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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Strömungen innerhalb der Zentrumspartei

kreise Fraustadt-Lissa als inopportun bezeichnete. Trotzdem auch Graf Oppers-
dorff in Berlin als offizieller Zentrumskandidat aufgestellt und in Fraustadt-
Lissa auf das Programm der Zentrumspartei gewählt worden war, erfolgte
dennoch nicht seine Wiederaufnahme in die Zentrumsfraktion. Es war darüber
allerdings kein Fraktionsbeschluß zustande gekommen, im Vorstande hatte die
Angelegenheit nur zur Beratung gestanden, und Abg. Roeren hatte sich dabei --
im Gegensatze zu den übrigen Mitgliedern -- für die Aufnahme erklärt. Aber es
waren auf Anordnung des damaligen Vorsitzenden der Reichstagsfraktion des
Zentrums eine Reihe Handlungen erfolgt, aus denen Graf Oppersdorff seine
Nichtabnahme als geschehen erachtete. In einer in seinem kurz zuvor gegrün¬
deten Blatte Wahrheit und Klarheit veröffentlichten Erklärung äußerte er, die
Nichtabnahme als gegebene Tatsache hinzunehmen. Damit erübrigte sich für
die Fraktion eine weitere Stellungnahme.

Berechtigtes Aufsehen hat in allerletzter Zeit die Mandatsniederlegung des
Geheimrath Roeren hervorgerufen, der ein ganzes Menschenalter hindurch
unentwegt und treu für die Interessen der Zentrumspartei eingetreten ist. Herr
Geheimrat Roeren begründete seine Mandatsniederlegung damit, daß es ihm
nach Auseinandersetzungen in einer Fraktionssitzung der Zentrumspartei des
preußischen Abgeordnetenhauses am 14. Februar d. Is., die im Anschluß an
die von ihm geschehene Darlegung seines Standpunktes erfolgt sei, seiner Ansicht
nach in Zukunft nicht mehr möglich sei, innerhalb der Fraktion für den Grundsatz
einzutreten, daß das Zentrum bei den Fragen, bei denen die Weltanschauung
überhaupt in Betracht kommt, seine Politik in Übereinstimmung mit der katho¬
lischen Weltanschauung, d. h. nicht in irgend welchem Gegensatze zu dieser,
machen müsse. Justizrat Julius Bachem fügt in einem im Tag (Ur. 86 vom
13. April 1912) veröffentlichten Artikel hinzu, daß die Stellungnahme der
Fraktion in der betreffenden Sitzung infolge "öffentlicher Auslassungen" des
Herrn Geheimrath Roeren (wohl ein von diesem kurz zuvor im Aar veröffent¬
lichter Artikel) erfolgt sei. Ich kenne die in der Fraktion erfolgten Auseinander¬
setzungen nicht. Jedenfalls ist aber die von Herrn Geheimrat Roeren daraus
gezogene Schlußfolgerung, als ob das Zentrum jemals in Weltanschauungs¬
fragen feine Politik im Gegensatze zur katholischen Weltanschauung machen könne,
unzutreffend. Armin Kaufen hat, wie ich bereits angeführt habe, mit Recht
hierzu geäußert, man müsse über eine solche Unterstellung förmlich erschrecken.
Ich habe daher den Schritt Roerens nicht verstehen können, und wie mir dürfte
es auch vielen anderen so gegangen sein. Hinzukommt, daß der Austritt aus
beiden Zentrumsfraktionen Herrn Roeren von keiner Seite nahegelegt wurde,
vielmehr durchaus freiwillig erfolgt ist.

Endlich wäre noch ein Wort über einige in der letzten Zeit erfolgte Blatt¬
gründungen zu sagen, wobei speziell die von Graf Oppersdorff herausgegebene
Wochenschrift Wahrheit und Klarheit und das in Breslau als Organ der soge¬
nannten katholischen Aktion erscheinende Wochenblatt Das katholische Deutschland


Strömungen innerhalb der Zentrumspartei

kreise Fraustadt-Lissa als inopportun bezeichnete. Trotzdem auch Graf Oppers-
dorff in Berlin als offizieller Zentrumskandidat aufgestellt und in Fraustadt-
Lissa auf das Programm der Zentrumspartei gewählt worden war, erfolgte
dennoch nicht seine Wiederaufnahme in die Zentrumsfraktion. Es war darüber
allerdings kein Fraktionsbeschluß zustande gekommen, im Vorstande hatte die
Angelegenheit nur zur Beratung gestanden, und Abg. Roeren hatte sich dabei —
im Gegensatze zu den übrigen Mitgliedern — für die Aufnahme erklärt. Aber es
waren auf Anordnung des damaligen Vorsitzenden der Reichstagsfraktion des
Zentrums eine Reihe Handlungen erfolgt, aus denen Graf Oppersdorff seine
Nichtabnahme als geschehen erachtete. In einer in seinem kurz zuvor gegrün¬
deten Blatte Wahrheit und Klarheit veröffentlichten Erklärung äußerte er, die
Nichtabnahme als gegebene Tatsache hinzunehmen. Damit erübrigte sich für
die Fraktion eine weitere Stellungnahme.

Berechtigtes Aufsehen hat in allerletzter Zeit die Mandatsniederlegung des
Geheimrath Roeren hervorgerufen, der ein ganzes Menschenalter hindurch
unentwegt und treu für die Interessen der Zentrumspartei eingetreten ist. Herr
Geheimrat Roeren begründete seine Mandatsniederlegung damit, daß es ihm
nach Auseinandersetzungen in einer Fraktionssitzung der Zentrumspartei des
preußischen Abgeordnetenhauses am 14. Februar d. Is., die im Anschluß an
die von ihm geschehene Darlegung seines Standpunktes erfolgt sei, seiner Ansicht
nach in Zukunft nicht mehr möglich sei, innerhalb der Fraktion für den Grundsatz
einzutreten, daß das Zentrum bei den Fragen, bei denen die Weltanschauung
überhaupt in Betracht kommt, seine Politik in Übereinstimmung mit der katho¬
lischen Weltanschauung, d. h. nicht in irgend welchem Gegensatze zu dieser,
machen müsse. Justizrat Julius Bachem fügt in einem im Tag (Ur. 86 vom
13. April 1912) veröffentlichten Artikel hinzu, daß die Stellungnahme der
Fraktion in der betreffenden Sitzung infolge „öffentlicher Auslassungen" des
Herrn Geheimrath Roeren (wohl ein von diesem kurz zuvor im Aar veröffent¬
lichter Artikel) erfolgt sei. Ich kenne die in der Fraktion erfolgten Auseinander¬
setzungen nicht. Jedenfalls ist aber die von Herrn Geheimrat Roeren daraus
gezogene Schlußfolgerung, als ob das Zentrum jemals in Weltanschauungs¬
fragen feine Politik im Gegensatze zur katholischen Weltanschauung machen könne,
unzutreffend. Armin Kaufen hat, wie ich bereits angeführt habe, mit Recht
hierzu geäußert, man müsse über eine solche Unterstellung förmlich erschrecken.
Ich habe daher den Schritt Roerens nicht verstehen können, und wie mir dürfte
es auch vielen anderen so gegangen sein. Hinzukommt, daß der Austritt aus
beiden Zentrumsfraktionen Herrn Roeren von keiner Seite nahegelegt wurde,
vielmehr durchaus freiwillig erfolgt ist.

Endlich wäre noch ein Wort über einige in der letzten Zeit erfolgte Blatt¬
gründungen zu sagen, wobei speziell die von Graf Oppersdorff herausgegebene
Wochenschrift Wahrheit und Klarheit und das in Breslau als Organ der soge¬
nannten katholischen Aktion erscheinende Wochenblatt Das katholische Deutschland


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[0538] Strömungen innerhalb der Zentrumspartei kreise Fraustadt-Lissa als inopportun bezeichnete. Trotzdem auch Graf Oppers- dorff in Berlin als offizieller Zentrumskandidat aufgestellt und in Fraustadt- Lissa auf das Programm der Zentrumspartei gewählt worden war, erfolgte dennoch nicht seine Wiederaufnahme in die Zentrumsfraktion. Es war darüber allerdings kein Fraktionsbeschluß zustande gekommen, im Vorstande hatte die Angelegenheit nur zur Beratung gestanden, und Abg. Roeren hatte sich dabei — im Gegensatze zu den übrigen Mitgliedern — für die Aufnahme erklärt. Aber es waren auf Anordnung des damaligen Vorsitzenden der Reichstagsfraktion des Zentrums eine Reihe Handlungen erfolgt, aus denen Graf Oppersdorff seine Nichtabnahme als geschehen erachtete. In einer in seinem kurz zuvor gegrün¬ deten Blatte Wahrheit und Klarheit veröffentlichten Erklärung äußerte er, die Nichtabnahme als gegebene Tatsache hinzunehmen. Damit erübrigte sich für die Fraktion eine weitere Stellungnahme. Berechtigtes Aufsehen hat in allerletzter Zeit die Mandatsniederlegung des Geheimrath Roeren hervorgerufen, der ein ganzes Menschenalter hindurch unentwegt und treu für die Interessen der Zentrumspartei eingetreten ist. Herr Geheimrat Roeren begründete seine Mandatsniederlegung damit, daß es ihm nach Auseinandersetzungen in einer Fraktionssitzung der Zentrumspartei des preußischen Abgeordnetenhauses am 14. Februar d. Is., die im Anschluß an die von ihm geschehene Darlegung seines Standpunktes erfolgt sei, seiner Ansicht nach in Zukunft nicht mehr möglich sei, innerhalb der Fraktion für den Grundsatz einzutreten, daß das Zentrum bei den Fragen, bei denen die Weltanschauung überhaupt in Betracht kommt, seine Politik in Übereinstimmung mit der katho¬ lischen Weltanschauung, d. h. nicht in irgend welchem Gegensatze zu dieser, machen müsse. Justizrat Julius Bachem fügt in einem im Tag (Ur. 86 vom 13. April 1912) veröffentlichten Artikel hinzu, daß die Stellungnahme der Fraktion in der betreffenden Sitzung infolge „öffentlicher Auslassungen" des Herrn Geheimrath Roeren (wohl ein von diesem kurz zuvor im Aar veröffent¬ lichter Artikel) erfolgt sei. Ich kenne die in der Fraktion erfolgten Auseinander¬ setzungen nicht. Jedenfalls ist aber die von Herrn Geheimrat Roeren daraus gezogene Schlußfolgerung, als ob das Zentrum jemals in Weltanschauungs¬ fragen feine Politik im Gegensatze zur katholischen Weltanschauung machen könne, unzutreffend. Armin Kaufen hat, wie ich bereits angeführt habe, mit Recht hierzu geäußert, man müsse über eine solche Unterstellung förmlich erschrecken. Ich habe daher den Schritt Roerens nicht verstehen können, und wie mir dürfte es auch vielen anderen so gegangen sein. Hinzukommt, daß der Austritt aus beiden Zentrumsfraktionen Herrn Roeren von keiner Seite nahegelegt wurde, vielmehr durchaus freiwillig erfolgt ist. Endlich wäre noch ein Wort über einige in der letzten Zeit erfolgte Blatt¬ gründungen zu sagen, wobei speziell die von Graf Oppersdorff herausgegebene Wochenschrift Wahrheit und Klarheit und das in Breslau als Organ der soge¬ nannten katholischen Aktion erscheinende Wochenblatt Das katholische Deutschland

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/538>, abgerufen am 26.06.2024.