Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Katholizismus und Kultur lichen Grundwahrheiten: Monotheismus, persönliche Unsterblichkeit der Menschen¬ Trotzdem sie mit aller Macht an der Sprengung des Zentrumsturmes Unsere Leser seien darauf aufmerksam gemacht, daß wir auf Grund der praktischen
Tätigkeit des Zentrums zu einem anderen Urteil über diese Partei gelangt sind, als unser verehrter Mitarbeiter, und dieses auch mehrfach in den Grenzlwten zum Ausdruck gebracht h Die Schriftleitung. aben. Katholizismus und Kultur lichen Grundwahrheiten: Monotheismus, persönliche Unsterblichkeit der Menschen¬ Trotzdem sie mit aller Macht an der Sprengung des Zentrumsturmes Unsere Leser seien darauf aufmerksam gemacht, daß wir auf Grund der praktischen
Tätigkeit des Zentrums zu einem anderen Urteil über diese Partei gelangt sind, als unser verehrter Mitarbeiter, und dieses auch mehrfach in den Grenzlwten zum Ausdruck gebracht h Die Schriftleitung. aben. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322630"/> <fw type="header" place="top"> Katholizismus und Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1023" prev="#ID_1022"> lichen Grundwahrheiten: Monotheismus, persönliche Unsterblichkeit der Menschen¬<lb/> seele, ethische statt kultischer Gottesverehrung (Kult nur als pädagogisches und<lb/> Erbauungsmittel, nicht als Vermittlung göttlicher Gnade von Bedeutung),<lb/> Offenbarungscharakter des Christentums (in seiner Gesamtheit, mit Einschluß des<lb/> israelitischen Prophetentums und der Entwicklung der Kirche, aber nicht aller<lb/> einzelnen biblischen Lehren und Geschichten). Dagegen vertragen sich die pauli-<lb/> nischen und die durch Fortbildung des Paulinismus geschaffenen Kirchendogmen,<lb/> die nur symbolischen Sinn und pädagogischen Wert haben, wenn sie wörtlich<lb/> verstanden werden sollen, weder mit der modernen Wissenschaft noch mit reinem<lb/> und feinem sittlichen Empfinden, und die späteren Dogmen, vom Trans-<lb/> subftantiationsdogma an, sind schlechthin unannehmbar. Der Umstand, daß es<lb/> nur ein verhältnismäßig kleiner Komplex historischer und psychologischer Wahr¬<lb/> heiten ist, welcher der Orthodoxie widerspricht, und die Ungerechtigkeit vieler<lb/> der Angriffe, die gegen Christentum und Kirche gerichtet werden, machen es<lb/> den gebildeten Katholiken verhältnismüßig leicht, sich die UnHaltbarkeit der<lb/> Orthodoxie zu verbergen, aber eine engere Fühlung zahlreicher Katholiken mit<lb/> der protestantischen akademischen Welt würde doch mit der Zeit vielen die<lb/> Augen öffnen. Das wissen die Fanatiker und die Bigotten, darum verketzern<lb/> sie die Kölnische Volkszeitung und das Zentrum, welche friedlichen Verkehr mit<lb/> den Andersgläubigen, Hand in Hand gehen mit den gläubigen Protestanten, und<lb/> lebhafte Beteiligung an allen wirtschaftlichen, sozialen und Kulturbestrebungen<lb/> der Nation anzubahnen sich bemühen"). Auf diesem Wege müssen die Katholiken<lb/> endlich dazu gelangen, die Orthodoxie durch eine christliche Weltanschauung zu<lb/> ersetzen, auf deren gemeinschaftlichem Boden sich die Konfessionen oder Kirchen<lb/> als historisch und durch Stammesanlage berechtigte verschiedene Formen des<lb/> nämlichen Christentums zu friedlichem Wirken einigen können. Weil das wie<lb/> eine Denunziation klingt und den Prozeß stören könnte, würde ich es nicht<lb/> öffentlich sagen, wenn die Zeit nicht vorüber wäre, wo damit Schaden angerichtet<lb/> werden konnte; denn jetzt verkündigen die Fanatiker von Trier, Berlin, Paris,<lb/> Wien und Rom, natürlich in anderer Meinung als ich, diese Wahrheit so laut,<lb/> daß die Welt von den: Lärm erfüllt ist, den sie verführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1024" next="#ID_1025"> Trotzdem sie mit aller Macht an der Sprengung des Zentrumsturmes<lb/> arbeiten, wird dieser halten, so lange — die Imparität währt. Der Ober¬<lb/> präsident von Vincke hat schon 1816 an Hardenberg berichtet, welche Erbitterung<lb/> die Zurücksetzung der Katholiken bei der Besetzung hoher Staatsämter am Rhein<lb/> erzeugte, und als man die Imparität als Zufall zu deuten versuchte, fuhr der<lb/> Geschichtsphilosoph Ernst voll Lasaulx, ein Neffe von Josef Görres, mit grimmem<lb/> Humor gegen diesen Unsinn los. Wird Inferiorität der Katholiken vorgeschützt,</p><lb/> <note xml:id="FID_15" place="foot"> Unsere Leser seien darauf aufmerksam gemacht, daß wir auf Grund der praktischen<lb/> Tätigkeit des Zentrums zu einem anderen Urteil über diese Partei gelangt sind, als unser<lb/> verehrter Mitarbeiter, und dieses auch mehrfach in den Grenzlwten zum Ausdruck gebracht<lb/> h<note type="byline"> Die Schriftleitung.</note> aben. </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
Katholizismus und Kultur
lichen Grundwahrheiten: Monotheismus, persönliche Unsterblichkeit der Menschen¬
seele, ethische statt kultischer Gottesverehrung (Kult nur als pädagogisches und
Erbauungsmittel, nicht als Vermittlung göttlicher Gnade von Bedeutung),
Offenbarungscharakter des Christentums (in seiner Gesamtheit, mit Einschluß des
israelitischen Prophetentums und der Entwicklung der Kirche, aber nicht aller
einzelnen biblischen Lehren und Geschichten). Dagegen vertragen sich die pauli-
nischen und die durch Fortbildung des Paulinismus geschaffenen Kirchendogmen,
die nur symbolischen Sinn und pädagogischen Wert haben, wenn sie wörtlich
verstanden werden sollen, weder mit der modernen Wissenschaft noch mit reinem
und feinem sittlichen Empfinden, und die späteren Dogmen, vom Trans-
subftantiationsdogma an, sind schlechthin unannehmbar. Der Umstand, daß es
nur ein verhältnismäßig kleiner Komplex historischer und psychologischer Wahr¬
heiten ist, welcher der Orthodoxie widerspricht, und die Ungerechtigkeit vieler
der Angriffe, die gegen Christentum und Kirche gerichtet werden, machen es
den gebildeten Katholiken verhältnismüßig leicht, sich die UnHaltbarkeit der
Orthodoxie zu verbergen, aber eine engere Fühlung zahlreicher Katholiken mit
der protestantischen akademischen Welt würde doch mit der Zeit vielen die
Augen öffnen. Das wissen die Fanatiker und die Bigotten, darum verketzern
sie die Kölnische Volkszeitung und das Zentrum, welche friedlichen Verkehr mit
den Andersgläubigen, Hand in Hand gehen mit den gläubigen Protestanten, und
lebhafte Beteiligung an allen wirtschaftlichen, sozialen und Kulturbestrebungen
der Nation anzubahnen sich bemühen"). Auf diesem Wege müssen die Katholiken
endlich dazu gelangen, die Orthodoxie durch eine christliche Weltanschauung zu
ersetzen, auf deren gemeinschaftlichem Boden sich die Konfessionen oder Kirchen
als historisch und durch Stammesanlage berechtigte verschiedene Formen des
nämlichen Christentums zu friedlichem Wirken einigen können. Weil das wie
eine Denunziation klingt und den Prozeß stören könnte, würde ich es nicht
öffentlich sagen, wenn die Zeit nicht vorüber wäre, wo damit Schaden angerichtet
werden konnte; denn jetzt verkündigen die Fanatiker von Trier, Berlin, Paris,
Wien und Rom, natürlich in anderer Meinung als ich, diese Wahrheit so laut,
daß die Welt von den: Lärm erfüllt ist, den sie verführen.
Trotzdem sie mit aller Macht an der Sprengung des Zentrumsturmes
arbeiten, wird dieser halten, so lange — die Imparität währt. Der Ober¬
präsident von Vincke hat schon 1816 an Hardenberg berichtet, welche Erbitterung
die Zurücksetzung der Katholiken bei der Besetzung hoher Staatsämter am Rhein
erzeugte, und als man die Imparität als Zufall zu deuten versuchte, fuhr der
Geschichtsphilosoph Ernst voll Lasaulx, ein Neffe von Josef Görres, mit grimmem
Humor gegen diesen Unsinn los. Wird Inferiorität der Katholiken vorgeschützt,
Unsere Leser seien darauf aufmerksam gemacht, daß wir auf Grund der praktischen
Tätigkeit des Zentrums zu einem anderen Urteil über diese Partei gelangt sind, als unser
verehrter Mitarbeiter, und dieses auch mehrfach in den Grenzlwten zum Ausdruck gebracht
h Die Schriftleitung. aben.
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