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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

physische Spekulation, Er macht sich daran,
auf Grund einer feinfühligen Interpretation
des Sprachgebrauches die beiden Begriffe
"Person" und "Persönlichkeit" voneinander
zu scheiden und jeden für sich bis ins einzelne
zu bestimmen, um, sie dann in die Stufen¬
folge der Werte einzureihen, die eine theologisch-
dualistische Metaphysik zwischen den beiden
Prinzipien "Natur" und "Geist" aufbaut.
Letztes Ziel der Untersuchung ist also nicht
nur eine Begriffsbestimmung, sondern eine
Wertung der "Person" und der "Persönlichkeit"
auf Grund einer christlich - theologischen Wert-
Philosophie.

Die Resultate dieser Untersuchungen, die
den ersten Teil des Buches füllen, sollen hier
kurz angedeutet werden. Schon "dem Menschen
als solchen:, wie er aus den Händen der
Natur hervorgegangen ist", kommt auf dem
Boden der human-christlichen Kultur Wert zu:
er ist "Person". Auch als bloßes "Er¬
zeugnis der Natur" hat der Mensch "Eigen¬
recht" -- das Recht zu bestehen und zu leben,
"angebornes Menschenrecht" -- und "Eigen¬
art", d. h. bestimmte und so nur einmal vor¬
handene Anlage, Die Person, als "Natur",
steht aber nur auf einer Wertstufe zweiten
Grades,

Einen Wert ersten Grades dagegen ver¬
körpert die "Persönlichkeit" als eigenartiger
Besitz der "höchsten geistigen Werte". Die
Person, die Natur, liefert das Eigen; die
Persönlichkeit, als Ausfluß und Verkörperung
des Geistes, "nimmt dies Eigen als gewollt
in sich auf und setzt es in Verbindung mit
den höchsten Werten und Idealen des geistigen
Lebens", sie ist "die Verklärung der Person".

Diese letzten Gedanken finden ihre besondere
Ausführung in einer "Metaphysik der Persön¬
lichkeit", die der Verfasser an den Schluß des
ersten Teiles gesetzt hat. Die eigentliche Auf¬
gabe dieser "Metaphysik der Persönlichkeit"
ist die, von der Metaphysik die Fäden zu
knüpfen, die hinüberführen in das Gebiet der
Religion, Er sagt - "Persönlichkeit ist gegründet
auf ein höheres Ich. Sie kommt zustande,

[Spaltenumbruch]

wenn man sich mit dem Absoluten verbindet
oder das Absolute sich herabsenkt in die Person,"
Eine praktische Wendung erhält diese Meta¬
physik allerdings sofort, wenn dann Niebergall
weitersagt: "Ich (d.h. Wohl die Person) muß
mein höheres Ich selbst zu gewinnen, ich muß
den Anschluß an mein Ich zu erlangen suchen.
Ich muß mich gleichsam erkennen, wie ich von
Gott erkannt bin, also wie Gott mich haben
Will." Auf diese Weise kann man es sehr
Wohl verstehen, daß Riebergall schließlich be¬
hauptet: "Zuletzt ruht alle Rede von Persön¬
lichkeit auf dem Glauben an ein Absolutes."

Nach meiner Überzeugung hätte der Ver¬
fasser am Schluß seiner spekulativen Über¬
legungen diesen Ausspruch nicht tun können,
wenn er ihn nach seiner anfänglichen logisch¬
sprachlichen Begriffsinterpretation einer Nach¬
prüfung unterzogen hätte. Wir sprechen von
einer Persönlichkeit auch da, wo augenschein¬
lich kein solcher Glaube an ein Absolutes im
geistigen Sinne vorliegt. Auch ein Materialist
kann eine Persönlichkeit sein. So zeigt sich
am Schlüsse von Niebergalls metaphysischen
Betrachtungen klar und deutlich jener Fehler,
der einer logisch-spekulativen Methode immer
anhaftet: der Forscher erliegt gar zu leicht der
Versuchung, bei der Bestimmung eines Be¬
griffes in ihn immer gerade das hineinzulegen
und in ihm zum Schluß gerade immer das
zu finden, was er darin finden will.

Der zweite, umfangreichere Teil des Nie-
bergallschen Buches zeigt gewissermaßen die
praktische Anwendung jener metaphysischen
Ideen im Leben. Er soll uns zeigen, wie
Person und Persönlichkeit sich entfalten und
betätigen, wie sie in einer Reihe von Ge¬
bieten des äußeren Lebens wirksam werden
sollen. Eine Reihe solcher Gebiete -- die
Alkoholfrage, das sexuelle Gebiet, die Ehe,
die Erziehung, die Religion, die soziale Frage,
Politik, Kunst und Dichtung -- sollen hier
genannt sein, mehr um die Mannigfaltigkeit
und den Reichtum des Buches anzudeuten,
als un? es zu erschöpfen.

Dr. w. Warsta [Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

physische Spekulation, Er macht sich daran,
auf Grund einer feinfühligen Interpretation
des Sprachgebrauches die beiden Begriffe
„Person" und „Persönlichkeit" voneinander
zu scheiden und jeden für sich bis ins einzelne
zu bestimmen, um, sie dann in die Stufen¬
folge der Werte einzureihen, die eine theologisch-
dualistische Metaphysik zwischen den beiden
Prinzipien „Natur" und „Geist" aufbaut.
Letztes Ziel der Untersuchung ist also nicht
nur eine Begriffsbestimmung, sondern eine
Wertung der „Person" und der „Persönlichkeit"
auf Grund einer christlich - theologischen Wert-
Philosophie.

Die Resultate dieser Untersuchungen, die
den ersten Teil des Buches füllen, sollen hier
kurz angedeutet werden. Schon „dem Menschen
als solchen:, wie er aus den Händen der
Natur hervorgegangen ist", kommt auf dem
Boden der human-christlichen Kultur Wert zu:
er ist „Person". Auch als bloßes „Er¬
zeugnis der Natur" hat der Mensch „Eigen¬
recht" — das Recht zu bestehen und zu leben,
„angebornes Menschenrecht" — und „Eigen¬
art", d. h. bestimmte und so nur einmal vor¬
handene Anlage, Die Person, als „Natur",
steht aber nur auf einer Wertstufe zweiten
Grades,

Einen Wert ersten Grades dagegen ver¬
körpert die „Persönlichkeit" als eigenartiger
Besitz der „höchsten geistigen Werte". Die
Person, die Natur, liefert das Eigen; die
Persönlichkeit, als Ausfluß und Verkörperung
des Geistes, „nimmt dies Eigen als gewollt
in sich auf und setzt es in Verbindung mit
den höchsten Werten und Idealen des geistigen
Lebens", sie ist „die Verklärung der Person".

Diese letzten Gedanken finden ihre besondere
Ausführung in einer „Metaphysik der Persön¬
lichkeit", die der Verfasser an den Schluß des
ersten Teiles gesetzt hat. Die eigentliche Auf¬
gabe dieser „Metaphysik der Persönlichkeit"
ist die, von der Metaphysik die Fäden zu
knüpfen, die hinüberführen in das Gebiet der
Religion, Er sagt - „Persönlichkeit ist gegründet
auf ein höheres Ich. Sie kommt zustande,

[Spaltenumbruch]

wenn man sich mit dem Absoluten verbindet
oder das Absolute sich herabsenkt in die Person,"
Eine praktische Wendung erhält diese Meta¬
physik allerdings sofort, wenn dann Niebergall
weitersagt: „Ich (d.h. Wohl die Person) muß
mein höheres Ich selbst zu gewinnen, ich muß
den Anschluß an mein Ich zu erlangen suchen.
Ich muß mich gleichsam erkennen, wie ich von
Gott erkannt bin, also wie Gott mich haben
Will." Auf diese Weise kann man es sehr
Wohl verstehen, daß Riebergall schließlich be¬
hauptet: „Zuletzt ruht alle Rede von Persön¬
lichkeit auf dem Glauben an ein Absolutes."

Nach meiner Überzeugung hätte der Ver¬
fasser am Schluß seiner spekulativen Über¬
legungen diesen Ausspruch nicht tun können,
wenn er ihn nach seiner anfänglichen logisch¬
sprachlichen Begriffsinterpretation einer Nach¬
prüfung unterzogen hätte. Wir sprechen von
einer Persönlichkeit auch da, wo augenschein¬
lich kein solcher Glaube an ein Absolutes im
geistigen Sinne vorliegt. Auch ein Materialist
kann eine Persönlichkeit sein. So zeigt sich
am Schlüsse von Niebergalls metaphysischen
Betrachtungen klar und deutlich jener Fehler,
der einer logisch-spekulativen Methode immer
anhaftet: der Forscher erliegt gar zu leicht der
Versuchung, bei der Bestimmung eines Be¬
griffes in ihn immer gerade das hineinzulegen
und in ihm zum Schluß gerade immer das
zu finden, was er darin finden will.

Der zweite, umfangreichere Teil des Nie-
bergallschen Buches zeigt gewissermaßen die
praktische Anwendung jener metaphysischen
Ideen im Leben. Er soll uns zeigen, wie
Person und Persönlichkeit sich entfalten und
betätigen, wie sie in einer Reihe von Ge¬
bieten des äußeren Lebens wirksam werden
sollen. Eine Reihe solcher Gebiete — die
Alkoholfrage, das sexuelle Gebiet, die Ehe,
die Erziehung, die Religion, die soziale Frage,
Politik, Kunst und Dichtung — sollen hier
genannt sein, mehr um die Mannigfaltigkeit
und den Reichtum des Buches anzudeuten,
als un? es zu erschöpfen.

Dr. w. Warsta [Ende Spaltensatz]


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[0310] Maßgebliches und Unmaßgebliches physische Spekulation, Er macht sich daran, auf Grund einer feinfühligen Interpretation des Sprachgebrauches die beiden Begriffe „Person" und „Persönlichkeit" voneinander zu scheiden und jeden für sich bis ins einzelne zu bestimmen, um, sie dann in die Stufen¬ folge der Werte einzureihen, die eine theologisch- dualistische Metaphysik zwischen den beiden Prinzipien „Natur" und „Geist" aufbaut. Letztes Ziel der Untersuchung ist also nicht nur eine Begriffsbestimmung, sondern eine Wertung der „Person" und der „Persönlichkeit" auf Grund einer christlich - theologischen Wert- Philosophie. Die Resultate dieser Untersuchungen, die den ersten Teil des Buches füllen, sollen hier kurz angedeutet werden. Schon „dem Menschen als solchen:, wie er aus den Händen der Natur hervorgegangen ist", kommt auf dem Boden der human-christlichen Kultur Wert zu: er ist „Person". Auch als bloßes „Er¬ zeugnis der Natur" hat der Mensch „Eigen¬ recht" — das Recht zu bestehen und zu leben, „angebornes Menschenrecht" — und „Eigen¬ art", d. h. bestimmte und so nur einmal vor¬ handene Anlage, Die Person, als „Natur", steht aber nur auf einer Wertstufe zweiten Grades, Einen Wert ersten Grades dagegen ver¬ körpert die „Persönlichkeit" als eigenartiger Besitz der „höchsten geistigen Werte". Die Person, die Natur, liefert das Eigen; die Persönlichkeit, als Ausfluß und Verkörperung des Geistes, „nimmt dies Eigen als gewollt in sich auf und setzt es in Verbindung mit den höchsten Werten und Idealen des geistigen Lebens", sie ist „die Verklärung der Person". Diese letzten Gedanken finden ihre besondere Ausführung in einer „Metaphysik der Persön¬ lichkeit", die der Verfasser an den Schluß des ersten Teiles gesetzt hat. Die eigentliche Auf¬ gabe dieser „Metaphysik der Persönlichkeit" ist die, von der Metaphysik die Fäden zu knüpfen, die hinüberführen in das Gebiet der Religion, Er sagt - „Persönlichkeit ist gegründet auf ein höheres Ich. Sie kommt zustande, wenn man sich mit dem Absoluten verbindet oder das Absolute sich herabsenkt in die Person," Eine praktische Wendung erhält diese Meta¬ physik allerdings sofort, wenn dann Niebergall weitersagt: „Ich (d.h. Wohl die Person) muß mein höheres Ich selbst zu gewinnen, ich muß den Anschluß an mein Ich zu erlangen suchen. Ich muß mich gleichsam erkennen, wie ich von Gott erkannt bin, also wie Gott mich haben Will." Auf diese Weise kann man es sehr Wohl verstehen, daß Riebergall schließlich be¬ hauptet: „Zuletzt ruht alle Rede von Persön¬ lichkeit auf dem Glauben an ein Absolutes." Nach meiner Überzeugung hätte der Ver¬ fasser am Schluß seiner spekulativen Über¬ legungen diesen Ausspruch nicht tun können, wenn er ihn nach seiner anfänglichen logisch¬ sprachlichen Begriffsinterpretation einer Nach¬ prüfung unterzogen hätte. Wir sprechen von einer Persönlichkeit auch da, wo augenschein¬ lich kein solcher Glaube an ein Absolutes im geistigen Sinne vorliegt. Auch ein Materialist kann eine Persönlichkeit sein. So zeigt sich am Schlüsse von Niebergalls metaphysischen Betrachtungen klar und deutlich jener Fehler, der einer logisch-spekulativen Methode immer anhaftet: der Forscher erliegt gar zu leicht der Versuchung, bei der Bestimmung eines Be¬ griffes in ihn immer gerade das hineinzulegen und in ihm zum Schluß gerade immer das zu finden, was er darin finden will. Der zweite, umfangreichere Teil des Nie- bergallschen Buches zeigt gewissermaßen die praktische Anwendung jener metaphysischen Ideen im Leben. Er soll uns zeigen, wie Person und Persönlichkeit sich entfalten und betätigen, wie sie in einer Reihe von Ge¬ bieten des äußeren Lebens wirksam werden sollen. Eine Reihe solcher Gebiete — die Alkoholfrage, das sexuelle Gebiet, die Ehe, die Erziehung, die Religion, die soziale Frage, Politik, Kunst und Dichtung — sollen hier genannt sein, mehr um die Mannigfaltigkeit und den Reichtum des Buches anzudeuten, als un? es zu erschöpfen. Dr. w. Warsta

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/310>, abgerufen am 26.06.2024.