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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Entschluß staatlichen Eingreifens, Er fand
seinen Ausdruck in dem Erlaß des Preußischen
Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinnlangelegenheiten vom 18, Januar
1911 betr. Jugendpflege. Wetterling ("Staat-
lichcOrganisation der Jugendpflege." 2. Aufl.
Langensalza 1912. H. Beyer u. Söhne) hat
Wohl nicht Unrecht, wenn er in den Klagen
der Militärs über das Nichtmehrgenügen des
Rekrutenmaterials in körperlicher, geistiger
und ethischer Hinsicht die stärkste Triebfeder
zum Eingreifen der Staatsregierung erblickt.
Sind doch nach den Feststellungen des General¬
arztes Dr. Meisner nur 63 Prozent der
Pflichtigen tauglich; ein Sechstel ist wegen
allgemeiner Körperschwäche, ein Fünftel wegen
sonstiger Fehler dienstuntauglich. Die Art des
staatlichen Eingreifens hat freilich nicht überall
unbedingte Zustimmung gefunden. Bekanntlich
wurde in den preußischen Etat für 1911 die
Summe von einer Million Mark eingesetzt "zu
Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks
Förderung der Pflege der schulentlassenen männ¬
lichen Jugend, sowie zur Ausbildung und
Anleitung von für die Jugendpflege geeigneten
Personen" und im Etat für 1912 ist dieser
Betrag auf 1^/2 Mill. Mark erhöht worden.
Namentlich der ausgezeichnete Sozialpädagoge
I. Teos (Jugendpflege. 2. Aufl. Langen¬
salza 1912, H. Beyer u. Söhne) hat Be¬
denken dagegen, daß der Staat die "Ver¬
anstaltungen Dritter" fördert, statt Mittel
auszuwerfen, um seine eigenen Unterrichts¬
veranstaltungen so vollkommen und vielseitig
als möglich zu entwickeln. Teos warnt vor
der Gefahr, daß sich der Staat in den Kampf
der Parteien um die jungen Seelen begebe,
indem er -- wenn auch ohne Absicht -- den
Interessen einzelner Veranstaltungen dient,
die denen anderer widerstreiten, indem er
Einrichtungen fördert, die zum größten Teile
ganz ausgesprochen politisch und konfessionell
sind. Daß diese Art staatlicher Hilfeleistung
sogar von der Kirche als eine Parteinahme in
bestimmter Richtung angesehen wird, weist Teos
an zwei Beispielen nach: auf der Tagung
der sächsischen Provinzialsynode 1911 sprach
Oberpräsident von Hegel für eine Erhöhung
der kirchlichen Aufwendungen für Jugend¬
pflege, da zu befürchten (!) sei, daß sonst die
kirchliche Jugendpflege durch die staatliche in

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den Hintergrund gedrängt werde. Bei dem
Antrage, in Magdeburg ein Jugendheim zu
erbauen, wies der Antragsteller darauf hin,
daß gerade in Magdeburg die kirchliche Jugend¬
pflege von der jetzt einsetzenden staatlichen
Jugendpflege erdrückt (I) werde. Indes: wir
stehen zweifellos erst in den Anfängen der
Bewegung; und daß diese durch den er¬
wähnten Erlaß neue, starkeJmpulse empfangen
hat, ist unverkennbar. Mancher bisher ein¬
geschlagene Weg wird sich als nicht gangbar
erweisen und zugunsten anderer verlassen
werden. Die bestehenden Organisationen
fühlen sich jedenfalls zu stärkerer Betätigung
angespornt und zahlreiche neue sind seitdeni
inS Leben getreten. Unter ihnen darf man
besonders die in zahlreichen Städten gebildeten
"Ausschüsse für Jugendpflege" als vielver¬
sprechende Ansätze bezeichnen, besonders wenn
sich ihre Tätigkeit in ähnlicher Richtung ent¬
wickelt, wie in Charlottenburg. Im Fest¬
saale des Charlottenburger Rathauses fand
im Oktober 1911 ein Ausbildungskursus für
Jugendpfleger statt. Die dort gehaltenen
Vorträge liegen nunmehr der Öffentlichkeit
vor (Jugendpflege. Alte und neue Wege zur
Förderung unserer schulentlassenen Jugend.
Herausgegeben vom Hauptansschuß für Ju¬
gendpflege in Charlottcnlmrg. Jena 1912,
Eugen Diederichs) und bieten um so mehr
allgemeines Interesse, als sie Vertreter der ver¬
schiedensten Richtungen der modernen Jugend-
Pflege zu Wort kommen lassen: "evangelische
Jugendvereine, katholische Jünglingsvereine,
interkonfessionelle Jugendklubs, Fortbildungs¬
schulvereine, Turnvereine usw. Besondere Be¬
achtung verdienen unter den fünfzehn Bei¬
trägen die Darlegungen des Stadtbibliothekars
Dr. Fritz - Charlottenburg über "Jugend¬
lektüre", der Vortrag von Berthold Knetsch
über "Musik und Jugendpflege", und die Aus¬
führungen über "Soziale Hygiene des Jüng¬
lingsalters" von Prof. Dr. I. Kaup. Ver¬
dienstvollen Anteil an der "Erziehung zum
Jugendpflegcr" nimmt auch die Deutsche Zen¬
trale für Jugendfürsorge, die unter der be¬
währten Leitung ihrer früheren Geschäfts¬
führerin Dr. zur. F. Duensing ein Handbuch
für Jugendpflege (Langensalza, H. Beyer u.
Söhne. 12 bis 16 Lieferungen zu je 4 Bogen)
herausgibt, das nach den bereits vorliegenden

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Entschluß staatlichen Eingreifens, Er fand
seinen Ausdruck in dem Erlaß des Preußischen
Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinnlangelegenheiten vom 18, Januar
1911 betr. Jugendpflege. Wetterling („Staat-
lichcOrganisation der Jugendpflege." 2. Aufl.
Langensalza 1912. H. Beyer u. Söhne) hat
Wohl nicht Unrecht, wenn er in den Klagen
der Militärs über das Nichtmehrgenügen des
Rekrutenmaterials in körperlicher, geistiger
und ethischer Hinsicht die stärkste Triebfeder
zum Eingreifen der Staatsregierung erblickt.
Sind doch nach den Feststellungen des General¬
arztes Dr. Meisner nur 63 Prozent der
Pflichtigen tauglich; ein Sechstel ist wegen
allgemeiner Körperschwäche, ein Fünftel wegen
sonstiger Fehler dienstuntauglich. Die Art des
staatlichen Eingreifens hat freilich nicht überall
unbedingte Zustimmung gefunden. Bekanntlich
wurde in den preußischen Etat für 1911 die
Summe von einer Million Mark eingesetzt „zu
Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks
Förderung der Pflege der schulentlassenen männ¬
lichen Jugend, sowie zur Ausbildung und
Anleitung von für die Jugendpflege geeigneten
Personen" und im Etat für 1912 ist dieser
Betrag auf 1^/2 Mill. Mark erhöht worden.
Namentlich der ausgezeichnete Sozialpädagoge
I. Teos (Jugendpflege. 2. Aufl. Langen¬
salza 1912, H. Beyer u. Söhne) hat Be¬
denken dagegen, daß der Staat die „Ver¬
anstaltungen Dritter" fördert, statt Mittel
auszuwerfen, um seine eigenen Unterrichts¬
veranstaltungen so vollkommen und vielseitig
als möglich zu entwickeln. Teos warnt vor
der Gefahr, daß sich der Staat in den Kampf
der Parteien um die jungen Seelen begebe,
indem er — wenn auch ohne Absicht — den
Interessen einzelner Veranstaltungen dient,
die denen anderer widerstreiten, indem er
Einrichtungen fördert, die zum größten Teile
ganz ausgesprochen politisch und konfessionell
sind. Daß diese Art staatlicher Hilfeleistung
sogar von der Kirche als eine Parteinahme in
bestimmter Richtung angesehen wird, weist Teos
an zwei Beispielen nach: auf der Tagung
der sächsischen Provinzialsynode 1911 sprach
Oberpräsident von Hegel für eine Erhöhung
der kirchlichen Aufwendungen für Jugend¬
pflege, da zu befürchten (!) sei, daß sonst die
kirchliche Jugendpflege durch die staatliche in

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den Hintergrund gedrängt werde. Bei dem
Antrage, in Magdeburg ein Jugendheim zu
erbauen, wies der Antragsteller darauf hin,
daß gerade in Magdeburg die kirchliche Jugend¬
pflege von der jetzt einsetzenden staatlichen
Jugendpflege erdrückt (I) werde. Indes: wir
stehen zweifellos erst in den Anfängen der
Bewegung; und daß diese durch den er¬
wähnten Erlaß neue, starkeJmpulse empfangen
hat, ist unverkennbar. Mancher bisher ein¬
geschlagene Weg wird sich als nicht gangbar
erweisen und zugunsten anderer verlassen
werden. Die bestehenden Organisationen
fühlen sich jedenfalls zu stärkerer Betätigung
angespornt und zahlreiche neue sind seitdeni
inS Leben getreten. Unter ihnen darf man
besonders die in zahlreichen Städten gebildeten
„Ausschüsse für Jugendpflege" als vielver¬
sprechende Ansätze bezeichnen, besonders wenn
sich ihre Tätigkeit in ähnlicher Richtung ent¬
wickelt, wie in Charlottenburg. Im Fest¬
saale des Charlottenburger Rathauses fand
im Oktober 1911 ein Ausbildungskursus für
Jugendpfleger statt. Die dort gehaltenen
Vorträge liegen nunmehr der Öffentlichkeit
vor (Jugendpflege. Alte und neue Wege zur
Förderung unserer schulentlassenen Jugend.
Herausgegeben vom Hauptansschuß für Ju¬
gendpflege in Charlottcnlmrg. Jena 1912,
Eugen Diederichs) und bieten um so mehr
allgemeines Interesse, als sie Vertreter der ver¬
schiedensten Richtungen der modernen Jugend-
Pflege zu Wort kommen lassen: „evangelische
Jugendvereine, katholische Jünglingsvereine,
interkonfessionelle Jugendklubs, Fortbildungs¬
schulvereine, Turnvereine usw. Besondere Be¬
achtung verdienen unter den fünfzehn Bei¬
trägen die Darlegungen des Stadtbibliothekars
Dr. Fritz - Charlottenburg über „Jugend¬
lektüre", der Vortrag von Berthold Knetsch
über „Musik und Jugendpflege", und die Aus¬
führungen über „Soziale Hygiene des Jüng¬
lingsalters" von Prof. Dr. I. Kaup. Ver¬
dienstvollen Anteil an der „Erziehung zum
Jugendpflegcr" nimmt auch die Deutsche Zen¬
trale für Jugendfürsorge, die unter der be¬
währten Leitung ihrer früheren Geschäfts¬
führerin Dr. zur. F. Duensing ein Handbuch
für Jugendpflege (Langensalza, H. Beyer u.
Söhne. 12 bis 16 Lieferungen zu je 4 Bogen)
herausgibt, das nach den bereits vorliegenden

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[0195] Maßgebliches und Unmaßgebliches Entschluß staatlichen Eingreifens, Er fand seinen Ausdruck in dem Erlaß des Preußischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinnlangelegenheiten vom 18, Januar 1911 betr. Jugendpflege. Wetterling („Staat- lichcOrganisation der Jugendpflege." 2. Aufl. Langensalza 1912. H. Beyer u. Söhne) hat Wohl nicht Unrecht, wenn er in den Klagen der Militärs über das Nichtmehrgenügen des Rekrutenmaterials in körperlicher, geistiger und ethischer Hinsicht die stärkste Triebfeder zum Eingreifen der Staatsregierung erblickt. Sind doch nach den Feststellungen des General¬ arztes Dr. Meisner nur 63 Prozent der Pflichtigen tauglich; ein Sechstel ist wegen allgemeiner Körperschwäche, ein Fünftel wegen sonstiger Fehler dienstuntauglich. Die Art des staatlichen Eingreifens hat freilich nicht überall unbedingte Zustimmung gefunden. Bekanntlich wurde in den preußischen Etat für 1911 die Summe von einer Million Mark eingesetzt „zu Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks Förderung der Pflege der schulentlassenen männ¬ lichen Jugend, sowie zur Ausbildung und Anleitung von für die Jugendpflege geeigneten Personen" und im Etat für 1912 ist dieser Betrag auf 1^/2 Mill. Mark erhöht worden. Namentlich der ausgezeichnete Sozialpädagoge I. Teos (Jugendpflege. 2. Aufl. Langen¬ salza 1912, H. Beyer u. Söhne) hat Be¬ denken dagegen, daß der Staat die „Ver¬ anstaltungen Dritter" fördert, statt Mittel auszuwerfen, um seine eigenen Unterrichts¬ veranstaltungen so vollkommen und vielseitig als möglich zu entwickeln. Teos warnt vor der Gefahr, daß sich der Staat in den Kampf der Parteien um die jungen Seelen begebe, indem er — wenn auch ohne Absicht — den Interessen einzelner Veranstaltungen dient, die denen anderer widerstreiten, indem er Einrichtungen fördert, die zum größten Teile ganz ausgesprochen politisch und konfessionell sind. Daß diese Art staatlicher Hilfeleistung sogar von der Kirche als eine Parteinahme in bestimmter Richtung angesehen wird, weist Teos an zwei Beispielen nach: auf der Tagung der sächsischen Provinzialsynode 1911 sprach Oberpräsident von Hegel für eine Erhöhung der kirchlichen Aufwendungen für Jugend¬ pflege, da zu befürchten (!) sei, daß sonst die kirchliche Jugendpflege durch die staatliche in den Hintergrund gedrängt werde. Bei dem Antrage, in Magdeburg ein Jugendheim zu erbauen, wies der Antragsteller darauf hin, daß gerade in Magdeburg die kirchliche Jugend¬ pflege von der jetzt einsetzenden staatlichen Jugendpflege erdrückt (I) werde. Indes: wir stehen zweifellos erst in den Anfängen der Bewegung; und daß diese durch den er¬ wähnten Erlaß neue, starkeJmpulse empfangen hat, ist unverkennbar. Mancher bisher ein¬ geschlagene Weg wird sich als nicht gangbar erweisen und zugunsten anderer verlassen werden. Die bestehenden Organisationen fühlen sich jedenfalls zu stärkerer Betätigung angespornt und zahlreiche neue sind seitdeni inS Leben getreten. Unter ihnen darf man besonders die in zahlreichen Städten gebildeten „Ausschüsse für Jugendpflege" als vielver¬ sprechende Ansätze bezeichnen, besonders wenn sich ihre Tätigkeit in ähnlicher Richtung ent¬ wickelt, wie in Charlottenburg. Im Fest¬ saale des Charlottenburger Rathauses fand im Oktober 1911 ein Ausbildungskursus für Jugendpfleger statt. Die dort gehaltenen Vorträge liegen nunmehr der Öffentlichkeit vor (Jugendpflege. Alte und neue Wege zur Förderung unserer schulentlassenen Jugend. Herausgegeben vom Hauptansschuß für Ju¬ gendpflege in Charlottcnlmrg. Jena 1912, Eugen Diederichs) und bieten um so mehr allgemeines Interesse, als sie Vertreter der ver¬ schiedensten Richtungen der modernen Jugend- Pflege zu Wort kommen lassen: „evangelische Jugendvereine, katholische Jünglingsvereine, interkonfessionelle Jugendklubs, Fortbildungs¬ schulvereine, Turnvereine usw. Besondere Be¬ achtung verdienen unter den fünfzehn Bei¬ trägen die Darlegungen des Stadtbibliothekars Dr. Fritz - Charlottenburg über „Jugend¬ lektüre", der Vortrag von Berthold Knetsch über „Musik und Jugendpflege", und die Aus¬ führungen über „Soziale Hygiene des Jüng¬ lingsalters" von Prof. Dr. I. Kaup. Ver¬ dienstvollen Anteil an der „Erziehung zum Jugendpflegcr" nimmt auch die Deutsche Zen¬ trale für Jugendfürsorge, die unter der be¬ währten Leitung ihrer früheren Geschäfts¬ führerin Dr. zur. F. Duensing ein Handbuch für Jugendpflege (Langensalza, H. Beyer u. Söhne. 12 bis 16 Lieferungen zu je 4 Bogen) herausgibt, das nach den bereits vorliegenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/195>, abgerufen am 01.07.2024.