Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspiegel

Togo und Nostjestwenski haben ihre Panzerkreuzer als ebenbürtige Kampfgenossen
in die Formation ihrer Linienschiffe eingereiht. Churchill will das Verhältnis
10:16 nur auf Linienschiffe, nicht auf Großkampfschiffe angewendet wissen.

An sich wäre ein Verhältnis 10:16 für alle Schiffe sür uns diskutabel.
Der deutsche Standpunkt, wie ihn die öffentliche Meinung vertritt, ist 3:2,
bisher verlangte England 2 :1.

Heute fordern für Linienschiffe

Es ist also nur eine Differenz von V24, das würde jeder Verständige in
Deutschland opfern, wenn damit Ruhe, Friede und Verständigung erkauft würden,
obwohl England damit immerhin 20 Prozent der Differenz der Auffassungen
bekäme").

Es ließe sich also über den Churchillschen Vorschlag reden, wenn ihn nicht
vier Klauseln von vornherein illusorisch machten:

1. Churchill will England nur auf fünf Jahre gebunden wissen. Gerade
während der nächsten fünf Jahre aber ist die Situation für England infolge
der zahlreichen, ihm zur Verfügung stehenden Praedreadnoughts sehr viel
günstiger. Was aber wird nach Ablauf der fünf Jahre?

2. "Wir können", meint Churchill, "allerdings nicht nur auf Deutschlands
Bautempo Rücksicht nehmen, sondern müssen auch bis zu einem gewissen Grade
die Neubauten anderer Mächte in Betracht ziehen." Der Satz bedarf keines
Kommentars.

3. Die von Churchill angekündigte Neuorganisation der englischen Flotten,
die die Seestreitkräfte näher an die Nordsee heranschiebt, steht drei Flotten vor.
Von diesen wird die erste Flotte aus einem Flottenflaggschiff und vier Geschwadern
zu je 8 Schiffen bestehen. Das sind 33 Linienschiffe, die alle voll in Dienst
sind. Die zweite Flotte wird sich aus zwei Geschwadern von je 8 Schiffen
zusammensetzen, die gleichfalls zur Mobilmachung keiner Reserven bedürfen. Die
Hälfte der Mannschaft ist an Bord, die andere Hälfte auf Schulen, Kursen usw.
Die dritte, gleichfalls aus zwei Geschwadern zu je 8 Schiffen bestehende Flotte
ist mit reduzierter Besatzung in Dienst, muß also im Mobilmachungsfall erst
durch Reservisten auf den vollen Etat gebracht werden. Die drei Flotten setzen
sich demnach aus 65 Linienschiffen zusammen. In seiner Rede stellt Churchill



") 20 :10 (England) und 1V : 10 (Deutschland), Differenz von 20 und 15 5. 15 :10 (Deutschland) und 16 :10 (Churchill für Linienschiffe), Differenz von 10 und
15 1. 1 ist 20 Prozent von 5, also von der ursprünglichen Differenz der Auffassungen.
Reichsspiegel

Togo und Nostjestwenski haben ihre Panzerkreuzer als ebenbürtige Kampfgenossen
in die Formation ihrer Linienschiffe eingereiht. Churchill will das Verhältnis
10:16 nur auf Linienschiffe, nicht auf Großkampfschiffe angewendet wissen.

An sich wäre ein Verhältnis 10:16 für alle Schiffe sür uns diskutabel.
Der deutsche Standpunkt, wie ihn die öffentliche Meinung vertritt, ist 3:2,
bisher verlangte England 2 :1.

Heute fordern für Linienschiffe

Es ist also nur eine Differenz von V24, das würde jeder Verständige in
Deutschland opfern, wenn damit Ruhe, Friede und Verständigung erkauft würden,
obwohl England damit immerhin 20 Prozent der Differenz der Auffassungen
bekäme").

Es ließe sich also über den Churchillschen Vorschlag reden, wenn ihn nicht
vier Klauseln von vornherein illusorisch machten:

1. Churchill will England nur auf fünf Jahre gebunden wissen. Gerade
während der nächsten fünf Jahre aber ist die Situation für England infolge
der zahlreichen, ihm zur Verfügung stehenden Praedreadnoughts sehr viel
günstiger. Was aber wird nach Ablauf der fünf Jahre?

2. „Wir können", meint Churchill, „allerdings nicht nur auf Deutschlands
Bautempo Rücksicht nehmen, sondern müssen auch bis zu einem gewissen Grade
die Neubauten anderer Mächte in Betracht ziehen." Der Satz bedarf keines
Kommentars.

3. Die von Churchill angekündigte Neuorganisation der englischen Flotten,
die die Seestreitkräfte näher an die Nordsee heranschiebt, steht drei Flotten vor.
Von diesen wird die erste Flotte aus einem Flottenflaggschiff und vier Geschwadern
zu je 8 Schiffen bestehen. Das sind 33 Linienschiffe, die alle voll in Dienst
sind. Die zweite Flotte wird sich aus zwei Geschwadern von je 8 Schiffen
zusammensetzen, die gleichfalls zur Mobilmachung keiner Reserven bedürfen. Die
Hälfte der Mannschaft ist an Bord, die andere Hälfte auf Schulen, Kursen usw.
Die dritte, gleichfalls aus zwei Geschwadern zu je 8 Schiffen bestehende Flotte
ist mit reduzierter Besatzung in Dienst, muß also im Mobilmachungsfall erst
durch Reservisten auf den vollen Etat gebracht werden. Die drei Flotten setzen
sich demnach aus 65 Linienschiffen zusammen. In seiner Rede stellt Churchill



") 20 :10 (England) und 1V : 10 (Deutschland), Differenz von 20 und 15 5. 15 :10 (Deutschland) und 16 :10 (Churchill für Linienschiffe), Differenz von 10 und
15 1. 1 ist 20 Prozent von 5, also von der ursprünglichen Differenz der Auffassungen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0657" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321074"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3046" prev="#ID_3045"> Togo und Nostjestwenski haben ihre Panzerkreuzer als ebenbürtige Kampfgenossen<lb/>
in die Formation ihrer Linienschiffe eingereiht. Churchill will das Verhältnis<lb/>
10:16 nur auf Linienschiffe, nicht auf Großkampfschiffe angewendet wissen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3047"> An sich wäre ein Verhältnis 10:16 für alle Schiffe sür uns diskutabel.<lb/>
Der deutsche Standpunkt, wie ihn die öffentliche Meinung vertritt, ist 3:2,<lb/>
bisher verlangte England 2 :1.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3048"> Heute fordern für Linienschiffe</p><lb/>
            <p>
              <formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_320416/figures/grenzboten_341895_320416_321074_005.jpg"> Churchill ^--^</formula>
            </p><lb/>
            <p>
              <formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_320416/figures/grenzboten_341895_320416_321074_006.jpg"> 2 15</formula>
            </p><lb/>
            <p xml:id="ID_3049"> Es ist also nur eine Differenz von V24, das würde jeder Verständige in<lb/>
Deutschland opfern, wenn damit Ruhe, Friede und Verständigung erkauft würden,<lb/>
obwohl England damit immerhin 20 Prozent der Differenz der Auffassungen<lb/>
bekäme").</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3050"> Es ließe sich also über den Churchillschen Vorschlag reden, wenn ihn nicht<lb/>
vier Klauseln von vornherein illusorisch machten:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3051"> 1. Churchill will England nur auf fünf Jahre gebunden wissen. Gerade<lb/>
während der nächsten fünf Jahre aber ist die Situation für England infolge<lb/>
der zahlreichen, ihm zur Verfügung stehenden Praedreadnoughts sehr viel<lb/>
günstiger.  Was aber wird nach Ablauf der fünf Jahre?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3052"> 2. &#x201E;Wir können", meint Churchill, &#x201E;allerdings nicht nur auf Deutschlands<lb/>
Bautempo Rücksicht nehmen, sondern müssen auch bis zu einem gewissen Grade<lb/>
die Neubauten anderer Mächte in Betracht ziehen." Der Satz bedarf keines<lb/>
Kommentars.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3053"> 3. Die von Churchill angekündigte Neuorganisation der englischen Flotten,<lb/>
die die Seestreitkräfte näher an die Nordsee heranschiebt, steht drei Flotten vor.<lb/>
Von diesen wird die erste Flotte aus einem Flottenflaggschiff und vier Geschwadern<lb/>
zu je 8 Schiffen bestehen. Das sind 33 Linienschiffe, die alle voll in Dienst<lb/>
sind. Die zweite Flotte wird sich aus zwei Geschwadern von je 8 Schiffen<lb/>
zusammensetzen, die gleichfalls zur Mobilmachung keiner Reserven bedürfen. Die<lb/>
Hälfte der Mannschaft ist an Bord, die andere Hälfte auf Schulen, Kursen usw.<lb/>
Die dritte, gleichfalls aus zwei Geschwadern zu je 8 Schiffen bestehende Flotte<lb/>
ist mit reduzierter Besatzung in Dienst, muß also im Mobilmachungsfall erst<lb/>
durch Reservisten auf den vollen Etat gebracht werden. Die drei Flotten setzen<lb/>
sich demnach aus 65 Linienschiffen zusammen. In seiner Rede stellt Churchill</p><lb/>
            <note xml:id="FID_69" place="foot">
              <p xml:id="ID_3054"> ") 20 :10 (England) und 1V : 10 (Deutschland), Differenz von 20 und 15 5.</p>
              <p xml:id="ID_3055"> 15 :10 (Deutschland) und 16 :10 (Churchill für Linienschiffe), Differenz von 10 und<lb/>
15 1.</p>
              <p xml:id="ID_3056" next="#ID_3057"> 1 ist 20 Prozent von 5, also von der ursprünglichen Differenz der Auffassungen.</p>
            </note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0657] Reichsspiegel Togo und Nostjestwenski haben ihre Panzerkreuzer als ebenbürtige Kampfgenossen in die Formation ihrer Linienschiffe eingereiht. Churchill will das Verhältnis 10:16 nur auf Linienschiffe, nicht auf Großkampfschiffe angewendet wissen. An sich wäre ein Verhältnis 10:16 für alle Schiffe sür uns diskutabel. Der deutsche Standpunkt, wie ihn die öffentliche Meinung vertritt, ist 3:2, bisher verlangte England 2 :1. Heute fordern für Linienschiffe [FORMEL] [FORMEL] Es ist also nur eine Differenz von V24, das würde jeder Verständige in Deutschland opfern, wenn damit Ruhe, Friede und Verständigung erkauft würden, obwohl England damit immerhin 20 Prozent der Differenz der Auffassungen bekäme"). Es ließe sich also über den Churchillschen Vorschlag reden, wenn ihn nicht vier Klauseln von vornherein illusorisch machten: 1. Churchill will England nur auf fünf Jahre gebunden wissen. Gerade während der nächsten fünf Jahre aber ist die Situation für England infolge der zahlreichen, ihm zur Verfügung stehenden Praedreadnoughts sehr viel günstiger. Was aber wird nach Ablauf der fünf Jahre? 2. „Wir können", meint Churchill, „allerdings nicht nur auf Deutschlands Bautempo Rücksicht nehmen, sondern müssen auch bis zu einem gewissen Grade die Neubauten anderer Mächte in Betracht ziehen." Der Satz bedarf keines Kommentars. 3. Die von Churchill angekündigte Neuorganisation der englischen Flotten, die die Seestreitkräfte näher an die Nordsee heranschiebt, steht drei Flotten vor. Von diesen wird die erste Flotte aus einem Flottenflaggschiff und vier Geschwadern zu je 8 Schiffen bestehen. Das sind 33 Linienschiffe, die alle voll in Dienst sind. Die zweite Flotte wird sich aus zwei Geschwadern von je 8 Schiffen zusammensetzen, die gleichfalls zur Mobilmachung keiner Reserven bedürfen. Die Hälfte der Mannschaft ist an Bord, die andere Hälfte auf Schulen, Kursen usw. Die dritte, gleichfalls aus zwei Geschwadern zu je 8 Schiffen bestehende Flotte ist mit reduzierter Besatzung in Dienst, muß also im Mobilmachungsfall erst durch Reservisten auf den vollen Etat gebracht werden. Die drei Flotten setzen sich demnach aus 65 Linienschiffen zusammen. In seiner Rede stellt Churchill ") 20 :10 (England) und 1V : 10 (Deutschland), Differenz von 20 und 15 5. 15 :10 (Deutschland) und 16 :10 (Churchill für Linienschiffe), Differenz von 10 und 15 1. 1 ist 20 Prozent von 5, also von der ursprünglichen Differenz der Auffassungen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/657
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/657>, abgerufen am 20.10.2024.