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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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der Anerkennung einer Interessen- und Kulturgemeinschaft zusammen. Es tut
dem keinen Eintrag, daß die Symptome dieser Erkenntnis zunächst nur in den
vorübergehenden Wallungen der Zeitungspolemik zum Ausdruck kommen; in
der Tiefe des europäischen Gemeinsamkeitsgefühles wächst das Verständnis für
die Abwehr einer ungehemmten Verbrüderung mit außereuropäischen Rassen.
Wie einen Fanfarenton wird man dereinst das Wort unseres Kaisers:
"Völker Europas, währet eure heiligsten Güter" einwerten, wenn man später
Schlagbäume gegen die überschießende Kraft Asiens und Afrikas aufgerichtet
haben wird.

Auch im engeren Zirkel wallt das Bewußtsein der gleichen Abstammung,
der gleichen Weltanschauung, derselben Ideale und derselben Ethik auf, sobald
es von einer starken Hand erweckt wird. Ein so kraftvoller Gegner Deutschlands
wie Cecil Rhodes sah sich unter dem Druck dieser Erkenntnis genötigt, seine
bekannte Stiftung gewissermaßen als Schluß uuter die politische Lebensrechnung
zu setzen. Aus der zunehmenden Vermischung der Völkerbruchteile Nordamerikas
wächst die Überzeugung auf, daß die stärkste Grundlage seiner Kultur die ger¬
manische ist. Was zunächst noch ein fernes Ideal der germanischen Völker der
alten Welt ist: der engste Anschluß aller ihrer blutsverwandten Söhne, hat in
Amerika, wo die Entwicklung nicht mit geschichtlichen Vorurteilen belastet ist,
schon bestimmte Formen gefunden. In Europa, wo die künstlerischen, wirt¬
schaftlichen, wissenschaftlichen und ethischen Fragen wenigstens die studierende
Jugend oft genug zu den verwandten Völkern führen, liegt gerade in diesen
Kreisen die Sicherheit sür eine dauernde Ausbreitung solcher Vorstellungen.
Und wer sich trotzdem der Erkenntnis verschließt, kann gleiche Beobachtungen bei
den slawischen und romanischen Völkern machen, die lauter noch und elementarer
oft zu einer breiten völkischen Renaissancebewegung drängen.

Das ist ja auch die natürliche Lage, sie wird aber getrübt durch das Ver¬
hältnis einzelner germanischer Staaten zu einander. Wie mißtrauisch stehen sich
englische und deutsche Anschauung über die gegenseitigen Entwicklungen gegen¬
über! Es ist das ein Mißtrauen, das zudem weniger der Schwäche als der
Stärke entspringt, das aber das Verständnis für die artverwandten Ziele zum
Teil verloren hat. Erst seit einem Jahrzehnt etwa haben sich die unklaren
Vorstellungen über die Lebensnotwendigleiten beider Völker in gegenseitigen
Befürchtungen Bahn gebrochen, aber mit einer Hartnäckigkeit behauptet, die zu
einer tiefaufwühlenden Entfremdung treiben muß, wenn nicht die starken Grund¬
lagen der altgermanischen Kultur wieder völlig freigelegt werden. Sollte dies
nicht möglich sein angesichts der Tatsache, daß die Größten unserer Kultur
beiden Völkern angehören? Sollte die gegenseitige Entfremdung nicht wieder
schwinden, wenn die Gleichheit der Anschauungen, die die Worte "deutsch" und
"englisch" nur äußerlich mit anderen Marken versehen, auf allen Gebieten des
öffentlichen und privaten Lebens sich entfalten kann? Kein landfremder Dichter
hat auf das englische Geistesleben eine so tiefe Wirkung ausgeübt wie Goethe,


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der Anerkennung einer Interessen- und Kulturgemeinschaft zusammen. Es tut
dem keinen Eintrag, daß die Symptome dieser Erkenntnis zunächst nur in den
vorübergehenden Wallungen der Zeitungspolemik zum Ausdruck kommen; in
der Tiefe des europäischen Gemeinsamkeitsgefühles wächst das Verständnis für
die Abwehr einer ungehemmten Verbrüderung mit außereuropäischen Rassen.
Wie einen Fanfarenton wird man dereinst das Wort unseres Kaisers:
„Völker Europas, währet eure heiligsten Güter" einwerten, wenn man später
Schlagbäume gegen die überschießende Kraft Asiens und Afrikas aufgerichtet
haben wird.

Auch im engeren Zirkel wallt das Bewußtsein der gleichen Abstammung,
der gleichen Weltanschauung, derselben Ideale und derselben Ethik auf, sobald
es von einer starken Hand erweckt wird. Ein so kraftvoller Gegner Deutschlands
wie Cecil Rhodes sah sich unter dem Druck dieser Erkenntnis genötigt, seine
bekannte Stiftung gewissermaßen als Schluß uuter die politische Lebensrechnung
zu setzen. Aus der zunehmenden Vermischung der Völkerbruchteile Nordamerikas
wächst die Überzeugung auf, daß die stärkste Grundlage seiner Kultur die ger¬
manische ist. Was zunächst noch ein fernes Ideal der germanischen Völker der
alten Welt ist: der engste Anschluß aller ihrer blutsverwandten Söhne, hat in
Amerika, wo die Entwicklung nicht mit geschichtlichen Vorurteilen belastet ist,
schon bestimmte Formen gefunden. In Europa, wo die künstlerischen, wirt¬
schaftlichen, wissenschaftlichen und ethischen Fragen wenigstens die studierende
Jugend oft genug zu den verwandten Völkern führen, liegt gerade in diesen
Kreisen die Sicherheit sür eine dauernde Ausbreitung solcher Vorstellungen.
Und wer sich trotzdem der Erkenntnis verschließt, kann gleiche Beobachtungen bei
den slawischen und romanischen Völkern machen, die lauter noch und elementarer
oft zu einer breiten völkischen Renaissancebewegung drängen.

Das ist ja auch die natürliche Lage, sie wird aber getrübt durch das Ver¬
hältnis einzelner germanischer Staaten zu einander. Wie mißtrauisch stehen sich
englische und deutsche Anschauung über die gegenseitigen Entwicklungen gegen¬
über! Es ist das ein Mißtrauen, das zudem weniger der Schwäche als der
Stärke entspringt, das aber das Verständnis für die artverwandten Ziele zum
Teil verloren hat. Erst seit einem Jahrzehnt etwa haben sich die unklaren
Vorstellungen über die Lebensnotwendigleiten beider Völker in gegenseitigen
Befürchtungen Bahn gebrochen, aber mit einer Hartnäckigkeit behauptet, die zu
einer tiefaufwühlenden Entfremdung treiben muß, wenn nicht die starken Grund¬
lagen der altgermanischen Kultur wieder völlig freigelegt werden. Sollte dies
nicht möglich sein angesichts der Tatsache, daß die Größten unserer Kultur
beiden Völkern angehören? Sollte die gegenseitige Entfremdung nicht wieder
schwinden, wenn die Gleichheit der Anschauungen, die die Worte „deutsch" und
„englisch" nur äußerlich mit anderen Marken versehen, auf allen Gebieten des
öffentlichen und privaten Lebens sich entfalten kann? Kein landfremder Dichter
hat auf das englische Geistesleben eine so tiefe Wirkung ausgeübt wie Goethe,


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[0208] Line Hochschule für großgermcmische Kultur der Anerkennung einer Interessen- und Kulturgemeinschaft zusammen. Es tut dem keinen Eintrag, daß die Symptome dieser Erkenntnis zunächst nur in den vorübergehenden Wallungen der Zeitungspolemik zum Ausdruck kommen; in der Tiefe des europäischen Gemeinsamkeitsgefühles wächst das Verständnis für die Abwehr einer ungehemmten Verbrüderung mit außereuropäischen Rassen. Wie einen Fanfarenton wird man dereinst das Wort unseres Kaisers: „Völker Europas, währet eure heiligsten Güter" einwerten, wenn man später Schlagbäume gegen die überschießende Kraft Asiens und Afrikas aufgerichtet haben wird. Auch im engeren Zirkel wallt das Bewußtsein der gleichen Abstammung, der gleichen Weltanschauung, derselben Ideale und derselben Ethik auf, sobald es von einer starken Hand erweckt wird. Ein so kraftvoller Gegner Deutschlands wie Cecil Rhodes sah sich unter dem Druck dieser Erkenntnis genötigt, seine bekannte Stiftung gewissermaßen als Schluß uuter die politische Lebensrechnung zu setzen. Aus der zunehmenden Vermischung der Völkerbruchteile Nordamerikas wächst die Überzeugung auf, daß die stärkste Grundlage seiner Kultur die ger¬ manische ist. Was zunächst noch ein fernes Ideal der germanischen Völker der alten Welt ist: der engste Anschluß aller ihrer blutsverwandten Söhne, hat in Amerika, wo die Entwicklung nicht mit geschichtlichen Vorurteilen belastet ist, schon bestimmte Formen gefunden. In Europa, wo die künstlerischen, wirt¬ schaftlichen, wissenschaftlichen und ethischen Fragen wenigstens die studierende Jugend oft genug zu den verwandten Völkern führen, liegt gerade in diesen Kreisen die Sicherheit sür eine dauernde Ausbreitung solcher Vorstellungen. Und wer sich trotzdem der Erkenntnis verschließt, kann gleiche Beobachtungen bei den slawischen und romanischen Völkern machen, die lauter noch und elementarer oft zu einer breiten völkischen Renaissancebewegung drängen. Das ist ja auch die natürliche Lage, sie wird aber getrübt durch das Ver¬ hältnis einzelner germanischer Staaten zu einander. Wie mißtrauisch stehen sich englische und deutsche Anschauung über die gegenseitigen Entwicklungen gegen¬ über! Es ist das ein Mißtrauen, das zudem weniger der Schwäche als der Stärke entspringt, das aber das Verständnis für die artverwandten Ziele zum Teil verloren hat. Erst seit einem Jahrzehnt etwa haben sich die unklaren Vorstellungen über die Lebensnotwendigleiten beider Völker in gegenseitigen Befürchtungen Bahn gebrochen, aber mit einer Hartnäckigkeit behauptet, die zu einer tiefaufwühlenden Entfremdung treiben muß, wenn nicht die starken Grund¬ lagen der altgermanischen Kultur wieder völlig freigelegt werden. Sollte dies nicht möglich sein angesichts der Tatsache, daß die Größten unserer Kultur beiden Völkern angehören? Sollte die gegenseitige Entfremdung nicht wieder schwinden, wenn die Gleichheit der Anschauungen, die die Worte „deutsch" und „englisch" nur äußerlich mit anderen Marken versehen, auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens sich entfalten kann? Kein landfremder Dichter hat auf das englische Geistesleben eine so tiefe Wirkung ausgeübt wie Goethe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/208>, abgerufen am 26.06.2024.