¬<lb/>
beteiligung des Reiches das Petroleumgeschäft<lb/>
zu betreiben hätte. In den Geschäftsbereich<lb/>
fiele die Einfuhr von rohem und raffiniertem<lb/>
Petroleum, ferner die Rasfinierung inlän¬<lb/>
dischen und ausländischen Rohpetroleums in<lb/>
Deutschland, der Bau und die Ausnutzung<lb/>
von Sammeltanks und Röhrenleitungen, von<lb/>
Kcsselwaggons usw. Die Deutsche Petroleum-<lb/>
Handlung hätte sich zunächst mit den russischen,<lb/>
rumänischen Quellenbesitzern zu verständigen,<lb/>
ferner mit den amerikanischen, soweit sie noch<lb/>
vom Standard unabhängig sind. Die Öl¬<lb/>
quellen besitzer und die mit ihnen zusammen¬<lb/>
hängenden Rafsineure &#x2014; alle Todfeinde der<lb/>
Staudard &#x2014; müßten drüben in Amerika<lb/>
zusammengefaßt, organisiert und in die Hand<lb/>
der Deutschen Petrvlenmhandlung gebracht<lb/>
werden. Um die Mitte der neunziger Jahre<lb/>
waren nach zuverlässigen Schützungen noch<lb/>
fünf Achtel bis drei Viertel der Gesamtpro¬<lb/>
duktion völlig &#x201E;unabhängig". Heute dürfte<lb/>
es kaum noch der vierte Teil sein, aber diese<lb/>
&#x201E;amerikanische Filiale" der &#x201E;Deutschen Petro¬<lb/>
leumhandlung" könnte dennoch den Bedarf<lb/>
in Deutschland in der Hauptsache decken.</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_1685"> Die wenigen noch unabhängigen Gesell¬<lb/>
schaften Amerikas sind schon deshalb in ihrer<lb/>
Existenz auf das äußerste gefährdet, weil sie<lb/>
über keine eigene Tankflotte verfügen und<lb/>
daher ausschließlich auf den Inlandmarkt an¬<lb/>
gewiesen sind, den die Standard-Oil-Co.<lb/>
&#x201E;kontrolliert". Ihre Tage dürften, sollte ihnen<lb/>
nicht bald Hilfe von außen kommen, darum<lb/>
bald gezählt sein. Hier könnte das Reich,<lb/>
resp, die zu gründende Aktiengesellschaft den<lb/>
Hebel einsetzen, um Rockefeller aus dem Sattel<lb/>
zu heben. Denn es handelt sich bei dieser<lb/>
Aktion nicht allein um die Beschaffung von<lb/>
billigem Petroleum, sondern erstrecht um<lb/>
einen Kampf gegen die Trusts. In der Denk¬<lb/>
schrift heißt eS allerdings: &#x201E;Die Stcmdard-<lb/>
Oil-Co. soll keineswegs von der Versorgung<lb/>
des deutschen Marktes ausgeschaltet werden,<lb/>
vielmehr ist von der geschäftskundigen Leitung<lb/>
zu erwarten, daß auch sie unter Verzicht auf<lb/>
ihre bisherige Monopolstellung Ol für den<lb/>
deutschen Markt liefert."</p>
            <p xml:id="ID_1686"> Als ob Rockefeller jemals auf ergaunerte<lb/>
Privilegien und Monopole freiwillig verzichtet<lb/>
hätte I So naiv ist der Mann, der zur Er¬<lb/>
reichung seines Zieles über ungezählte Leichen<lb/>
gegangen ist, nicht, daß er auf ein liebens¬<lb/>
würdiges Jureden der Reichsregierung hin<lb/>
auch nur das geringste Entgegenkommen<lb/>
zeigen würde. Den Petroleumtrust nannte<lb/>
Duimchen einen Schulfall. Man ist in Ame¬<lb/>
rika dabei, alle großen Industrien nach seinem<lb/>
Vorbilde unter einen Hut zu bringen. Und<lb/>
darüber hinaus streckt das vertrustete Kapital<lb/>
seine Arme nach Deutschland aus, um sich<lb/>
seine Bewohner tributpflichtig zu machen Die<lb/>
Aktien der nur noch dein Namen nach deut¬<lb/>
schen Zigarettenfabriken, befinden sich zum<lb/>
großen Teil in amerikanischen Händen. Der<lb/>
Tabaktrust ist so gut wie abgeschlossen.</p>
            <p xml:id="ID_1687" next="#ID_1688"> Vertrustung heißt Verknechtung. Das freie<lb/>
Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, auf dem<lb/>
unser Wirtschaftssystem beruht, dem wir auf<lb/>
dem Weltmarkt unsere großen Erfolge ver¬<lb/>
danken, hört auf, sobald die großen Korpo¬<lb/>
rationen eine unbedingte, unkontrollierte, völlig<lb/>
willkürliche Macht erlangt haben, immer nur<lb/>
von der einen Erwägung geleitet, wie die<lb/>
Beherrschten gründlich und dauernd ausgebeutet<lb/>
werden können. Duimchen folgert weiter:<lb/>
&#x201E;Der Staat, die Monarchie oder die Republik,</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Standard-Oil-Co. geworden. Erst spät, aber noch nicht zu spät ist die Regierung mit einer Denkschrift, die nichts geringeres als die Begründung einer unter Aufsicht des Reichs stehenden Aktiengesellschaft zum Ver¬ trieb von Petroleum bezweckt, an die Öffent¬ lichkeit getreten. Es wäre dies der erste vom Staate unternommene Versuch, den Macht¬ gelüsten der Standard - Oil - Co. durch ein gesetzliches Eingreifen in den Petroleumhandel einen Riegel vorzuschieben und den ver¬ derblichen Einfluß der Trusts auf das ge¬ samte Wirtschaftsleben zu brechen. Die offi¬ zielle Note über diesen wichtigen Schritt deckt sich in der Hauptsache mit den weiter oben näher bezeichneten Anregungen Duimchens, die dadurch ein hohes aktuelles Interesse ge¬ winnen und bei der bevorstehenden Beratung des Gesetzentwurfs von grundlegender Bedeu¬ tung werden könnten. Um Rockefeller zu berockfellern — so regte Duimchen an — müßte eine Deutsche Petro¬ leumhandlung, vielleicht in der Weise der Preußischen Seehandlung oder der Reichsbank, errichtet werden, die für Rechnung des Reiches oder mindestens unter maßgebender Mit¬ beteiligung des Reiches das Petroleumgeschäft zu betreiben hätte. In den Geschäftsbereich fiele die Einfuhr von rohem und raffiniertem Petroleum, ferner die Rasfinierung inlän¬ dischen und ausländischen Rohpetroleums in Deutschland, der Bau und die Ausnutzung von Sammeltanks und Röhrenleitungen, von Kcsselwaggons usw. Die Deutsche Petroleum- Handlung hätte sich zunächst mit den russischen, rumänischen Quellenbesitzern zu verständigen, ferner mit den amerikanischen, soweit sie noch vom Standard unabhängig sind. Die Öl¬ quellen besitzer und die mit ihnen zusammen¬ hängenden Rafsineure — alle Todfeinde der Staudard — müßten drüben in Amerika zusammengefaßt, organisiert und in die Hand der Deutschen Petrvlenmhandlung gebracht werden. Um die Mitte der neunziger Jahre waren nach zuverlässigen Schützungen noch fünf Achtel bis drei Viertel der Gesamtpro¬ duktion völlig „unabhängig". Heute dürfte es kaum noch der vierte Teil sein, aber diese „amerikanische Filiale" der „Deutschen Petro¬ leumhandlung" könnte dennoch den Bedarf in Deutschland in der Hauptsache decken. Die wenigen noch unabhängigen Gesell¬ schaften Amerikas sind schon deshalb in ihrer Existenz auf das äußerste gefährdet, weil sie über keine eigene Tankflotte verfügen und daher ausschließlich auf den Inlandmarkt an¬ gewiesen sind, den die Standard-Oil-Co. „kontrolliert". Ihre Tage dürften, sollte ihnen nicht bald Hilfe von außen kommen, darum bald gezählt sein. Hier könnte das Reich, resp, die zu gründende Aktiengesellschaft den Hebel einsetzen, um Rockefeller aus dem Sattel zu heben. Denn es handelt sich bei dieser Aktion nicht allein um die Beschaffung von billigem Petroleum, sondern erstrecht um einen Kampf gegen die Trusts. In der Denk¬ schrift heißt eS allerdings: „Die Stcmdard- Oil-Co. soll keineswegs von der Versorgung des deutschen Marktes ausgeschaltet werden, vielmehr ist von der geschäftskundigen Leitung zu erwarten, daß auch sie unter Verzicht auf ihre bisherige Monopolstellung Ol für den deutschen Markt liefert." Als ob Rockefeller jemals auf ergaunerte Privilegien und Monopole freiwillig verzichtet hätte I So naiv ist der Mann, der zur Er¬ reichung seines Zieles über ungezählte Leichen gegangen ist, nicht, daß er auf ein liebens¬ würdiges Jureden der Reichsregierung hin auch nur das geringste Entgegenkommen zeigen würde. Den Petroleumtrust nannte Duimchen einen Schulfall. Man ist in Ame¬ rika dabei, alle großen Industrien nach seinem Vorbilde unter einen Hut zu bringen. Und darüber hinaus streckt das vertrustete Kapital seine Arme nach Deutschland aus, um sich seine Bewohner tributpflichtig zu machen Die Aktien der nur noch dein Namen nach deut¬ schen Zigarettenfabriken, befinden sich zum großen Teil in amerikanischen Händen. Der Tabaktrust ist so gut wie abgeschlossen. Vertrustung heißt Verknechtung. Das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, auf dem unser Wirtschaftssystem beruht, dem wir auf dem Weltmarkt unsere großen Erfolge ver¬ danken, hört auf, sobald die großen Korpo¬ rationen eine unbedingte, unkontrollierte, völlig willkürliche Macht erlangt haben, immer nur von der einen Erwägung geleitet, wie die Beherrschten gründlich und dauernd ausgebeutet werden können. Duimchen folgert weiter: „Der Staat, die Monarchie oder die Republik,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/347>, abgerufen am 15.01.2025.