Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel begrüßen können. Es ist stets Sitte gewesen, daß der Präsident des preußischen Die friedliche Stimmung im preußischen Abgeordnetenhause konnte gleich in Das Hauptinteresse des Tages nahm die Rede des Herrn Minister¬ Der Inhalt der Rede braucht an dieser Stelle nicht wiedergegeben zu werden Reichsspiegel begrüßen können. Es ist stets Sitte gewesen, daß der Präsident des preußischen Die friedliche Stimmung im preußischen Abgeordnetenhause konnte gleich in Das Hauptinteresse des Tages nahm die Rede des Herrn Minister¬ Der Inhalt der Rede braucht an dieser Stelle nicht wiedergegeben zu werden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322653"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1165" prev="#ID_1164"> begrüßen können. Es ist stets Sitte gewesen, daß der Präsident des preußischen<lb/> Abgeordnetenhauses von der konservativen Fraktion gewissermaßen präsentiert<lb/> wurde und daß die übrigen bürgerlichen Parteien, ohne besondere Schwierigkeiten<lb/> zu erheben, zustimmten. Auch im vorliegenden Falle ist dem alten Brauch gemäß<lb/> verfahren worden, und die Sozialdemokraten, rechtzeitig von den Konservativen<lb/> benachrichtigt, störten die Wahl nicht. Durch diesen Vorgang ist von vornherein<lb/> eine friedliche Note in die Stimmung des Abgeordnetenhauses gekommen und<lb/> es steht zu hoffen, daß es dem bekannten Takt und der großen Geschäftsgewandtheit<lb/> des Grafen Schwerin gelingen wird, sie auch fernerhin in den Verhandlungen<lb/> aufrecht zu erhalten. Jedenfalls dürfte Graf Schwerin sich nicht zum Werkzeug<lb/> konservativer Heißsporne machen, die glauben, den Sozialdemokraten mit eben<lb/> solchen rohen Mitteln erfolgreich entgegentreten zu können, wie sie die Sozial¬<lb/> demokraten selbst in ihrer Politik anwenden. Es wird damit aller Wahrschein¬<lb/> lichkeit nach den sozialistischen Rauhbeinigkeiten von vornherein die Reibfläche<lb/> genommen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Die friedliche Stimmung im preußischen Abgeordnetenhause konnte gleich in<lb/> seiner ersten Arbeitssitzung zur Geltung kommen, gelegentlich der nationalliberalen<lb/> und freisinnigen Jnterpellation zur Fleischnotfrage. Die Abgeordneten<lb/> Schiffer und Wiener begründeten die Interpellationen und besonders Ober¬<lb/> verwaltungsgerichtsrat Dr. Schiffer tat es mit viel Glück; er verstand es, das<lb/> Versäumte der Regierung in ein genügend grelles Licht zu setzen, ohne jedoch ihre<lb/> zweifellos guten Absichten zu ignorieren. Von allgemein politischer Bedeutung ist<lb/> dabei, daß der Abgeordnete Schiffer sich namens der nationalliberalen Partei<lb/> durchaus auf den Standpunkt des Schutzes der nationalen Arbeit stellte und<lb/> auch die sanitären Maßnahmen, die einen wichtigen Teil der agrarischen<lb/> Schutzzollpolitik ausmachen, billigte. Herr Wiener, der freisinnige Redner, ver¬<lb/> klausulierte seine gegenteilige Auffassung derart, daß man aus seinen Ausführungen<lb/> auch das Gegenteil von dem, was er sagen wollte, heraushören konnte. Jedenfalls<lb/> haben die Ausführungen Schiffers, obwohl er so nebenher das Verschwinden der<lb/> preußischen Wahlrechtsfrage von der Tagesordnung kritisierte, eine Basis gezeigt,<lb/> aus der sich die Konservativen und Nationalliberalen verständigen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Das Hauptinteresse des Tages nahm die Rede des Herrn Minister¬<lb/> präsidenten von Bethmann Hollweg in Anspruch. Ganz allgemein muß<lb/> zunächst festgestellt werden, daß Herr von Bethmann in der Debatte unzweifelhaft<lb/> Fortschritte gemacht hat und daß er, wenn auch nicht mit der Geschmeidigkeit des<lb/> Fürsten Bülow, so doch liebenswürdig, lebhaft und geistig scharf gegen den frei¬<lb/> sinnigen Redner zu polemisieren verstand. So gewann denn auch die Rede von<lb/> vornherein an Wärme und Herr von Bethmann fand bereitwillige Zuhörer nicht<lb/> nur wegen seiner amtlichen Stellung, sondern auch als Redner.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> Der Inhalt der Rede braucht an dieser Stelle nicht wiedergegeben zu werden<lb/> da sie im wesentlichen den Standpunkt vertritt, den ich selbst in den Grenzboten<lb/> bezüglich der Fleischteuerung verteidigt habe. Die Regierung hat zweifellos das<lb/> Richtige getan, indem sie die partielle Öffnung der Grenzen von Fall zu Fall<lb/> genehmigte. Sie hat durchaus nicht, wie die Agrarier behaupten, an den Grund-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Reichsspiegel
begrüßen können. Es ist stets Sitte gewesen, daß der Präsident des preußischen
Abgeordnetenhauses von der konservativen Fraktion gewissermaßen präsentiert
wurde und daß die übrigen bürgerlichen Parteien, ohne besondere Schwierigkeiten
zu erheben, zustimmten. Auch im vorliegenden Falle ist dem alten Brauch gemäß
verfahren worden, und die Sozialdemokraten, rechtzeitig von den Konservativen
benachrichtigt, störten die Wahl nicht. Durch diesen Vorgang ist von vornherein
eine friedliche Note in die Stimmung des Abgeordnetenhauses gekommen und
es steht zu hoffen, daß es dem bekannten Takt und der großen Geschäftsgewandtheit
des Grafen Schwerin gelingen wird, sie auch fernerhin in den Verhandlungen
aufrecht zu erhalten. Jedenfalls dürfte Graf Schwerin sich nicht zum Werkzeug
konservativer Heißsporne machen, die glauben, den Sozialdemokraten mit eben
solchen rohen Mitteln erfolgreich entgegentreten zu können, wie sie die Sozial¬
demokraten selbst in ihrer Politik anwenden. Es wird damit aller Wahrschein¬
lichkeit nach den sozialistischen Rauhbeinigkeiten von vornherein die Reibfläche
genommen.
Die friedliche Stimmung im preußischen Abgeordnetenhause konnte gleich in
seiner ersten Arbeitssitzung zur Geltung kommen, gelegentlich der nationalliberalen
und freisinnigen Jnterpellation zur Fleischnotfrage. Die Abgeordneten
Schiffer und Wiener begründeten die Interpellationen und besonders Ober¬
verwaltungsgerichtsrat Dr. Schiffer tat es mit viel Glück; er verstand es, das
Versäumte der Regierung in ein genügend grelles Licht zu setzen, ohne jedoch ihre
zweifellos guten Absichten zu ignorieren. Von allgemein politischer Bedeutung ist
dabei, daß der Abgeordnete Schiffer sich namens der nationalliberalen Partei
durchaus auf den Standpunkt des Schutzes der nationalen Arbeit stellte und
auch die sanitären Maßnahmen, die einen wichtigen Teil der agrarischen
Schutzzollpolitik ausmachen, billigte. Herr Wiener, der freisinnige Redner, ver¬
klausulierte seine gegenteilige Auffassung derart, daß man aus seinen Ausführungen
auch das Gegenteil von dem, was er sagen wollte, heraushören konnte. Jedenfalls
haben die Ausführungen Schiffers, obwohl er so nebenher das Verschwinden der
preußischen Wahlrechtsfrage von der Tagesordnung kritisierte, eine Basis gezeigt,
aus der sich die Konservativen und Nationalliberalen verständigen können.
Das Hauptinteresse des Tages nahm die Rede des Herrn Minister¬
präsidenten von Bethmann Hollweg in Anspruch. Ganz allgemein muß
zunächst festgestellt werden, daß Herr von Bethmann in der Debatte unzweifelhaft
Fortschritte gemacht hat und daß er, wenn auch nicht mit der Geschmeidigkeit des
Fürsten Bülow, so doch liebenswürdig, lebhaft und geistig scharf gegen den frei¬
sinnigen Redner zu polemisieren verstand. So gewann denn auch die Rede von
vornherein an Wärme und Herr von Bethmann fand bereitwillige Zuhörer nicht
nur wegen seiner amtlichen Stellung, sondern auch als Redner.
Der Inhalt der Rede braucht an dieser Stelle nicht wiedergegeben zu werden
da sie im wesentlichen den Standpunkt vertritt, den ich selbst in den Grenzboten
bezüglich der Fleischteuerung verteidigt habe. Die Regierung hat zweifellos das
Richtige getan, indem sie die partielle Öffnung der Grenzen von Fall zu Fall
genehmigte. Sie hat durchaus nicht, wie die Agrarier behaupten, an den Grund-
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