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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Karl Salzcr

Unkel Hannes, der zum Vormund der beiden Kinder erncirmt worden war, in der
letzten Zeit so oft beim Bürgermeister gesessen hatte.

„Na, was ist?" fragt Hannes Holtner.

„Unkel Hannes, wenn Jhr's hören wollt, geht nur selber naus; ich kann's
net hören. Unser Sach wird versteigt!"

Da will der alte Junggeselle seinem Schützling einen Trost geben und sagt:

„Darfst dich net so angreifen lassen davon. Was ich aufsteigern kann, steig
ich, verstanden?!"

Aber Hannes Holtner muß sehen, daß der Bursche sehr aus dem Geleise
gekommen ist. Der gibt ihm auf seine Frage gar keine Antwort, zeigt keine Freude
über den Vorschlag und sagt nur:

„Jetzert weiß ich auch, warum die heut morgen so grob waren: denn Angst,
's tat net langen, um alles zu decken!"

„Karl!" antwortet Hannes Holtner, „das tut's auch net. Aber ich will dir
etwas sagen, was ich vom Bürgermeister weiß, was aber noch net unter die Lent
kommen soll. Du weißt, daß der Baron droben schon viel Wohltätiges in unserer
Gegend getan hat. Nun hat er dein Bürgermeister gesagt, daß er die Sach decken
tat, soweit deinem Vater seine Kaution und der Erlös aus der Konkursmasse net
langen tat, um den Fehlbetrag gut zu machen. So arg viel, glaub ich, braucht
er ja net drauf zu legen. Drum mach dir weiter keine Sorgen. Die Bauern
werden, wie du siehst, gar keinen Grund haben, lange Gesichter zu machen!"

Karl weiß nicht recht, was er dazu sagen soll. Er atmet heftig und sieht
den Unkel Hannes zweifelnd an.

„Wirklich, Unkel Hannes?"

„Wenn ich dir's sag, lieber Bub I Ist dir kein Zentner vom Herz?"

„Ja doch!"

Dann füttert Karl seine Gäule, meint auch, daß nun alles gut werden könne,
und doch bohrt ein tiefes Leid in ihm, weil nun auch die von Tante Seelchen in
der Kaution steckenden fünftausend Mark verloren gehen.

Jetzt, wo er die Sachen alle, die durch die Schuld des Vaters in Unordnung
gekommen sind, bald geregelt weiß, erwacht die Sehnsucht, einmal das Grab zu
besuchen, heftiger in ihm. Er nimmt sich vor, gleich wenn die Versteigerung vorbei
und den Bauern der Entschluß des Barons bekannt ist, auf den Friedhof zu
gehen. Der Groll der Dörfler gegen den Vater wird sich dann gelegt haben und
damit auch die Erbitterung gegen den Sohn.

(Fortsetzung folgt)

Das ist Karls Hoffnung.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/236>, abgerufen am 23.01.2025.