Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Koloniale Fortschritte Söhne des gebildeten Mittelstandes in Betracht, die mit 30- bis 50000 Mark Bezüglich der Akklimatisationsfähigkeit der weißen Siedler sagt Herr "Was vom tropischen Höhenklima von 1200 bis 2000 Metern theoretisch Herr Dr. Sols hat sich auch nicht an die pessimistische Auffassung Dern- Die Entwicklung der kolonialen Siedlungen zu selbständigen Gemeinwesen *) "Deutsch-Ostafrika als Siedlungsgebiet für Europäer." Leipzig, Verlag von
Duncker u. Humblot. Koloniale Fortschritte Söhne des gebildeten Mittelstandes in Betracht, die mit 30- bis 50000 Mark Bezüglich der Akklimatisationsfähigkeit der weißen Siedler sagt Herr „Was vom tropischen Höhenklima von 1200 bis 2000 Metern theoretisch Herr Dr. Sols hat sich auch nicht an die pessimistische Auffassung Dern- Die Entwicklung der kolonialen Siedlungen zu selbständigen Gemeinwesen *) „Deutsch-Ostafrika als Siedlungsgebiet für Europäer." Leipzig, Verlag von
Duncker u. Humblot. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322662"/> <fw type="header" place="top"> Koloniale Fortschritte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1202" prev="#ID_1201"> Söhne des gebildeten Mittelstandes in Betracht, die mit 30- bis 50000 Mark<lb/> Vermögen in der Heimat als Landwirte nicht viel anfangen können, drüben<lb/> aber mit Fleiß und Tüchtigkeit gut vorwärts kommen. Auch Herr von Lindequist,<lb/> der frühere Staatssekretär, der Ostafrika vor einigen Jahren mit dem aus¬<lb/> gesprochenen Zweck bereist hat. Grundlagen zu gewinnen für eine lebhaftere<lb/> Besiedlung, ist der Ansicht, daß dieser Typ, den die Engländer „Gentleman-<lb/> Farmer" nennen, am besten für unsere Kolonien paßt. In Südwestafrika<lb/> gehört denn auch tatsächlich der größte Teil der Ansiedler diesem Typ an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1203"> Bezüglich der Akklimatisationsfähigkeit der weißen Siedler sagt Herr<lb/> von Lindequist in seinem jüngst erschienenen Bericht*):</p><lb/> <p xml:id="ID_1204"> „Was vom tropischen Höhenklima von 1200 bis 2000 Metern theoretisch<lb/> erwartet war, das hat die praktische Erfahrung an den dort ansässigen Weißen<lb/> bestätigt; die Männer haben ihre Leistungsfähigkeit, die Frauen ihre Gebär¬<lb/> tüchtigkeit behalten, die heranwachsende Generation ist körperlich, intellektuell und<lb/> moralisch vollwertig geblieben; Anzeichen irgendwelcher Degeneration sind<lb/> nirgends zu finden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1205"> Herr Dr. Sols hat sich auch nicht an die pessimistische Auffassung Dern-<lb/> burgs gekehrt, sondern durch den Mund des neuen Gouverneurs Dr. Schnee<lb/> deutlich zu erkennen gegeben, daß die Besiedlung durch Bereitstellung weiterer<lb/> geeigneter Gebiete gefördert werden soll. Es ist daher kaum zu befürchten, daß<lb/> in Ostafrika, wie dies unter dem Dernburg-Rechenberg-Regime geschehen ist,<lb/> gebildete Anstedlungslustige mit 100000 M. Vermögen — nach Südwestafrika<lb/> gewiesen oder vermögende und bewährte Südwestafrikaner, die nach Ostafrika<lb/> übersiedeln wollten, mit dem Bemerken abgefertigt wurden, es sei kein Land<lb/> verfügbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1206" next="#ID_1207"> Die Entwicklung der kolonialen Siedlungen zu selbständigen Gemeinwesen<lb/> wird vielleicht unter Sols ein etwas rascheres Tempo einschlagen. Wenigstens<lb/> hat er schon wiederholt zu erkennen gegeben, daß er möglichste Dezentralisation,<lb/> d. h. die Verlegung des Schwerpunktes der Verwaltung nach den Kolonien selbst,<lb/> anstrebt mit der Tendenz des allmählichen Ausbaues der Selbstverwaltung. In<lb/> Südwestafrika ist zwar unter Dernburg die von der Anstedlerschaft stürmisch<lb/> geforderte Organisation der Selbstverwaltung zustande gekommen und hat seither<lb/> Ersprießliches gewirkt, aber man fühlte doch deutlich heraus, daß sie erzwungen<lb/> war und die Kolonialverwaltung sich bemühte, das Heft in der Hand zu<lb/> behalten. Die Selbstverwaltungsorgane wurden ihres Lebens nicht froh und standen<lb/> fortgesetzt auf gespanntem Fuß mit der Zentralverwaltung. Daß unter diesen Um¬<lb/> ständen die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens nicht vorwärts gehen wollte, ist<lb/> kein Wunder. Schon seit Jahren rief die Farmerschaft nach einer landwirtschaftlichen<lb/> Kreditorganisation, deren Notwendigkeit Dernburg bei seinem Besuch in Südwest</p><lb/> <note xml:id="FID_17" place="foot"> *) „Deutsch-Ostafrika als Siedlungsgebiet für Europäer." Leipzig, Verlag von<lb/> Duncker u. Humblot.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
Koloniale Fortschritte
Söhne des gebildeten Mittelstandes in Betracht, die mit 30- bis 50000 Mark
Vermögen in der Heimat als Landwirte nicht viel anfangen können, drüben
aber mit Fleiß und Tüchtigkeit gut vorwärts kommen. Auch Herr von Lindequist,
der frühere Staatssekretär, der Ostafrika vor einigen Jahren mit dem aus¬
gesprochenen Zweck bereist hat. Grundlagen zu gewinnen für eine lebhaftere
Besiedlung, ist der Ansicht, daß dieser Typ, den die Engländer „Gentleman-
Farmer" nennen, am besten für unsere Kolonien paßt. In Südwestafrika
gehört denn auch tatsächlich der größte Teil der Ansiedler diesem Typ an.
Bezüglich der Akklimatisationsfähigkeit der weißen Siedler sagt Herr
von Lindequist in seinem jüngst erschienenen Bericht*):
„Was vom tropischen Höhenklima von 1200 bis 2000 Metern theoretisch
erwartet war, das hat die praktische Erfahrung an den dort ansässigen Weißen
bestätigt; die Männer haben ihre Leistungsfähigkeit, die Frauen ihre Gebär¬
tüchtigkeit behalten, die heranwachsende Generation ist körperlich, intellektuell und
moralisch vollwertig geblieben; Anzeichen irgendwelcher Degeneration sind
nirgends zu finden."
Herr Dr. Sols hat sich auch nicht an die pessimistische Auffassung Dern-
burgs gekehrt, sondern durch den Mund des neuen Gouverneurs Dr. Schnee
deutlich zu erkennen gegeben, daß die Besiedlung durch Bereitstellung weiterer
geeigneter Gebiete gefördert werden soll. Es ist daher kaum zu befürchten, daß
in Ostafrika, wie dies unter dem Dernburg-Rechenberg-Regime geschehen ist,
gebildete Anstedlungslustige mit 100000 M. Vermögen — nach Südwestafrika
gewiesen oder vermögende und bewährte Südwestafrikaner, die nach Ostafrika
übersiedeln wollten, mit dem Bemerken abgefertigt wurden, es sei kein Land
verfügbar.
Die Entwicklung der kolonialen Siedlungen zu selbständigen Gemeinwesen
wird vielleicht unter Sols ein etwas rascheres Tempo einschlagen. Wenigstens
hat er schon wiederholt zu erkennen gegeben, daß er möglichste Dezentralisation,
d. h. die Verlegung des Schwerpunktes der Verwaltung nach den Kolonien selbst,
anstrebt mit der Tendenz des allmählichen Ausbaues der Selbstverwaltung. In
Südwestafrika ist zwar unter Dernburg die von der Anstedlerschaft stürmisch
geforderte Organisation der Selbstverwaltung zustande gekommen und hat seither
Ersprießliches gewirkt, aber man fühlte doch deutlich heraus, daß sie erzwungen
war und die Kolonialverwaltung sich bemühte, das Heft in der Hand zu
behalten. Die Selbstverwaltungsorgane wurden ihres Lebens nicht froh und standen
fortgesetzt auf gespanntem Fuß mit der Zentralverwaltung. Daß unter diesen Um¬
ständen die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens nicht vorwärts gehen wollte, ist
kein Wunder. Schon seit Jahren rief die Farmerschaft nach einer landwirtschaftlichen
Kreditorganisation, deren Notwendigkeit Dernburg bei seinem Besuch in Südwest
*) „Deutsch-Ostafrika als Siedlungsgebiet für Europäer." Leipzig, Verlag von
Duncker u. Humblot.
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