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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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gestattet den beiden Städten aber nicht, mit holländischen und belgischen Häfen
in erfolgreiche Konkurrenz zu treten. Trotz des großartigen Ausbaues von
Eisenbahnen und Wasserstraßen, wie er in den letzten Jahrzehnten in Deutsch¬
land festzustellen ist, wird der Verkehr aus Süddeutschland, Westfalen und
Rheinland, zum Teil auch der ausländische aus der Schweiz und Italien den
näheren Weg über Holland suchen, statt einen mit größeren Kosten verbundenen
Umweg über die Hansestädte. Diese Städte haben für diesen Teil des Verkehrs
eine zu östliche Lage, als daß er mit Nutzen dorthin gelenkt werden könnte.
Dazu bedürfte es eines Hafens, der weiter westlich liegt und günstigere Ver¬
bindungen bietet.

Ein solcher Hafen ist Emden. So lange dieser Ort in preußischem Besitz
war, sind auch die preußischen Herrscher und ihre Regierungen bestrebt gewesen,
dort einen Mittelpunkt für den Überseehandel zu schaffen. Diese Bestrebungen
und Versuche, die je nach der politischen und wirtschaftlichen Lage von
wechselndem Erfolge begleitet waren, gehen bis auf den Großen Kurfürsten
und Friedrich den Großen zurück. Als nach der Einverleibung Hannovers
Emden wieder an Preußen zurückfiel, wurden diese Versuche auch wieder auf¬
genommen. In jüngster Zeit ist der Emdener Hafen mit großem Aufwand neu
ausgebaut, die Fahrtrinne zur Benutzung für die größten Schiffe vertieft und der
Hafen mit den modernsten Ladevorrichtungen ausgerüstet worden. Durch den
Dortmund-Ems-Kanal sowie günstige Eisenbahnanlagen sind gute Verbindungen
mit dem Hinterkante geschaffen.

Somit scheinen alle Vorbedingungen für eine gute Entwicklung dieses
Hafens gegeben, und dennoch will der Verkehr sich nicht in der- Weise heben,
wie man es gehofft und vorausgesetzt hatte. Für diese Tatsache ist die
Konkurrenz der belgischen und holländischen Häfen in erster Linie verantwort¬
lich zu machen. Zum Teil liegt dies daran, daß der Handel altgewohnte
Wege, auf denen sich im Laufe der Jahrzehnte feste Beziehungen entwickelt
haben, nicht plötzlich aufgibt. Zum Teil trägt auch der Mangel an leistungs¬
fähigen Schiffahrtslinien daran die Schuld. Es genügt nicht, daß Passagiere
und Güter von allen Seiten her nach Emden herangezogen werden, es muß auch
Gelegenheit sür ihre sichere, schnelle und regelmäßige Weiterbeförderung vor¬
handen sein. An diesen hat es aber bisher noch gefehlt. Erst wenn in Emden
leistungsfähige Schiffahrtsgesellschaften entstanden sind, die den Überseeverkehr
pflegen, wird sich Emden wirklich in großzügiger Weise entwickeln können. Erst
dann werden sich die großen Kapitalien (über achtzig Millionen Mark), die
das Land dort aufgewendet hat, lohnend angelegt und ertragreich erweisen.
Ehe nicht selbständige Linien von Emden aus regelmäßige transatlantische
Fahrten ausführen, wird sich auch der erhoffte Aufschwung nicht einstellen.
Bis dahin werden trotz aller sonstigen Vorteile die Waren immer den Weg
über Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam nehmen, wo ihre Weiter¬
beförderung sichergestellt ist.


Linden

gestattet den beiden Städten aber nicht, mit holländischen und belgischen Häfen
in erfolgreiche Konkurrenz zu treten. Trotz des großartigen Ausbaues von
Eisenbahnen und Wasserstraßen, wie er in den letzten Jahrzehnten in Deutsch¬
land festzustellen ist, wird der Verkehr aus Süddeutschland, Westfalen und
Rheinland, zum Teil auch der ausländische aus der Schweiz und Italien den
näheren Weg über Holland suchen, statt einen mit größeren Kosten verbundenen
Umweg über die Hansestädte. Diese Städte haben für diesen Teil des Verkehrs
eine zu östliche Lage, als daß er mit Nutzen dorthin gelenkt werden könnte.
Dazu bedürfte es eines Hafens, der weiter westlich liegt und günstigere Ver¬
bindungen bietet.

Ein solcher Hafen ist Emden. So lange dieser Ort in preußischem Besitz
war, sind auch die preußischen Herrscher und ihre Regierungen bestrebt gewesen,
dort einen Mittelpunkt für den Überseehandel zu schaffen. Diese Bestrebungen
und Versuche, die je nach der politischen und wirtschaftlichen Lage von
wechselndem Erfolge begleitet waren, gehen bis auf den Großen Kurfürsten
und Friedrich den Großen zurück. Als nach der Einverleibung Hannovers
Emden wieder an Preußen zurückfiel, wurden diese Versuche auch wieder auf¬
genommen. In jüngster Zeit ist der Emdener Hafen mit großem Aufwand neu
ausgebaut, die Fahrtrinne zur Benutzung für die größten Schiffe vertieft und der
Hafen mit den modernsten Ladevorrichtungen ausgerüstet worden. Durch den
Dortmund-Ems-Kanal sowie günstige Eisenbahnanlagen sind gute Verbindungen
mit dem Hinterkante geschaffen.

Somit scheinen alle Vorbedingungen für eine gute Entwicklung dieses
Hafens gegeben, und dennoch will der Verkehr sich nicht in der- Weise heben,
wie man es gehofft und vorausgesetzt hatte. Für diese Tatsache ist die
Konkurrenz der belgischen und holländischen Häfen in erster Linie verantwort¬
lich zu machen. Zum Teil liegt dies daran, daß der Handel altgewohnte
Wege, auf denen sich im Laufe der Jahrzehnte feste Beziehungen entwickelt
haben, nicht plötzlich aufgibt. Zum Teil trägt auch der Mangel an leistungs¬
fähigen Schiffahrtslinien daran die Schuld. Es genügt nicht, daß Passagiere
und Güter von allen Seiten her nach Emden herangezogen werden, es muß auch
Gelegenheit sür ihre sichere, schnelle und regelmäßige Weiterbeförderung vor¬
handen sein. An diesen hat es aber bisher noch gefehlt. Erst wenn in Emden
leistungsfähige Schiffahrtsgesellschaften entstanden sind, die den Überseeverkehr
pflegen, wird sich Emden wirklich in großzügiger Weise entwickeln können. Erst
dann werden sich die großen Kapitalien (über achtzig Millionen Mark), die
das Land dort aufgewendet hat, lohnend angelegt und ertragreich erweisen.
Ehe nicht selbständige Linien von Emden aus regelmäßige transatlantische
Fahrten ausführen, wird sich auch der erhoffte Aufschwung nicht einstellen.
Bis dahin werden trotz aller sonstigen Vorteile die Waren immer den Weg
über Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam nehmen, wo ihre Weiter¬
beförderung sichergestellt ist.


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[0370] Linden gestattet den beiden Städten aber nicht, mit holländischen und belgischen Häfen in erfolgreiche Konkurrenz zu treten. Trotz des großartigen Ausbaues von Eisenbahnen und Wasserstraßen, wie er in den letzten Jahrzehnten in Deutsch¬ land festzustellen ist, wird der Verkehr aus Süddeutschland, Westfalen und Rheinland, zum Teil auch der ausländische aus der Schweiz und Italien den näheren Weg über Holland suchen, statt einen mit größeren Kosten verbundenen Umweg über die Hansestädte. Diese Städte haben für diesen Teil des Verkehrs eine zu östliche Lage, als daß er mit Nutzen dorthin gelenkt werden könnte. Dazu bedürfte es eines Hafens, der weiter westlich liegt und günstigere Ver¬ bindungen bietet. Ein solcher Hafen ist Emden. So lange dieser Ort in preußischem Besitz war, sind auch die preußischen Herrscher und ihre Regierungen bestrebt gewesen, dort einen Mittelpunkt für den Überseehandel zu schaffen. Diese Bestrebungen und Versuche, die je nach der politischen und wirtschaftlichen Lage von wechselndem Erfolge begleitet waren, gehen bis auf den Großen Kurfürsten und Friedrich den Großen zurück. Als nach der Einverleibung Hannovers Emden wieder an Preußen zurückfiel, wurden diese Versuche auch wieder auf¬ genommen. In jüngster Zeit ist der Emdener Hafen mit großem Aufwand neu ausgebaut, die Fahrtrinne zur Benutzung für die größten Schiffe vertieft und der Hafen mit den modernsten Ladevorrichtungen ausgerüstet worden. Durch den Dortmund-Ems-Kanal sowie günstige Eisenbahnanlagen sind gute Verbindungen mit dem Hinterkante geschaffen. Somit scheinen alle Vorbedingungen für eine gute Entwicklung dieses Hafens gegeben, und dennoch will der Verkehr sich nicht in der- Weise heben, wie man es gehofft und vorausgesetzt hatte. Für diese Tatsache ist die Konkurrenz der belgischen und holländischen Häfen in erster Linie verantwort¬ lich zu machen. Zum Teil liegt dies daran, daß der Handel altgewohnte Wege, auf denen sich im Laufe der Jahrzehnte feste Beziehungen entwickelt haben, nicht plötzlich aufgibt. Zum Teil trägt auch der Mangel an leistungs¬ fähigen Schiffahrtslinien daran die Schuld. Es genügt nicht, daß Passagiere und Güter von allen Seiten her nach Emden herangezogen werden, es muß auch Gelegenheit sür ihre sichere, schnelle und regelmäßige Weiterbeförderung vor¬ handen sein. An diesen hat es aber bisher noch gefehlt. Erst wenn in Emden leistungsfähige Schiffahrtsgesellschaften entstanden sind, die den Überseeverkehr pflegen, wird sich Emden wirklich in großzügiger Weise entwickeln können. Erst dann werden sich die großen Kapitalien (über achtzig Millionen Mark), die das Land dort aufgewendet hat, lohnend angelegt und ertragreich erweisen. Ehe nicht selbständige Linien von Emden aus regelmäßige transatlantische Fahrten ausführen, wird sich auch der erhoffte Aufschwung nicht einstellen. Bis dahin werden trotz aller sonstigen Vorteile die Waren immer den Weg über Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam nehmen, wo ihre Weiter¬ beförderung sichergestellt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/370>, abgerufen am 22.07.2024.