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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Tüchtigkeit und Hingabe an das Vaterland
edle wahre Leüenswerte, die gleich zu be¬
messen sind, ob sie sich nun beim Bauer oder
Edelmann vorfinden. Aber Zeiten und Men¬
schen, welche die Not und den Ernst und auch
gleichzeitig die Hoheit des feindlichen Völker¬
ringens nicht mehr kennen, welche diesem
Kampfe scheu aus dem Wege gehen und nur
in einem ungestörten Erwerbsleben das kost¬
barste Gut erblicken, die lassen eine Über¬
schätzung der Freuden und Annehmlichkeiten
des Lebens aufkommen und fördern eine Ge¬
nußsucht und eine geistige und sittliche Er¬
schlaffung. Da entsteht auch eine Talminoblesse,
die in der Gegenwart nicht bloß in Kreise
des Adels, sondern in alle Volksschichten einen
verstärkten Eingang gefunden hat. Gesellschaft¬
lichen Formen und Genüssen wird eine erhöhte
Bedeutung beigemessen, und die Begierde, sich
in ihnen zu betätigen und auszuleben, läßt
oft das seelische und sittliche Gebiet zu kurz
kommen. Man hält es nicht unter seiner
Würde, an Stellen zu schwelgen und mit-
zugenießen, die man sonst meiden würde;
man opfert sogar sich selbst und das eigene
Seelenempfinden und kettet sich für das Leben
an einen anderen, wenn dieser nur die Mittel
zu Prunk und Wohlleben bringt. Das sind Ent¬
artungen, die es zu allen Zeiten zwar ge¬
gebenhat, aber doch nicht immer im gleichen Um¬

Wenn die Stunde der Gefahr an das
Vaterland herantritt, wenn Menschen gefordert
werden, die sich selbst mit ganzer Hingabe
einsetzen, dann tritt Prunk, Tand und Genuß
zurück, dann gilt die schlichte ernste Tüchtigkeit
und Treue. Mögen sie bei uns jederzeit in
genügendem Maße vorhanden sein, möge nicht
zu viel von ihnen in einem reichen, aufzeh¬
renden und entnervenden Genußleben unter¬
gegangen sein. Das sind Mahnungen, die
heute gebotener Maßen eindringlich an alle
Volkskreise zu richten sind. Wer aber eine
Führerrolle zu beanspruchen glaubt, soll hier
mit gutem Beispiele zum Wohle von Volk und
Vaterland vorangehen.


Gelo v. Pfister-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Tüchtigkeit und Hingabe an das Vaterland
edle wahre Leüenswerte, die gleich zu be¬
messen sind, ob sie sich nun beim Bauer oder
Edelmann vorfinden. Aber Zeiten und Men¬
schen, welche die Not und den Ernst und auch
gleichzeitig die Hoheit des feindlichen Völker¬
ringens nicht mehr kennen, welche diesem
Kampfe scheu aus dem Wege gehen und nur
in einem ungestörten Erwerbsleben das kost¬
barste Gut erblicken, die lassen eine Über¬
schätzung der Freuden und Annehmlichkeiten
des Lebens aufkommen und fördern eine Ge¬
nußsucht und eine geistige und sittliche Er¬
schlaffung. Da entsteht auch eine Talminoblesse,
die in der Gegenwart nicht bloß in Kreise
des Adels, sondern in alle Volksschichten einen
verstärkten Eingang gefunden hat. Gesellschaft¬
lichen Formen und Genüssen wird eine erhöhte
Bedeutung beigemessen, und die Begierde, sich
in ihnen zu betätigen und auszuleben, läßt
oft das seelische und sittliche Gebiet zu kurz
kommen. Man hält es nicht unter seiner
Würde, an Stellen zu schwelgen und mit-
zugenießen, die man sonst meiden würde;
man opfert sogar sich selbst und das eigene
Seelenempfinden und kettet sich für das Leben
an einen anderen, wenn dieser nur die Mittel
zu Prunk und Wohlleben bringt. Das sind Ent¬
artungen, die es zu allen Zeiten zwar ge¬
gebenhat, aber doch nicht immer im gleichen Um¬

Wenn die Stunde der Gefahr an das
Vaterland herantritt, wenn Menschen gefordert
werden, die sich selbst mit ganzer Hingabe
einsetzen, dann tritt Prunk, Tand und Genuß
zurück, dann gilt die schlichte ernste Tüchtigkeit
und Treue. Mögen sie bei uns jederzeit in
genügendem Maße vorhanden sein, möge nicht
zu viel von ihnen in einem reichen, aufzeh¬
renden und entnervenden Genußleben unter¬
gegangen sein. Das sind Mahnungen, die
heute gebotener Maßen eindringlich an alle
Volkskreise zu richten sind. Wer aber eine
Führerrolle zu beanspruchen glaubt, soll hier
mit gutem Beispiele zum Wohle von Volk und
Vaterland vorangehen.


Gelo v. Pfister-


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[0296] Maßgebliches und Unmaßgebliches Tüchtigkeit und Hingabe an das Vaterland edle wahre Leüenswerte, die gleich zu be¬ messen sind, ob sie sich nun beim Bauer oder Edelmann vorfinden. Aber Zeiten und Men¬ schen, welche die Not und den Ernst und auch gleichzeitig die Hoheit des feindlichen Völker¬ ringens nicht mehr kennen, welche diesem Kampfe scheu aus dem Wege gehen und nur in einem ungestörten Erwerbsleben das kost¬ barste Gut erblicken, die lassen eine Über¬ schätzung der Freuden und Annehmlichkeiten des Lebens aufkommen und fördern eine Ge¬ nußsucht und eine geistige und sittliche Er¬ schlaffung. Da entsteht auch eine Talminoblesse, die in der Gegenwart nicht bloß in Kreise des Adels, sondern in alle Volksschichten einen verstärkten Eingang gefunden hat. Gesellschaft¬ lichen Formen und Genüssen wird eine erhöhte Bedeutung beigemessen, und die Begierde, sich in ihnen zu betätigen und auszuleben, läßt oft das seelische und sittliche Gebiet zu kurz kommen. Man hält es nicht unter seiner Würde, an Stellen zu schwelgen und mit- zugenießen, die man sonst meiden würde; man opfert sogar sich selbst und das eigene Seelenempfinden und kettet sich für das Leben an einen anderen, wenn dieser nur die Mittel zu Prunk und Wohlleben bringt. Das sind Ent¬ artungen, die es zu allen Zeiten zwar ge¬ gebenhat, aber doch nicht immer im gleichen Um¬ Wenn die Stunde der Gefahr an das Vaterland herantritt, wenn Menschen gefordert werden, die sich selbst mit ganzer Hingabe einsetzen, dann tritt Prunk, Tand und Genuß zurück, dann gilt die schlichte ernste Tüchtigkeit und Treue. Mögen sie bei uns jederzeit in genügendem Maße vorhanden sein, möge nicht zu viel von ihnen in einem reichen, aufzeh¬ renden und entnervenden Genußleben unter¬ gegangen sein. Das sind Mahnungen, die heute gebotener Maßen eindringlich an alle Volkskreise zu richten sind. Wer aber eine Führerrolle zu beanspruchen glaubt, soll hier mit gutem Beispiele zum Wohle von Volk und Vaterland vorangehen. Gelo v. Pfister-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/296>, abgerufen am 01.07.2024.