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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Rmserpaares

Monarchie aufrecht erhalten werden könne, oder ob er die Sisyphusarbeit auf¬
geben solle? Da war es die sogenannte Kriegspartei, die ihm unter offenbarer
Vorspiegelung falscher Tatsachen den Rat gab, es noch einmal auf die Ent¬
scheidung der Waffen ankommen zu lassen. Das war ein schlimmer Rat. A"
der Spitze von knapp zweitausend Mann stieß Maximilian zu der in Quereto.ro
schwer bedrängten Armee seines getreuen Generals Miramon. Der Rest ist
bekannt: Die Einschließung Oueretaros durch den General Escobedo (seiner grotesk
abstehenden enormen Ohren wegen allgemein "Orejon" genannt), der Verrat des
Obersten Lopez, die Waffenstreckung der Kaiserlichen, Maximilians Gefangennahme,
sein Prozeß, seine Verurteilung zum Tode durch Pulver und Blei und seine Hin¬
richtung inmitten der beiden Generäle Mirman und Mejia am 19. Juni 1867.

Eins ist sicher: bei dem Beschlusse derAusführung des wahnwitzigenZuges nach
Oueretaro war Fischer nicht maßgebend gewesen. Er hatte überhaupt schon vorher
aufgehört, einen bestimmenden Einfluß auf die Beschlüsse des Kaisers auszuüben.

Bezeichnend ist hierfür übrigens auch ein Kodizill, das Maximilian wenige
Tage vor dem Standgerichte von Oueretaro seinem früheren Testamente hinzu¬
fügen ließ: Während er nämlich in diesen: bestimmt hatte, daß Cura Fischer
und der Prinz von Joinville die offizielle Geschichte des Kaiserreichs in Mexiko
schreiben sollten, stieß er diese Bestimmung wieder um und betraute mit dieser
Aufgabe den Exminister Ramirez und den Prinzen Salm-Salm.

Als die siegreichen Republikaner in der Hauptstadt eingezogen waren, wurde
Fischer zwar auch mit den übrigen Führern der Kaiserlichen verhaftet und
gefänglich eingezogen, aber bald wieder ohne Prozeß freigelassen.

Man hatte an den drei Opfern auf dem Hügel bei Oueretaro genug!

Später unternahm Fischer dann noch eine Reise nach Wien, um dem Kaiser
Franz Joseph gewisse hinterlassene Schriftstücke seines unglücklichen Bruders zu
überreichen, vielleicht auch, um sich persönlich gegen allerlei Anschwärzungen durch
seine zahlreichen Widersacher zu verteidigen. Allein er kehrte schon sehr bald enttäuscht
uach Mexiko zurück. Nach der einen Lesart war er sehr ungnädig vom Kaiser Franz
Joseph empfangen worden, nach der anderen . . . überhaupt gar nicht!

Nach Parras zurück ging er nicht wieder, aber seine alte Freundin
siedelte nunmehr nach der Hauptstadt über. Er war ja nun keine offizielle
Persönlichkeit mehr, und die bisherigen Rücksichten auf den Hof mit seinem
Klatsch fielen fort. Er gründete eine katholische Lehranstalt, welcher er noch eine
Reihe von Jahren mit Geschick und großer Würde vorstand.

Vor etwa zwanzig Jahren ist er gestorben. Es hieß, daß zehn Jahre
nach seinem Tode seine hinterlassenen Denkwürdigkeiten herausgegeben werden
sollten. Schade, daß das nicht geschehen ist. Diese Memoiren wären -- voraus¬
gesetzt natürlich, daß der Verfasser völlig aufrichtig verfahren wäre -- etwas
für Feinschmecker gewesen.




Der Beichtvater eines Rmserpaares

Monarchie aufrecht erhalten werden könne, oder ob er die Sisyphusarbeit auf¬
geben solle? Da war es die sogenannte Kriegspartei, die ihm unter offenbarer
Vorspiegelung falscher Tatsachen den Rat gab, es noch einmal auf die Ent¬
scheidung der Waffen ankommen zu lassen. Das war ein schlimmer Rat. A«
der Spitze von knapp zweitausend Mann stieß Maximilian zu der in Quereto.ro
schwer bedrängten Armee seines getreuen Generals Miramon. Der Rest ist
bekannt: Die Einschließung Oueretaros durch den General Escobedo (seiner grotesk
abstehenden enormen Ohren wegen allgemein „Orejon" genannt), der Verrat des
Obersten Lopez, die Waffenstreckung der Kaiserlichen, Maximilians Gefangennahme,
sein Prozeß, seine Verurteilung zum Tode durch Pulver und Blei und seine Hin¬
richtung inmitten der beiden Generäle Mirman und Mejia am 19. Juni 1867.

Eins ist sicher: bei dem Beschlusse derAusführung des wahnwitzigenZuges nach
Oueretaro war Fischer nicht maßgebend gewesen. Er hatte überhaupt schon vorher
aufgehört, einen bestimmenden Einfluß auf die Beschlüsse des Kaisers auszuüben.

Bezeichnend ist hierfür übrigens auch ein Kodizill, das Maximilian wenige
Tage vor dem Standgerichte von Oueretaro seinem früheren Testamente hinzu¬
fügen ließ: Während er nämlich in diesen: bestimmt hatte, daß Cura Fischer
und der Prinz von Joinville die offizielle Geschichte des Kaiserreichs in Mexiko
schreiben sollten, stieß er diese Bestimmung wieder um und betraute mit dieser
Aufgabe den Exminister Ramirez und den Prinzen Salm-Salm.

Als die siegreichen Republikaner in der Hauptstadt eingezogen waren, wurde
Fischer zwar auch mit den übrigen Führern der Kaiserlichen verhaftet und
gefänglich eingezogen, aber bald wieder ohne Prozeß freigelassen.

Man hatte an den drei Opfern auf dem Hügel bei Oueretaro genug!

Später unternahm Fischer dann noch eine Reise nach Wien, um dem Kaiser
Franz Joseph gewisse hinterlassene Schriftstücke seines unglücklichen Bruders zu
überreichen, vielleicht auch, um sich persönlich gegen allerlei Anschwärzungen durch
seine zahlreichen Widersacher zu verteidigen. Allein er kehrte schon sehr bald enttäuscht
uach Mexiko zurück. Nach der einen Lesart war er sehr ungnädig vom Kaiser Franz
Joseph empfangen worden, nach der anderen . . . überhaupt gar nicht!

Nach Parras zurück ging er nicht wieder, aber seine alte Freundin
siedelte nunmehr nach der Hauptstadt über. Er war ja nun keine offizielle
Persönlichkeit mehr, und die bisherigen Rücksichten auf den Hof mit seinem
Klatsch fielen fort. Er gründete eine katholische Lehranstalt, welcher er noch eine
Reihe von Jahren mit Geschick und großer Würde vorstand.

Vor etwa zwanzig Jahren ist er gestorben. Es hieß, daß zehn Jahre
nach seinem Tode seine hinterlassenen Denkwürdigkeiten herausgegeben werden
sollten. Schade, daß das nicht geschehen ist. Diese Memoiren wären — voraus¬
gesetzt natürlich, daß der Verfasser völlig aufrichtig verfahren wäre — etwas
für Feinschmecker gewesen.




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[0090] Der Beichtvater eines Rmserpaares Monarchie aufrecht erhalten werden könne, oder ob er die Sisyphusarbeit auf¬ geben solle? Da war es die sogenannte Kriegspartei, die ihm unter offenbarer Vorspiegelung falscher Tatsachen den Rat gab, es noch einmal auf die Ent¬ scheidung der Waffen ankommen zu lassen. Das war ein schlimmer Rat. A« der Spitze von knapp zweitausend Mann stieß Maximilian zu der in Quereto.ro schwer bedrängten Armee seines getreuen Generals Miramon. Der Rest ist bekannt: Die Einschließung Oueretaros durch den General Escobedo (seiner grotesk abstehenden enormen Ohren wegen allgemein „Orejon" genannt), der Verrat des Obersten Lopez, die Waffenstreckung der Kaiserlichen, Maximilians Gefangennahme, sein Prozeß, seine Verurteilung zum Tode durch Pulver und Blei und seine Hin¬ richtung inmitten der beiden Generäle Mirman und Mejia am 19. Juni 1867. Eins ist sicher: bei dem Beschlusse derAusführung des wahnwitzigenZuges nach Oueretaro war Fischer nicht maßgebend gewesen. Er hatte überhaupt schon vorher aufgehört, einen bestimmenden Einfluß auf die Beschlüsse des Kaisers auszuüben. Bezeichnend ist hierfür übrigens auch ein Kodizill, das Maximilian wenige Tage vor dem Standgerichte von Oueretaro seinem früheren Testamente hinzu¬ fügen ließ: Während er nämlich in diesen: bestimmt hatte, daß Cura Fischer und der Prinz von Joinville die offizielle Geschichte des Kaiserreichs in Mexiko schreiben sollten, stieß er diese Bestimmung wieder um und betraute mit dieser Aufgabe den Exminister Ramirez und den Prinzen Salm-Salm. Als die siegreichen Republikaner in der Hauptstadt eingezogen waren, wurde Fischer zwar auch mit den übrigen Führern der Kaiserlichen verhaftet und gefänglich eingezogen, aber bald wieder ohne Prozeß freigelassen. Man hatte an den drei Opfern auf dem Hügel bei Oueretaro genug! Später unternahm Fischer dann noch eine Reise nach Wien, um dem Kaiser Franz Joseph gewisse hinterlassene Schriftstücke seines unglücklichen Bruders zu überreichen, vielleicht auch, um sich persönlich gegen allerlei Anschwärzungen durch seine zahlreichen Widersacher zu verteidigen. Allein er kehrte schon sehr bald enttäuscht uach Mexiko zurück. Nach der einen Lesart war er sehr ungnädig vom Kaiser Franz Joseph empfangen worden, nach der anderen . . . überhaupt gar nicht! Nach Parras zurück ging er nicht wieder, aber seine alte Freundin siedelte nunmehr nach der Hauptstadt über. Er war ja nun keine offizielle Persönlichkeit mehr, und die bisherigen Rücksichten auf den Hof mit seinem Klatsch fielen fort. Er gründete eine katholische Lehranstalt, welcher er noch eine Reihe von Jahren mit Geschick und großer Würde vorstand. Vor etwa zwanzig Jahren ist er gestorben. Es hieß, daß zehn Jahre nach seinem Tode seine hinterlassenen Denkwürdigkeiten herausgegeben werden sollten. Schade, daß das nicht geschehen ist. Diese Memoiren wären — voraus¬ gesetzt natürlich, daß der Verfasser völlig aufrichtig verfahren wäre — etwas für Feinschmecker gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/90>, abgerufen am 29.12.2024.