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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Städtische Mnstcrlichtbildbühnen

und die Instinkte der Massen, daß es erst in letzter Zeit deutschen Firmen
gelungen ist, sowohl in erster als auch -- leider -- in letzter Beziehung mit
ihnen zu wetteifern und auch einen Platz am Markte zu erhalten. Aber heute
noch bezieht der weitaus größte Teil der deutschen Lichtbildtheater ausländische
Films, deutsches Geld geht ins Ausland, und der deutsche Michel bewundert
wieder einmal ausländischen Schund: französische Pikanterien und Albernheiten,
französische und italienische Schauerromantik, dänische Sittenbilder und Gesell¬
schaftsstücke, englische und amerikanische Sentimentalitäten und -- das ist noch
nicht das Schlechteste -- Harmlosigkeiten. Nur ein hoher Einfuhrzoll auf aus¬
ländische Kinematographenfilms kann die nationale Filmindustrie von dieser
kulturell und wirtschaftlich gleich unerwünschten Konkurrenz befreien und zugleich
einen der Hinderungsgründe für ihr Aufblühen beseitigen.

Allgemein und wohl in allen Kulturstaaten gleichmäßig zu beklagen ist die
wirtschaftliche Konkurrenz, die das ungesunde Aufwuchern der Kinematographen¬
theater den Kunstinstituten, vor allem den szenischen Theatern bereitet. Man
hat den Zusammenbruch vieler kleinerer Bühnen und den wirtschaftlichen Ruin
ihrer Angestellten geradezu mit der Konkurrenz der Lichtbildbühnen begründet.
Und hier schließt sich der Ring: denn diese wirtschaftlichen Schäden sind zugleich
kulturelle Schäden.

Von allen Seiten ist daher mit Recht der Ruf nach Schutzma߬
regeln laut geworden, die die schweren Schäden im Kinematographenwesen
selbst und die Schädigungen, die durch die Kinematographentheater anderen wirt¬
schaftlich und kulturell gleich- oder höherwertigen Instituten zugefügt werden,
hintanhalten sollen. Es scheint uns aber doch, daß solche Schutzmaßregeln
höchstens auf wirtschaftlichem Gebiete einen dauernden und vielleicht durch¬
greifenden Erfolg versprechen. Man darf wohl mit Grund hoffen, daß dein
Emporwuchern der Kinematographentheater und den Schädigungen, die es
namentlich für die bühnenmäßigen Theater im Gefolge hat, dadurch ein wirk¬
sames Halt geboten wird, daß man die kinematographischen Vorführungen als
"theatralische Vorstellungen" ausdrücklich im Gesetze bezeichnet und damit die
Geltung der strengen Vorschriften und Beschränkungen, die sür die Theater
bestehen, auch auf die Kinematographentheater ausdehnt. Der Konzessions¬
zwang, die strenge Anwendung der baupolizeilichen Vorschriften und endlich
eine strenge Präventivzensur, Maßregeln, deren Einführung von den ma߬
gebenden Instanzen schon in Erwägung gezogen wird, werden für das Bestehen
gerade der schlimmsten, der Winkelkinos, verhängnisvoll werden.

Ja, man kann darauf rechnen, daß durch eine strenge Präventivzensur
auch die gefährlichsten Auswüchse der sogenannten Filmdramatik, die gröbsten
Schundfilms, unterdrückt werden können. Von besonderer Wirkung nach dieser
Richtung hin wird auch eine Besteuerung der Kinematographentheater nach den
Grundsätzen sein können, die von der Wiesbadener Vereinigung zur Bekämpfung
von Schund und Schmutz in Wort und Bild aufgestellt worden sind. Es sollen


Städtische Mnstcrlichtbildbühnen

und die Instinkte der Massen, daß es erst in letzter Zeit deutschen Firmen
gelungen ist, sowohl in erster als auch — leider — in letzter Beziehung mit
ihnen zu wetteifern und auch einen Platz am Markte zu erhalten. Aber heute
noch bezieht der weitaus größte Teil der deutschen Lichtbildtheater ausländische
Films, deutsches Geld geht ins Ausland, und der deutsche Michel bewundert
wieder einmal ausländischen Schund: französische Pikanterien und Albernheiten,
französische und italienische Schauerromantik, dänische Sittenbilder und Gesell¬
schaftsstücke, englische und amerikanische Sentimentalitäten und — das ist noch
nicht das Schlechteste — Harmlosigkeiten. Nur ein hoher Einfuhrzoll auf aus¬
ländische Kinematographenfilms kann die nationale Filmindustrie von dieser
kulturell und wirtschaftlich gleich unerwünschten Konkurrenz befreien und zugleich
einen der Hinderungsgründe für ihr Aufblühen beseitigen.

Allgemein und wohl in allen Kulturstaaten gleichmäßig zu beklagen ist die
wirtschaftliche Konkurrenz, die das ungesunde Aufwuchern der Kinematographen¬
theater den Kunstinstituten, vor allem den szenischen Theatern bereitet. Man
hat den Zusammenbruch vieler kleinerer Bühnen und den wirtschaftlichen Ruin
ihrer Angestellten geradezu mit der Konkurrenz der Lichtbildbühnen begründet.
Und hier schließt sich der Ring: denn diese wirtschaftlichen Schäden sind zugleich
kulturelle Schäden.

Von allen Seiten ist daher mit Recht der Ruf nach Schutzma߬
regeln laut geworden, die die schweren Schäden im Kinematographenwesen
selbst und die Schädigungen, die durch die Kinematographentheater anderen wirt¬
schaftlich und kulturell gleich- oder höherwertigen Instituten zugefügt werden,
hintanhalten sollen. Es scheint uns aber doch, daß solche Schutzmaßregeln
höchstens auf wirtschaftlichem Gebiete einen dauernden und vielleicht durch¬
greifenden Erfolg versprechen. Man darf wohl mit Grund hoffen, daß dein
Emporwuchern der Kinematographentheater und den Schädigungen, die es
namentlich für die bühnenmäßigen Theater im Gefolge hat, dadurch ein wirk¬
sames Halt geboten wird, daß man die kinematographischen Vorführungen als
„theatralische Vorstellungen" ausdrücklich im Gesetze bezeichnet und damit die
Geltung der strengen Vorschriften und Beschränkungen, die sür die Theater
bestehen, auch auf die Kinematographentheater ausdehnt. Der Konzessions¬
zwang, die strenge Anwendung der baupolizeilichen Vorschriften und endlich
eine strenge Präventivzensur, Maßregeln, deren Einführung von den ma߬
gebenden Instanzen schon in Erwägung gezogen wird, werden für das Bestehen
gerade der schlimmsten, der Winkelkinos, verhängnisvoll werden.

Ja, man kann darauf rechnen, daß durch eine strenge Präventivzensur
auch die gefährlichsten Auswüchse der sogenannten Filmdramatik, die gröbsten
Schundfilms, unterdrückt werden können. Von besonderer Wirkung nach dieser
Richtung hin wird auch eine Besteuerung der Kinematographentheater nach den
Grundsätzen sein können, die von der Wiesbadener Vereinigung zur Bekämpfung
von Schund und Schmutz in Wort und Bild aufgestellt worden sind. Es sollen


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[0614] Städtische Mnstcrlichtbildbühnen und die Instinkte der Massen, daß es erst in letzter Zeit deutschen Firmen gelungen ist, sowohl in erster als auch — leider — in letzter Beziehung mit ihnen zu wetteifern und auch einen Platz am Markte zu erhalten. Aber heute noch bezieht der weitaus größte Teil der deutschen Lichtbildtheater ausländische Films, deutsches Geld geht ins Ausland, und der deutsche Michel bewundert wieder einmal ausländischen Schund: französische Pikanterien und Albernheiten, französische und italienische Schauerromantik, dänische Sittenbilder und Gesell¬ schaftsstücke, englische und amerikanische Sentimentalitäten und — das ist noch nicht das Schlechteste — Harmlosigkeiten. Nur ein hoher Einfuhrzoll auf aus¬ ländische Kinematographenfilms kann die nationale Filmindustrie von dieser kulturell und wirtschaftlich gleich unerwünschten Konkurrenz befreien und zugleich einen der Hinderungsgründe für ihr Aufblühen beseitigen. Allgemein und wohl in allen Kulturstaaten gleichmäßig zu beklagen ist die wirtschaftliche Konkurrenz, die das ungesunde Aufwuchern der Kinematographen¬ theater den Kunstinstituten, vor allem den szenischen Theatern bereitet. Man hat den Zusammenbruch vieler kleinerer Bühnen und den wirtschaftlichen Ruin ihrer Angestellten geradezu mit der Konkurrenz der Lichtbildbühnen begründet. Und hier schließt sich der Ring: denn diese wirtschaftlichen Schäden sind zugleich kulturelle Schäden. Von allen Seiten ist daher mit Recht der Ruf nach Schutzma߬ regeln laut geworden, die die schweren Schäden im Kinematographenwesen selbst und die Schädigungen, die durch die Kinematographentheater anderen wirt¬ schaftlich und kulturell gleich- oder höherwertigen Instituten zugefügt werden, hintanhalten sollen. Es scheint uns aber doch, daß solche Schutzmaßregeln höchstens auf wirtschaftlichem Gebiete einen dauernden und vielleicht durch¬ greifenden Erfolg versprechen. Man darf wohl mit Grund hoffen, daß dein Emporwuchern der Kinematographentheater und den Schädigungen, die es namentlich für die bühnenmäßigen Theater im Gefolge hat, dadurch ein wirk¬ sames Halt geboten wird, daß man die kinematographischen Vorführungen als „theatralische Vorstellungen" ausdrücklich im Gesetze bezeichnet und damit die Geltung der strengen Vorschriften und Beschränkungen, die sür die Theater bestehen, auch auf die Kinematographentheater ausdehnt. Der Konzessions¬ zwang, die strenge Anwendung der baupolizeilichen Vorschriften und endlich eine strenge Präventivzensur, Maßregeln, deren Einführung von den ma߬ gebenden Instanzen schon in Erwägung gezogen wird, werden für das Bestehen gerade der schlimmsten, der Winkelkinos, verhängnisvoll werden. Ja, man kann darauf rechnen, daß durch eine strenge Präventivzensur auch die gefährlichsten Auswüchse der sogenannten Filmdramatik, die gröbsten Schundfilms, unterdrückt werden können. Von besonderer Wirkung nach dieser Richtung hin wird auch eine Besteuerung der Kinematographentheater nach den Grundsätzen sein können, die von der Wiesbadener Vereinigung zur Bekämpfung von Schund und Schmutz in Wort und Bild aufgestellt worden sind. Es sollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/614>, abgerufen am 22.07.2024.