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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Eine Hochschule für großgermanische Kultur

ist, wohl aber in der nationalen Fürsorgebewegung eine hochgeachtete Stellung
einnimmt, begnügt sich mit den allgemeinen Bettachtungen, die wir abgedruckt
haben, nicht; er bringt vielmehr konkrete Vorschläge; vor allen Dingen entwirft
er einen sorgsam durchgearbeiteten Plan, nach dem die von ihm vorgeschlagene
Hochschule die wissenschaftliche Arbeit zu organisieren hätte. Alles das lese
man freundlichst in der Broschüre nach. Ist ihre Durchführung doch geeignet,
manches schrankenlose Jn-die-Ferne-stürmen, das wir in nationalen Fragen in
steigendem Maße beobachten müssen, wieder auf realen Boden zurückzuführen.

Die Idee an sich ist recht glücklich. Freilich scheint mir der Weg, den
der Autor angibt: der sofortige Zusammenschluß der beteiligten Völker, um
den Plan gewissermaßen auf internationaler Grundlage zu verwirklichen, nicht
gangbar. Der Schwierigkeiten wären zu viele, um alle die bei der großen
germanischen Völkerfamilie noch auseinanderstrebenden Interessen unter einen
Hut zu bringen. Die Initiative muß von einem der Völker ausgehen: schafft
dieses eine gute Organisation, so werden die anderen sich allmählich gern
anschließen. Nun scheint es mir, daß das deutsche Volk dazu berufen ist, den
ersten Schritt zu tun. Nicht nur wegen der zentralen Lage des Deutschen
Reiches -- oder infolge der Bedeutung, die die deutsche Wissenschaft schon
allgemein in der Welt hat, sind die Deutschen dazu berufen; auch einfache
praktische Erwägungen führen dahin. Bei uns ist bereits ein Institut vorhanden,
das die gedachten Aufgaben durchführen könnte: die Kaiser-Wilhelm-
Gesellschaft. Außerdem haben wir im Germanischen Museum eine Anstalt,
die sehr leicht in der notwendigen Richtung ausgebaut werden könnte. Die
Gründung unseres Kaisers verfügt nicht nur über die erforderlichen Mittel,
sondern ihre ganze Organisation ist auch darnach angetan, internationale Ver¬
bindungen leicht in Tätigkeit treten zu lassen. Wollte man den Weg betreten,
den der Verfasser in der Broschüre anzeigt, so käme man leicht in dieselbe
Sackgasse, in der sich die Slawen mit ihrer Slawistik befinden. Obwohl
diese Wissenschaft im Gegensatz zur Germanistik auf einer recht breiten Basis
betrieben wird, werden doch so viele Widerstände bemerkbar, daß die Panslawisten
mit ihren Bestrebungen auf keinen grünen Zweig kommen können. Seit 1868
wird an einer allslawischen Hochschule herumgedoktert, aber zustande gekommen
ist noch nichts, weil die einzige Sprache, die zur Umgangs- und Lehrsprache
für die Slawen in Frage kam und noch kommt, die deutsche ist. Im übrigen
dankt die Slawistik ihre größten Fortschritte dem Fleiße deutscher Gelehrter und
der Opferfreudigkeit deutscher Hochschulen. Warum soll sich deutscher Forschersinn
nicht noch mehr mit Dingen befassen, die dem Deutschtum näher liegen sollten
G. Li, als Slawistik?




Grenzboten III 191226
Eine Hochschule für großgermanische Kultur

ist, wohl aber in der nationalen Fürsorgebewegung eine hochgeachtete Stellung
einnimmt, begnügt sich mit den allgemeinen Bettachtungen, die wir abgedruckt
haben, nicht; er bringt vielmehr konkrete Vorschläge; vor allen Dingen entwirft
er einen sorgsam durchgearbeiteten Plan, nach dem die von ihm vorgeschlagene
Hochschule die wissenschaftliche Arbeit zu organisieren hätte. Alles das lese
man freundlichst in der Broschüre nach. Ist ihre Durchführung doch geeignet,
manches schrankenlose Jn-die-Ferne-stürmen, das wir in nationalen Fragen in
steigendem Maße beobachten müssen, wieder auf realen Boden zurückzuführen.

Die Idee an sich ist recht glücklich. Freilich scheint mir der Weg, den
der Autor angibt: der sofortige Zusammenschluß der beteiligten Völker, um
den Plan gewissermaßen auf internationaler Grundlage zu verwirklichen, nicht
gangbar. Der Schwierigkeiten wären zu viele, um alle die bei der großen
germanischen Völkerfamilie noch auseinanderstrebenden Interessen unter einen
Hut zu bringen. Die Initiative muß von einem der Völker ausgehen: schafft
dieses eine gute Organisation, so werden die anderen sich allmählich gern
anschließen. Nun scheint es mir, daß das deutsche Volk dazu berufen ist, den
ersten Schritt zu tun. Nicht nur wegen der zentralen Lage des Deutschen
Reiches — oder infolge der Bedeutung, die die deutsche Wissenschaft schon
allgemein in der Welt hat, sind die Deutschen dazu berufen; auch einfache
praktische Erwägungen führen dahin. Bei uns ist bereits ein Institut vorhanden,
das die gedachten Aufgaben durchführen könnte: die Kaiser-Wilhelm-
Gesellschaft. Außerdem haben wir im Germanischen Museum eine Anstalt,
die sehr leicht in der notwendigen Richtung ausgebaut werden könnte. Die
Gründung unseres Kaisers verfügt nicht nur über die erforderlichen Mittel,
sondern ihre ganze Organisation ist auch darnach angetan, internationale Ver¬
bindungen leicht in Tätigkeit treten zu lassen. Wollte man den Weg betreten,
den der Verfasser in der Broschüre anzeigt, so käme man leicht in dieselbe
Sackgasse, in der sich die Slawen mit ihrer Slawistik befinden. Obwohl
diese Wissenschaft im Gegensatz zur Germanistik auf einer recht breiten Basis
betrieben wird, werden doch so viele Widerstände bemerkbar, daß die Panslawisten
mit ihren Bestrebungen auf keinen grünen Zweig kommen können. Seit 1868
wird an einer allslawischen Hochschule herumgedoktert, aber zustande gekommen
ist noch nichts, weil die einzige Sprache, die zur Umgangs- und Lehrsprache
für die Slawen in Frage kam und noch kommt, die deutsche ist. Im übrigen
dankt die Slawistik ihre größten Fortschritte dem Fleiße deutscher Gelehrter und
der Opferfreudigkeit deutscher Hochschulen. Warum soll sich deutscher Forschersinn
nicht noch mehr mit Dingen befassen, die dem Deutschtum näher liegen sollten
G. Li, als Slawistik?




Grenzboten III 191226
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[0213] Eine Hochschule für großgermanische Kultur ist, wohl aber in der nationalen Fürsorgebewegung eine hochgeachtete Stellung einnimmt, begnügt sich mit den allgemeinen Bettachtungen, die wir abgedruckt haben, nicht; er bringt vielmehr konkrete Vorschläge; vor allen Dingen entwirft er einen sorgsam durchgearbeiteten Plan, nach dem die von ihm vorgeschlagene Hochschule die wissenschaftliche Arbeit zu organisieren hätte. Alles das lese man freundlichst in der Broschüre nach. Ist ihre Durchführung doch geeignet, manches schrankenlose Jn-die-Ferne-stürmen, das wir in nationalen Fragen in steigendem Maße beobachten müssen, wieder auf realen Boden zurückzuführen. Die Idee an sich ist recht glücklich. Freilich scheint mir der Weg, den der Autor angibt: der sofortige Zusammenschluß der beteiligten Völker, um den Plan gewissermaßen auf internationaler Grundlage zu verwirklichen, nicht gangbar. Der Schwierigkeiten wären zu viele, um alle die bei der großen germanischen Völkerfamilie noch auseinanderstrebenden Interessen unter einen Hut zu bringen. Die Initiative muß von einem der Völker ausgehen: schafft dieses eine gute Organisation, so werden die anderen sich allmählich gern anschließen. Nun scheint es mir, daß das deutsche Volk dazu berufen ist, den ersten Schritt zu tun. Nicht nur wegen der zentralen Lage des Deutschen Reiches — oder infolge der Bedeutung, die die deutsche Wissenschaft schon allgemein in der Welt hat, sind die Deutschen dazu berufen; auch einfache praktische Erwägungen führen dahin. Bei uns ist bereits ein Institut vorhanden, das die gedachten Aufgaben durchführen könnte: die Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft. Außerdem haben wir im Germanischen Museum eine Anstalt, die sehr leicht in der notwendigen Richtung ausgebaut werden könnte. Die Gründung unseres Kaisers verfügt nicht nur über die erforderlichen Mittel, sondern ihre ganze Organisation ist auch darnach angetan, internationale Ver¬ bindungen leicht in Tätigkeit treten zu lassen. Wollte man den Weg betreten, den der Verfasser in der Broschüre anzeigt, so käme man leicht in dieselbe Sackgasse, in der sich die Slawen mit ihrer Slawistik befinden. Obwohl diese Wissenschaft im Gegensatz zur Germanistik auf einer recht breiten Basis betrieben wird, werden doch so viele Widerstände bemerkbar, daß die Panslawisten mit ihren Bestrebungen auf keinen grünen Zweig kommen können. Seit 1868 wird an einer allslawischen Hochschule herumgedoktert, aber zustande gekommen ist noch nichts, weil die einzige Sprache, die zur Umgangs- und Lehrsprache für die Slawen in Frage kam und noch kommt, die deutsche ist. Im übrigen dankt die Slawistik ihre größten Fortschritte dem Fleiße deutscher Gelehrter und der Opferfreudigkeit deutscher Hochschulen. Warum soll sich deutscher Forschersinn nicht noch mehr mit Dingen befassen, die dem Deutschtum näher liegen sollten G. Li, als Slawistik? Grenzboten III 191226

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/213>, abgerufen am 01.07.2024.