Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel Ideen eine gewisse Berechtigung einräumt, Gottgläubiger, Aristokrat, Monarchist Wie hängt das alles mit der Rede des Herrn von Vethmann zusammen? Herr von Bethmann hat in seiner Rede vom Freitag, den 25. Oktober, ein Erkennen wir somit den Weg, den die Regierung vorläufig eingeschlagen hat, Reichsspiegel Ideen eine gewisse Berechtigung einräumt, Gottgläubiger, Aristokrat, Monarchist Wie hängt das alles mit der Rede des Herrn von Vethmann zusammen? Herr von Bethmann hat in seiner Rede vom Freitag, den 25. Oktober, ein Erkennen wir somit den Weg, den die Regierung vorläufig eingeschlagen hat, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322656"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1176" prev="#ID_1175"> Ideen eine gewisse Berechtigung einräumt, Gottgläubiger, Aristokrat, Monarchist<lb/> und Nationalist sein kann. Der Sozialismus bedingt auch durchaus nicht kommu¬<lb/> nistische Wirtschaftsformen; ebensowenig engt er das Individuum ein; wohl aber<lb/> schafft er breitere Möglichkeiten für die Entwicklung des Individuums.</p><lb/> <p xml:id="ID_1177"> Wie hängt das alles mit der Rede des Herrn von Vethmann zusammen?<lb/> Nicht so lose, wie es scheint. Der Grundpfeiler der nationalen Wirtschaft ist der<lb/> Boden; im Mittelpunkt aller Wirtschaftspolitik steht die Bodenpolitik, und praktische<lb/> Bodenpolitik stellt auch die innere Kolonisation dar, die der Herr Reichskanzler<lb/> empfiehlt. Wollen wir einen Hauptgrund der Teuerungen wenigstens auf Menschen¬<lb/> alter beseitigen, dann dürfen wir vor einer die Besitzverhältnisse verändernden<lb/> Reform nicht zurückschrecken. Das sollte mit obigen Ausführungen gesagt sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1178"> Herr von Bethmann hat in seiner Rede vom Freitag, den 25. Oktober, ein<lb/> sehr interessantes Programm für die innere Kolonisation vorgetragen. Es setzt<lb/> sich zusammen aus allen den kleinen Mitteln, die, wie ich das in einem früheren<lb/> Aufsatz über „Innere Kolonisation" (Heft 34) näher ausgeführt habe, bei der<lb/> heutigen Wirtschaftsordnung und sozialen Verfassung allein anwendbar sind. Auch<lb/> wenn in absehbarer Zeit eine größere Wirtschaftsreform in Aussicht genommen<lb/> sein sollte, würde man sich an die bisher angewandten praktischen Mittel halten<lb/> müssen. Die notwendiger scheinende Reform würde gewissermaßen nur den<lb/> neuen, weiteren Rahmen für die bewährten praktischen Maßnahmen bilden.<lb/> Auch das Vorgehen der Regierung in den einzelnen Provinzen mit ver¬<lb/> schiedenen Organisationen ist sehr warm und dankbar zu begrüßen. Es geht<lb/> daraus hervor, daß nicht nach der Schablone gearbeitet wird, daß vielmehr<lb/> die lokalen Verhältnisse aufmerksam berücksichtigt werden. Die Gründung<lb/> von Kolonisationsgesellschaften und die Beteiligung des staatlichen Kapitals<lb/> an diesen liegt durchaus in der Richtung aller der Vorschläge, die darauf<lb/> hinzielen, der Bodenspekulation nach und nach das Material zu entziehen, da für<lb/> die Hergabe staatlichen Kapitals die Befestigung des Besitzes als Gegenleistung<lb/> gefordert wird. Aber man soll sich dennoch nicht verleiten lassen, zu erwarten,<lb/> daß die Gründung solcher Gesellschaften einen größeren und nachhaltigen Schutz<lb/> gegen die weitere Steigerung der Bodenpreise haben könnte. Ich fürchte vielmehr,<lb/> daß das Gegenteil der Fall ist. Jede neue Kolonisationsgesellschaft wird einen<lb/> neuen Stimulus zur Steigerung des Bodenwertes schaffen, und solange die<lb/> innere Kolonisation energisch weitergeführt wird, muß damit gerechnet werden,<lb/> daß die Bodenpreise steigen. Wird doch die Nachfrage ständig gesteigert! Erst<lb/> wenn die Kolonisation vollständig durchgeführt und der Boden sozusagen durch-<lb/> gehends „befestigt" ist, kann wenigstens theoretisch mit einer Minderung der Boden¬<lb/> preise und damit zugleich mit einer größeren Wertung des Geldes gerechnet<lb/> werden, wenn nicht inzwischen andere Momente, etwa starke Bevölkerungszunahme,<lb/> bei gleichzeitigem Wachstum des allgemeinen Wohlstandes, größere staatliche Be¬<lb/> dürfnisse, neue Erhöhung der Bodenpreise, neue Antriebe für die Spekulation<lb/> bedingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1179" next="#ID_1180"> Erkennen wir somit den Weg, den die Regierung vorläufig eingeschlagen hat,<lb/> als richtig an, so verschließen wir durchaus nicht die Augen vor der Wahrschein¬<lb/> lichkeit, daß die in Aussicht genommenen Mittel zur Erreichung des Zieles, nämlich<lb/> zur erneuten Seßhaftmachung erheblicher Volksteile nicht ausreichen. Dazu wäre,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
Reichsspiegel
Ideen eine gewisse Berechtigung einräumt, Gottgläubiger, Aristokrat, Monarchist
und Nationalist sein kann. Der Sozialismus bedingt auch durchaus nicht kommu¬
nistische Wirtschaftsformen; ebensowenig engt er das Individuum ein; wohl aber
schafft er breitere Möglichkeiten für die Entwicklung des Individuums.
Wie hängt das alles mit der Rede des Herrn von Vethmann zusammen?
Nicht so lose, wie es scheint. Der Grundpfeiler der nationalen Wirtschaft ist der
Boden; im Mittelpunkt aller Wirtschaftspolitik steht die Bodenpolitik, und praktische
Bodenpolitik stellt auch die innere Kolonisation dar, die der Herr Reichskanzler
empfiehlt. Wollen wir einen Hauptgrund der Teuerungen wenigstens auf Menschen¬
alter beseitigen, dann dürfen wir vor einer die Besitzverhältnisse verändernden
Reform nicht zurückschrecken. Das sollte mit obigen Ausführungen gesagt sein.
Herr von Bethmann hat in seiner Rede vom Freitag, den 25. Oktober, ein
sehr interessantes Programm für die innere Kolonisation vorgetragen. Es setzt
sich zusammen aus allen den kleinen Mitteln, die, wie ich das in einem früheren
Aufsatz über „Innere Kolonisation" (Heft 34) näher ausgeführt habe, bei der
heutigen Wirtschaftsordnung und sozialen Verfassung allein anwendbar sind. Auch
wenn in absehbarer Zeit eine größere Wirtschaftsreform in Aussicht genommen
sein sollte, würde man sich an die bisher angewandten praktischen Mittel halten
müssen. Die notwendiger scheinende Reform würde gewissermaßen nur den
neuen, weiteren Rahmen für die bewährten praktischen Maßnahmen bilden.
Auch das Vorgehen der Regierung in den einzelnen Provinzen mit ver¬
schiedenen Organisationen ist sehr warm und dankbar zu begrüßen. Es geht
daraus hervor, daß nicht nach der Schablone gearbeitet wird, daß vielmehr
die lokalen Verhältnisse aufmerksam berücksichtigt werden. Die Gründung
von Kolonisationsgesellschaften und die Beteiligung des staatlichen Kapitals
an diesen liegt durchaus in der Richtung aller der Vorschläge, die darauf
hinzielen, der Bodenspekulation nach und nach das Material zu entziehen, da für
die Hergabe staatlichen Kapitals die Befestigung des Besitzes als Gegenleistung
gefordert wird. Aber man soll sich dennoch nicht verleiten lassen, zu erwarten,
daß die Gründung solcher Gesellschaften einen größeren und nachhaltigen Schutz
gegen die weitere Steigerung der Bodenpreise haben könnte. Ich fürchte vielmehr,
daß das Gegenteil der Fall ist. Jede neue Kolonisationsgesellschaft wird einen
neuen Stimulus zur Steigerung des Bodenwertes schaffen, und solange die
innere Kolonisation energisch weitergeführt wird, muß damit gerechnet werden,
daß die Bodenpreise steigen. Wird doch die Nachfrage ständig gesteigert! Erst
wenn die Kolonisation vollständig durchgeführt und der Boden sozusagen durch-
gehends „befestigt" ist, kann wenigstens theoretisch mit einer Minderung der Boden¬
preise und damit zugleich mit einer größeren Wertung des Geldes gerechnet
werden, wenn nicht inzwischen andere Momente, etwa starke Bevölkerungszunahme,
bei gleichzeitigem Wachstum des allgemeinen Wohlstandes, größere staatliche Be¬
dürfnisse, neue Erhöhung der Bodenpreise, neue Antriebe für die Spekulation
bedingen.
Erkennen wir somit den Weg, den die Regierung vorläufig eingeschlagen hat,
als richtig an, so verschließen wir durchaus nicht die Augen vor der Wahrschein¬
lichkeit, daß die in Aussicht genommenen Mittel zur Erreichung des Zieles, nämlich
zur erneuten Seßhaftmachung erheblicher Volksteile nicht ausreichen. Dazu wäre,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |