Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] sie zukünftig elektrisch gefahren werden. Es Es sollen damit die schon lange vorhan¬ Dieses ungünstige Ergebnis wird aber muß, so kann man nicht Wohl sagen, Die Ausführung der Anlage ist in ähn¬ In Hamburg bestehen die Züge lediglich Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] sie zukünftig elektrisch gefahren werden. Es Es sollen damit die schon lange vorhan¬ Dieses ungünstige Ergebnis wird aber muß, so kann man nicht Wohl sagen, Die Ausführung der Anlage ist in ähn¬ In Hamburg bestehen die Züge lediglich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322559"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_730" prev="#ID_729"> sie zukünftig elektrisch gefahren werden. Es<lb/> handelt sich dabei um die Bewilligung von<lb/> SO Millionen Mark für die Herstellung der<lb/> baulichen Anlage und um die Beschaffung<lb/> und Abänderung der Fahrzeuge, die mit<lb/> 73 Millionen Mark veranschlagt sind.</p> <p xml:id="ID_731"> Es sollen damit die schon lange vorhan¬<lb/> denen Wünsche der Berliner Bevölkerung er¬<lb/> füllt, die Leistungsfähigkeit der Stadtbahn<lb/> gesteigert und ihre Fahrzeit erheblich ab¬<lb/> gekürzt werden. Aber so ganz schmerzlos soll<lb/> dies nicht vonstatten gehen. In der Denk¬<lb/> schrift, die den Abgeordneten von der Eisen¬<lb/> bahnverwaltung vorgelegt worden ist, findet<lb/> sich die Wohl vielen überraschende Mitteilung,<lb/> daß die Einnahmen der Stadtbahn nicht aus¬<lb/> reichen, um ihre Betriebskosten zu decken,<lb/> geschweige denn das Anlagekapital zu ver¬<lb/> zinsen: und es ist darin ausgerechnet, daß<lb/> im Jahre 1916, dem voraussichtlich letzten<lb/> Jahre des Dampfbetriebes, das Defizit etwa<lb/> 2 Millionen Mark betragen wird.</p> <p xml:id="ID_732" next="#ID_733"> Dieses ungünstige Ergebnis wird aber<lb/> erklärlich, wenn man die Fahrpreise der<lb/> Stadtbahn mit den Fahrpreisen ähnlicher<lb/> Unternehmungen des In- und Auslandes<lb/> vergleicht. Nach einer Tabelle von Kemmann<lb/> betragen die Einnahmen für die Person<lb/> auf der Berliner Stadt- und Ringbahn<lb/> 7,6 Pfennige, wobei nur eine drei¬<lb/> malige tägliche Benutzung der Zeitkarten<lb/> zugrunde gelegt worden ist. Bei einer vier¬<lb/> maliger Benutzung würde die Durchschnitts¬<lb/> einnahme nur 6,6 Pfennige für die Person be¬<lb/> tragen. Die nächstbillige Bahn ist die Me-<lb/> tropolitain von Paris mit 11,2 Pfennigen für<lb/> die Person, dann folgt die Berliner Hochbahn<lb/> mit 13,2 Pfennigen. Die Londoner Bahnen be¬<lb/> wegen sich im Durchschnitt auf derselben Höhe<lb/> mit 11,9 bis 16,4 Pfennigen für die Person. Alle<lb/> amerikanischen Bahnen dagegen, die bekannt¬<lb/> lich mit dem Einheitsfahrpreis von 6 Cents<lb/> arbeiten, haben dementsprechend eine Ein¬<lb/> nahme von 21 Pfennigen. Die Berliner Bahn ist<lb/> also etwa dreimal so billig als die amerika¬<lb/> nischen Anlagen und fast doppelt so billig<lb/> als die englischen. Das ist sehr angenehm<lb/> für die Bevölkerung Berlins. Da aber der<lb/> Zuschuß von zwei Millionen und die<lb/> Verzinsung des Anlagekapitals von<lb/> dem ganzen Lande getragen werden</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_733" prev="#ID_732"> muß, so kann man nicht Wohl sagen,<lb/> daß dieser Zustand berechtigt wäre.<lb/> Mit oder ohne elektrischen Betrieb: eine Stei¬<lb/> gerung der Fahrpreise läßt sich nicht länger<lb/> hinausschieben. Es kann deshalb nur be¬<lb/> grüßt werden, daß die Eisenbahnverwaltung<lb/> die Erhöhung der Fahrpreise bei einer so<lb/> günstigen Gelegenheit durchsetzen will, Wie<lb/> sie die Einführung des elektrischen Betriebes<lb/> mit seinen großen Vorteilen für die Berliner<lb/> Bevölkerung bietet.</p> <p xml:id="ID_734"> Die Ausführung der Anlage ist in ähn¬<lb/> licher Weise gedacht, wie sie vom preußischen<lb/> Staat für Hamburg schon vor mehreren<lb/> Jahren hergestellt wurde. Für die Strom-<lb/> zuführung sollen Drähte über die Gleise ge¬<lb/> spannt werden, jedoch nicht in der einfachen<lb/> Weise wie bei den Straßenbahnen, sondern<lb/> unter Benutzung eines zweiten über den<lb/> eigentlichen Fahrdraht gespannten Drahtes in<lb/> Kettenform, womit der Leitungsanlage eine<lb/> größere Haltbarkeit und ein gefälligeres Aus¬<lb/> sehen verliehen wird.</p> <p xml:id="ID_735" next="#ID_736"> In Hamburg bestehen die Züge lediglich<lb/> aus Triebwagen und man kann beobachten,<lb/> daß sie je nach dem Andrang aus ein bis<lb/> vier solcher Doppelwagen zusammengesetzt<lb/> werden. Für Berlin will man zunächst ver¬<lb/> suchen, die vorhandenen Wagen auszunutzen.<lb/> Man Plant deshalb nicht die Beschaffung neuer<lb/> Triebwagen, sondern den Ersatz der Dampf¬<lb/> lokomotiven durch elektrische. Doch soll jeder<lb/> Zug nicht nur eine Lokomotive am vorderen,<lb/> sondern auch eine am Hinteren Ende erhalten,<lb/> so daß auf den Kopfbahnhöfen, wie z. B. auf<lb/> dem Potsdamer Bahnhof, das Umsetzen der<lb/> Lokomotiven vermieden wird; denn die Züge<lb/> können mit den zwei Lokomotiven genau so<lb/> gut vor- wie rückwärts fahren. Die Fahr¬<lb/> zeit soll dabei um etwa ein Fünftel der jetzigen<lb/> Zeit verkürzt werden. Man würde also für<lb/> eine Fahrt zwischen Charlottenburg und<lb/> Stralau—Rummelsburg etwa 3 Minuten an<lb/> Zeit ersparen. Nimmt man an, das; im<lb/> Jahre 1916, dem ersten Jahre des elektrischen<lb/> Betriebes, etwa zweihundert Millionen die<lb/> Bahn benutzen und die mittlere Reisedauer<lb/> jeder Person nach dem jetzigen Fahrplan<lb/> 20 Minuten beträgt, so würden, da die Fahrt¬<lb/> dauer nach der Elektrisierung nur 16, also<lb/> 4 Minuten weniger betrage, im ganzen</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0157]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
sie zukünftig elektrisch gefahren werden. Es
handelt sich dabei um die Bewilligung von
SO Millionen Mark für die Herstellung der
baulichen Anlage und um die Beschaffung
und Abänderung der Fahrzeuge, die mit
73 Millionen Mark veranschlagt sind.
Es sollen damit die schon lange vorhan¬
denen Wünsche der Berliner Bevölkerung er¬
füllt, die Leistungsfähigkeit der Stadtbahn
gesteigert und ihre Fahrzeit erheblich ab¬
gekürzt werden. Aber so ganz schmerzlos soll
dies nicht vonstatten gehen. In der Denk¬
schrift, die den Abgeordneten von der Eisen¬
bahnverwaltung vorgelegt worden ist, findet
sich die Wohl vielen überraschende Mitteilung,
daß die Einnahmen der Stadtbahn nicht aus¬
reichen, um ihre Betriebskosten zu decken,
geschweige denn das Anlagekapital zu ver¬
zinsen: und es ist darin ausgerechnet, daß
im Jahre 1916, dem voraussichtlich letzten
Jahre des Dampfbetriebes, das Defizit etwa
2 Millionen Mark betragen wird.
Dieses ungünstige Ergebnis wird aber
erklärlich, wenn man die Fahrpreise der
Stadtbahn mit den Fahrpreisen ähnlicher
Unternehmungen des In- und Auslandes
vergleicht. Nach einer Tabelle von Kemmann
betragen die Einnahmen für die Person
auf der Berliner Stadt- und Ringbahn
7,6 Pfennige, wobei nur eine drei¬
malige tägliche Benutzung der Zeitkarten
zugrunde gelegt worden ist. Bei einer vier¬
maliger Benutzung würde die Durchschnitts¬
einnahme nur 6,6 Pfennige für die Person be¬
tragen. Die nächstbillige Bahn ist die Me-
tropolitain von Paris mit 11,2 Pfennigen für
die Person, dann folgt die Berliner Hochbahn
mit 13,2 Pfennigen. Die Londoner Bahnen be¬
wegen sich im Durchschnitt auf derselben Höhe
mit 11,9 bis 16,4 Pfennigen für die Person. Alle
amerikanischen Bahnen dagegen, die bekannt¬
lich mit dem Einheitsfahrpreis von 6 Cents
arbeiten, haben dementsprechend eine Ein¬
nahme von 21 Pfennigen. Die Berliner Bahn ist
also etwa dreimal so billig als die amerika¬
nischen Anlagen und fast doppelt so billig
als die englischen. Das ist sehr angenehm
für die Bevölkerung Berlins. Da aber der
Zuschuß von zwei Millionen und die
Verzinsung des Anlagekapitals von
dem ganzen Lande getragen werden
muß, so kann man nicht Wohl sagen,
daß dieser Zustand berechtigt wäre.
Mit oder ohne elektrischen Betrieb: eine Stei¬
gerung der Fahrpreise läßt sich nicht länger
hinausschieben. Es kann deshalb nur be¬
grüßt werden, daß die Eisenbahnverwaltung
die Erhöhung der Fahrpreise bei einer so
günstigen Gelegenheit durchsetzen will, Wie
sie die Einführung des elektrischen Betriebes
mit seinen großen Vorteilen für die Berliner
Bevölkerung bietet.
Die Ausführung der Anlage ist in ähn¬
licher Weise gedacht, wie sie vom preußischen
Staat für Hamburg schon vor mehreren
Jahren hergestellt wurde. Für die Strom-
zuführung sollen Drähte über die Gleise ge¬
spannt werden, jedoch nicht in der einfachen
Weise wie bei den Straßenbahnen, sondern
unter Benutzung eines zweiten über den
eigentlichen Fahrdraht gespannten Drahtes in
Kettenform, womit der Leitungsanlage eine
größere Haltbarkeit und ein gefälligeres Aus¬
sehen verliehen wird.
In Hamburg bestehen die Züge lediglich
aus Triebwagen und man kann beobachten,
daß sie je nach dem Andrang aus ein bis
vier solcher Doppelwagen zusammengesetzt
werden. Für Berlin will man zunächst ver¬
suchen, die vorhandenen Wagen auszunutzen.
Man Plant deshalb nicht die Beschaffung neuer
Triebwagen, sondern den Ersatz der Dampf¬
lokomotiven durch elektrische. Doch soll jeder
Zug nicht nur eine Lokomotive am vorderen,
sondern auch eine am Hinteren Ende erhalten,
so daß auf den Kopfbahnhöfen, wie z. B. auf
dem Potsdamer Bahnhof, das Umsetzen der
Lokomotiven vermieden wird; denn die Züge
können mit den zwei Lokomotiven genau so
gut vor- wie rückwärts fahren. Die Fahr¬
zeit soll dabei um etwa ein Fünftel der jetzigen
Zeit verkürzt werden. Man würde also für
eine Fahrt zwischen Charlottenburg und
Stralau—Rummelsburg etwa 3 Minuten an
Zeit ersparen. Nimmt man an, das; im
Jahre 1916, dem ersten Jahre des elektrischen
Betriebes, etwa zweihundert Millionen die
Bahn benutzen und die mittlere Reisedauer
jeder Person nach dem jetzigen Fahrplan
20 Minuten beträgt, so würden, da die Fahrt¬
dauer nach der Elektrisierung nur 16, also
4 Minuten weniger betrage, im ganzen
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