Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] auch besondere Strafkammern geschaffen Die Staatsanwaltschaft hat ein Bedürfnis Eine Zuteilung aller Handelsstrafsachen Daß für die Bildung solcher Spezial¬ Gefängnisse in" freien Moor. Von außer¬ zu mehren, namentlich für die Kinder der¬ Die Zahl der Gefangenen, die aus Straf¬ Seit 1897 hat die preußische Gefängnis¬ Grenzboten IV 191243
Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] auch besondere Strafkammern geschaffen Die Staatsanwaltschaft hat ein Bedürfnis Eine Zuteilung aller Handelsstrafsachen Daß für die Bildung solcher Spezial¬ Gefängnisse in« freien Moor. Von außer¬ zu mehren, namentlich für die Kinder der¬ Die Zahl der Gefangenen, die aus Straf¬ Seit 1897 hat die preußische Gefängnis¬ Grenzboten IV 191243
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322746"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1662" prev="#ID_1661"> auch besondere Strafkammern geschaffen<lb/> werden, denen alle die Strafsachen zugeteilt<lb/> werden, welche das Handelsstrafrecht betreffen.<lb/> Ich denke hierbei besonders an Zuwider¬<lb/> handlungen gegen die Strafbestimmungen des<lb/> Aktienrechts, Konkursrechts, des Börsen- und<lb/> Depotgesetzes, sowie an alle die Fälle von<lb/> Betrug, Untreue, Unterschlagung, welche be¬<lb/> sonders banktechnische oder sonst kaufmännische<lb/> Kenntnisse boraussetzen.</p> <p xml:id="ID_1663"> Die Staatsanwaltschaft hat ein Bedürfnis<lb/> nach solcher Spezialisierung bereits anerkannt,<lb/> indem sie seit langem besondere Preßdezer¬<lb/> nenten an den größeren Landgerichten hat<lb/> und neuerlich beim Landgericht I Berlin be¬<lb/> sondere Dezernenten für die Bucketshopsachen<lb/> geschaffen hat.</p> <p xml:id="ID_1664"> Eine Zuteilung aller Handelsstrafsachen<lb/> an eine oder mehrere bestimmte Kammern<lb/> ließe sich mühelos zum Beginn eines neuen<lb/> Geschäftsjahres durchführen, für welchen<lb/> Zeitpunkt nach §Z 62, 63 G. B. G. das Prä¬<lb/> sidium des Landgerichts die Geschäfte auf die<lb/> Dauer des neuen Geschäftsjahres unter die<lb/> Kammern derselben Art herleite.</p> <p xml:id="ID_1665"> Daß für die Bildung solcher Spezial¬<lb/> kammern nur an ganz wenigen und zwar<lb/> den größten Landgerichten ein Bedürfnis sein<lb/> wird, ist selbstverständlich, an diesen aber<lb/> würde mit Schaffung solcher Kammern ein<lb/> Spezialistentum großgezogen, wie es in seiner<lb/> Sachkenntnis nach jeder Richtung hin nur<lb/> wünschenswert wäre.</p> <note type="byline"> Landrichter Dr. Sonta</note> </div> <div n="3"> <head> Gefängnisse in« freien Moor.</head> <p xml:id="ID_1666" next="#ID_1667"> Von außer¬<lb/> ordentlicher Bedeutung für die Durchführung<lb/> der gewaltigen Kulturarbeiten, die auf den<lb/> weiten Heide- und Moorflächen in unserem<lb/> deutschen Vaterlande der Lösung harren, ist<lb/> die Beschaffung ausreichender Arbeitskräfte.<lb/> Hier setzen die Bestrebungen ein, die Ge¬<lb/> fängnisse — natürlich nur cum Zr-mo salis<lb/> genommen — zum Teil aus den Mauern<lb/> der Stadt ins freie Moor hinauszulegen. Es<lb/> handelt sich darum, die unsozialen Elemente,<lb/> selbstverständlich mit Auswahl, in den Dienst<lb/> einer großen sozialen Ausgabe zu stellen, wie<lb/> sie in der Odlandkultur vor uns liegt. Der<lb/> Staat hat ein wesentliches Interesse daran,<lb/> die kleine und mittlere bäuerliche Bevölkerung</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1667" prev="#ID_1666"> zu mehren, namentlich für die Kinder der¬<lb/> selben neue Siedlungen zu schaffen, damit<lb/> diese ihrem Stande und dem Lande erhalten<lb/> bleiben können. Man könnte es fast eine<lb/> ausgleichende Gerechtigkeit nennen, wenn die<lb/> Arbeitskraft derjenigen, die die Rechtsordnung<lb/> durchbrochen haben und zu einer Freiheits¬<lb/> strafe verurteilt wurden, verwendet wird, um<lb/> Herdfeuer und Arbeitsstätte zu schaffen für<lb/> solche Staatsbürger, die wie der Bauer den<lb/> Bestand des Staates festigen und sichern.</p> <p xml:id="ID_1668"> Die Zahl der Gefangenen, die aus Straf¬<lb/> anstalten und Gefängnissen der preußischen<lb/> Verwaltung des Innern mit Landeskultur¬<lb/> arbeiten überhaupt beschäftigt sind, betrug am<lb/> 1. Januar o. I. nahezu vierzehnhundert<lb/> Mann. Es handelte sich dabei einmal um<lb/> Moorkulturarbeiten und zwar in Ostpreußen,<lb/> Hannover, Schleswig-Holstein, sowie in der<lb/> Rheinprobinz; außerdem um Dünenbefesti¬<lb/> gungen auf der Kurischen und Frischer Neh¬<lb/> rung und der Halbinsel Hela, um Fluß-<lb/> regulicrungen in den Provinzen Schlesien,<lb/> Sachsen und Hanuober, endlich noch um<lb/> Weinbergsanlagen an der Mosel und der<lb/> Nahe. Bei der eigentlichen Moorkultur waren<lb/> vierhundertfünfundvierzig Gefangene, darunter<lb/> dreihundertfünfundsechzig Zuchthäusler und<lb/> achtzig Gefängnisgefnngene beschäftigt. Wie<lb/> aus den Jahresberichten der einzelnen An¬<lb/> stalten hervorgeht, stößt die Verwendung der<lb/> Gefängnisgefnngenen auf keine Schwierigkeit.<lb/> Obgleich die Insassen der Gefängnisse nach<lb/> dem Gesetz ihre Zustimmung geben müssen,<lb/> kommen Weigerungen so gut wie garnicht<lb/> vor. Sie führen sich gut, sind fleißig und<lb/> billig, Ablösungen wegen schlechter Führung<lb/> sind selten. Ohne Murren haben sie Sommer¬<lb/> hitze und Winterkälte ertragen. Sie kehren<lb/> körperlich und geistig gekräftigt in die Freiheit<lb/> zurück. Auch die Ärzte betonen in ihren<lb/> Sonderberichten immer wieder, wie zuträglich<lb/> in gesundheitlicher Beziehung diese Außen¬<lb/> arbeit der Gefangenen ist.</p> <p xml:id="ID_1669" next="#ID_1670"> Seit 1897 hat die preußische Gefängnis¬<lb/> verwaltung im Einvernehmen mit der land¬<lb/> wirtschaftlichen Verwaltung die Aufgabe, Plan¬<lb/> mäßig Odlandarbeiten durch Strafgefangene<lb/> auszuführen, in Angriff genommen. Es<lb/> handelt sich vor allem um die Kultivierung<lb/> und Besiedlung des Bargstedter und Reit-</p> <cb type="end"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 191243</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
auch besondere Strafkammern geschaffen
werden, denen alle die Strafsachen zugeteilt
werden, welche das Handelsstrafrecht betreffen.
Ich denke hierbei besonders an Zuwider¬
handlungen gegen die Strafbestimmungen des
Aktienrechts, Konkursrechts, des Börsen- und
Depotgesetzes, sowie an alle die Fälle von
Betrug, Untreue, Unterschlagung, welche be¬
sonders banktechnische oder sonst kaufmännische
Kenntnisse boraussetzen.
Die Staatsanwaltschaft hat ein Bedürfnis
nach solcher Spezialisierung bereits anerkannt,
indem sie seit langem besondere Preßdezer¬
nenten an den größeren Landgerichten hat
und neuerlich beim Landgericht I Berlin be¬
sondere Dezernenten für die Bucketshopsachen
geschaffen hat.
Eine Zuteilung aller Handelsstrafsachen
an eine oder mehrere bestimmte Kammern
ließe sich mühelos zum Beginn eines neuen
Geschäftsjahres durchführen, für welchen
Zeitpunkt nach §Z 62, 63 G. B. G. das Prä¬
sidium des Landgerichts die Geschäfte auf die
Dauer des neuen Geschäftsjahres unter die
Kammern derselben Art herleite.
Daß für die Bildung solcher Spezial¬
kammern nur an ganz wenigen und zwar
den größten Landgerichten ein Bedürfnis sein
wird, ist selbstverständlich, an diesen aber
würde mit Schaffung solcher Kammern ein
Spezialistentum großgezogen, wie es in seiner
Sachkenntnis nach jeder Richtung hin nur
wünschenswert wäre.
Landrichter Dr. Sonta Gefängnisse in« freien Moor. Von außer¬
ordentlicher Bedeutung für die Durchführung
der gewaltigen Kulturarbeiten, die auf den
weiten Heide- und Moorflächen in unserem
deutschen Vaterlande der Lösung harren, ist
die Beschaffung ausreichender Arbeitskräfte.
Hier setzen die Bestrebungen ein, die Ge¬
fängnisse — natürlich nur cum Zr-mo salis
genommen — zum Teil aus den Mauern
der Stadt ins freie Moor hinauszulegen. Es
handelt sich darum, die unsozialen Elemente,
selbstverständlich mit Auswahl, in den Dienst
einer großen sozialen Ausgabe zu stellen, wie
sie in der Odlandkultur vor uns liegt. Der
Staat hat ein wesentliches Interesse daran,
die kleine und mittlere bäuerliche Bevölkerung
zu mehren, namentlich für die Kinder der¬
selben neue Siedlungen zu schaffen, damit
diese ihrem Stande und dem Lande erhalten
bleiben können. Man könnte es fast eine
ausgleichende Gerechtigkeit nennen, wenn die
Arbeitskraft derjenigen, die die Rechtsordnung
durchbrochen haben und zu einer Freiheits¬
strafe verurteilt wurden, verwendet wird, um
Herdfeuer und Arbeitsstätte zu schaffen für
solche Staatsbürger, die wie der Bauer den
Bestand des Staates festigen und sichern.
Die Zahl der Gefangenen, die aus Straf¬
anstalten und Gefängnissen der preußischen
Verwaltung des Innern mit Landeskultur¬
arbeiten überhaupt beschäftigt sind, betrug am
1. Januar o. I. nahezu vierzehnhundert
Mann. Es handelte sich dabei einmal um
Moorkulturarbeiten und zwar in Ostpreußen,
Hannover, Schleswig-Holstein, sowie in der
Rheinprobinz; außerdem um Dünenbefesti¬
gungen auf der Kurischen und Frischer Neh¬
rung und der Halbinsel Hela, um Fluß-
regulicrungen in den Provinzen Schlesien,
Sachsen und Hanuober, endlich noch um
Weinbergsanlagen an der Mosel und der
Nahe. Bei der eigentlichen Moorkultur waren
vierhundertfünfundvierzig Gefangene, darunter
dreihundertfünfundsechzig Zuchthäusler und
achtzig Gefängnisgefnngene beschäftigt. Wie
aus den Jahresberichten der einzelnen An¬
stalten hervorgeht, stößt die Verwendung der
Gefängnisgefnngenen auf keine Schwierigkeit.
Obgleich die Insassen der Gefängnisse nach
dem Gesetz ihre Zustimmung geben müssen,
kommen Weigerungen so gut wie garnicht
vor. Sie führen sich gut, sind fleißig und
billig, Ablösungen wegen schlechter Führung
sind selten. Ohne Murren haben sie Sommer¬
hitze und Winterkälte ertragen. Sie kehren
körperlich und geistig gekräftigt in die Freiheit
zurück. Auch die Ärzte betonen in ihren
Sonderberichten immer wieder, wie zuträglich
in gesundheitlicher Beziehung diese Außen¬
arbeit der Gefangenen ist.
Seit 1897 hat die preußische Gefängnis¬
verwaltung im Einvernehmen mit der land¬
wirtschaftlichen Verwaltung die Aufgabe, Plan¬
mäßig Odlandarbeiten durch Strafgefangene
auszuführen, in Angriff genommen. Es
handelt sich vor allem um die Kultivierung
und Besiedlung des Bargstedter und Reit-
Grenzboten IV 191243
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