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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Die See in der plattdeutschen Lyrik

Es ist bezeichnend für die Schaffensweise Groths, der gern Volksliedmotive
aufnahm und selbständig verarbeitete (nicht abschrieb, wie ihm allen Ernstes vor¬
geworfen ist). Der zugrunde liegende Wiegenreim heißt im Friesischen:

Auch das hübsche Wiegenlied von Willrath Dreesen (im ostfriesischen Dichter¬
buche), mit seiner raunenden Verlebendigung des Meeres, findet am besten gleich
hier einen Platz:

Um auf Groth zurückzukommen: alte Volksliedmotive klingen unter anderem
auch wieder in der "Lotsendochter", der die See den Liebsten raubt:

Se kumm de Nacht ni slapen,
De See de gnug so swar un lud,
De ganze Nacht ni flapen:
He weer to fischen ut.
"Min Vader lat uns rojen,
De See de geit so lud un swar,
Min Vader lat uns rojen,
De Fischers stat Gefahr."
De Morgen grau int Osten,
De See de gnug so hoch, so holl;
Wat drev dar roy vunt Osten?
Dar drev en kerkert Joll.
"Ick Hess vnmacht ni slnpen,
Min Vader, wenn': ik bün so siecht.
Un reckt wi noch ant Oewer,
So malt min Bett dörecht."

Durch Heine ist vielleicht auch "Schippers Brut" angeregt, das Gedicht
von den beiden Liebenden, die ohne Elternwissen in die weite Welt gehen:


Die See in der plattdeutschen Lyrik

Es ist bezeichnend für die Schaffensweise Groths, der gern Volksliedmotive
aufnahm und selbständig verarbeitete (nicht abschrieb, wie ihm allen Ernstes vor¬
geworfen ist). Der zugrunde liegende Wiegenreim heißt im Friesischen:

Auch das hübsche Wiegenlied von Willrath Dreesen (im ostfriesischen Dichter¬
buche), mit seiner raunenden Verlebendigung des Meeres, findet am besten gleich
hier einen Platz:

Um auf Groth zurückzukommen: alte Volksliedmotive klingen unter anderem
auch wieder in der „Lotsendochter", der die See den Liebsten raubt:

Se kumm de Nacht ni slapen,
De See de gnug so swar un lud,
De ganze Nacht ni flapen:
He weer to fischen ut.
„Min Vader lat uns rojen,
De See de geit so lud un swar,
Min Vader lat uns rojen,
De Fischers stat Gefahr."
De Morgen grau int Osten,
De See de gnug so hoch, so holl;
Wat drev dar roy vunt Osten?
Dar drev en kerkert Joll.
„Ick Hess vnmacht ni slnpen,
Min Vader, wenn': ik bün so siecht.
Un reckt wi noch ant Oewer,
So malt min Bett dörecht."

Durch Heine ist vielleicht auch „Schippers Brut" angeregt, das Gedicht
von den beiden Liebenden, die ohne Elternwissen in die weite Welt gehen:


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[0189] Die See in der plattdeutschen Lyrik Es ist bezeichnend für die Schaffensweise Groths, der gern Volksliedmotive aufnahm und selbständig verarbeitete (nicht abschrieb, wie ihm allen Ernstes vor¬ geworfen ist). Der zugrunde liegende Wiegenreim heißt im Friesischen: Auch das hübsche Wiegenlied von Willrath Dreesen (im ostfriesischen Dichter¬ buche), mit seiner raunenden Verlebendigung des Meeres, findet am besten gleich hier einen Platz: Um auf Groth zurückzukommen: alte Volksliedmotive klingen unter anderem auch wieder in der „Lotsendochter", der die See den Liebsten raubt: Se kumm de Nacht ni slapen, De See de gnug so swar un lud, De ganze Nacht ni flapen: He weer to fischen ut. „Min Vader lat uns rojen, De See de geit so lud un swar, Min Vader lat uns rojen, De Fischers stat Gefahr." De Morgen grau int Osten, De See de gnug so hoch, so holl; Wat drev dar roy vunt Osten? Dar drev en kerkert Joll. „Ick Hess vnmacht ni slnpen, Min Vader, wenn': ik bün so siecht. Un reckt wi noch ant Oewer, So malt min Bett dörecht." Durch Heine ist vielleicht auch „Schippers Brut" angeregt, das Gedicht von den beiden Liebenden, die ohne Elternwissen in die weite Welt gehen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/189>, abgerufen am 15.01.2025.