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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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an mehr Abenden als wie bisher tätig zu
sein. In den kleinen Städten besonders sind
die Mitglieder der Jünglingsvereine bor¬
wiegend in einer dienenden Stellung (Lehr¬
linge, Gesellen, Konimis, Schreiber), allgemein
"Angestellte". Führende Stellungen erfordern
Vorarbeit fast zu jeder Versammlung. Wo
soll dazu die Zeit herkommen bei diesen
jungen Leuten? Außerdem ist es jedem nötig,
der in irgendeiner Form in diesen Jahren
in den: Stadium des Lernens sich befindet,
daß er sich konzentriert, denn zur Zerfahren¬
heit neigt der Mensch in jenen Jahren
sowieso. Doppelte Tätigkeit muß da Schä¬
digungen in der Ausbildung notwendig nach
sich ziehen.

Professor Schurig meint weiter, der Grund
dafür, daß die kirchlichen Jugendorganisationen
sich von der nationalen Jugendbewegung
abschlossen, könne nur der sein, daß sie das
kirchliche Prinzip immer nur als das absolut
primäre betrachteten.


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maßen polnisch neutral bleiben wollen, die
denkbar ungünstigste, da es zurzeit nur
Machtfragen gibt und jedes ideal gerichtete
Streben schließlich unter dem Druck der
Verhältnisse doch zu einem politischen Zwecke
umgebogen wird. "So mancher zog wie ein
Held auf die Wahrheit aus und erbeutete sich
eine kleine geputzte Lüge."

Im Hinblick darauf, daß noch keiner weiß,
wie sich die Jugendpflege entwickeln wird, und
die Wahrscheinlichkeit recht groß ist, daß sie
am letzten Ende unter der Protektion der
Behörden doch nur als Vorstufe wirken wird,
um im Juteresse bestimmter Parteien die
Jugend zu beeinflussen, kann ich nur dafür
stimmen, daß zurzeit noch die christlichen
Jünglingsvereine und verwandte kirchliche
Organisationen sich zu dieser Jugendpflege
abwartend Verhalten. Möglich, daß die Ent¬
wicklung der Jugendpflege meine Befürchtungen
zunichte macht; dann ist es um so besser für
die nationale Jugendpflege, und auch für die
kirchlichen Organisationen noch immer Zeit,
ihre Stellung zu der nationalen Jugendpflege
zu revidieren.

Vor allem aber möchte ich fragen, ob
denn wirklich neue Vereine nötig sind? Wir
haben besonders in größeren Städten so viel
wohlgemeinte Vereine für die Jugend, z. B.
Turnvereine, Nudervereine, Schwimmvereine,
Wandcrvereine, Jünglingsvereine und der^
gleichen mehr, daß neue Gründungen nur
verbitterud wirken können, zumal doch auch
viele dieser Vereine schwer um ihre Existenz
ringen und viel Arbeit, Mühe und Geld
seitens der jungen Leute verwandt ist, ihre
Vereine lebensfähig zu erhalten. Wozu da
Neugründungen? Wenn man jetzt Mittel für
die Zwecke der nationalen Jugendpflege
bewilligen will, warum will man dann nicht
diese Mittel verwenden, um das Alte zu
stützen und z" fördern? Ich bin davon
überzeugt, daß alle diese Vereinigungen gerne
bereit sein werden, sich in nationalem Sinne
beeinflußen zu lassen, wenn man ihnen den
Kampf ums Dasein erleichtert, anstatt durch
Neugründungen ihnen das Leben zu verbittern.

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Unternehmungen, die als "national einigr




Maßgebliches und Unmaßgebliches

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an mehr Abenden als wie bisher tätig zu
sein. In den kleinen Städten besonders sind
die Mitglieder der Jünglingsvereine bor¬
wiegend in einer dienenden Stellung (Lehr¬
linge, Gesellen, Konimis, Schreiber), allgemein
„Angestellte". Führende Stellungen erfordern
Vorarbeit fast zu jeder Versammlung. Wo
soll dazu die Zeit herkommen bei diesen
jungen Leuten? Außerdem ist es jedem nötig,
der in irgendeiner Form in diesen Jahren
in den: Stadium des Lernens sich befindet,
daß er sich konzentriert, denn zur Zerfahren¬
heit neigt der Mensch in jenen Jahren
sowieso. Doppelte Tätigkeit muß da Schä¬
digungen in der Ausbildung notwendig nach
sich ziehen.

Professor Schurig meint weiter, der Grund
dafür, daß die kirchlichen Jugendorganisationen
sich von der nationalen Jugendbewegung
abschlossen, könne nur der sein, daß sie das
kirchliche Prinzip immer nur als das absolut
primäre betrachteten.


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maßen polnisch neutral bleiben wollen, die
denkbar ungünstigste, da es zurzeit nur
Machtfragen gibt und jedes ideal gerichtete
Streben schließlich unter dem Druck der
Verhältnisse doch zu einem politischen Zwecke
umgebogen wird. „So mancher zog wie ein
Held auf die Wahrheit aus und erbeutete sich
eine kleine geputzte Lüge."

Im Hinblick darauf, daß noch keiner weiß,
wie sich die Jugendpflege entwickeln wird, und
die Wahrscheinlichkeit recht groß ist, daß sie
am letzten Ende unter der Protektion der
Behörden doch nur als Vorstufe wirken wird,
um im Juteresse bestimmter Parteien die
Jugend zu beeinflussen, kann ich nur dafür
stimmen, daß zurzeit noch die christlichen
Jünglingsvereine und verwandte kirchliche
Organisationen sich zu dieser Jugendpflege
abwartend Verhalten. Möglich, daß die Ent¬
wicklung der Jugendpflege meine Befürchtungen
zunichte macht; dann ist es um so besser für
die nationale Jugendpflege, und auch für die
kirchlichen Organisationen noch immer Zeit,
ihre Stellung zu der nationalen Jugendpflege
zu revidieren.

Vor allem aber möchte ich fragen, ob
denn wirklich neue Vereine nötig sind? Wir
haben besonders in größeren Städten so viel
wohlgemeinte Vereine für die Jugend, z. B.
Turnvereine, Nudervereine, Schwimmvereine,
Wandcrvereine, Jünglingsvereine und der^
gleichen mehr, daß neue Gründungen nur
verbitterud wirken können, zumal doch auch
viele dieser Vereine schwer um ihre Existenz
ringen und viel Arbeit, Mühe und Geld
seitens der jungen Leute verwandt ist, ihre
Vereine lebensfähig zu erhalten. Wozu da
Neugründungen? Wenn man jetzt Mittel für
die Zwecke der nationalen Jugendpflege
bewilligen will, warum will man dann nicht
diese Mittel verwenden, um das Alte zu
stützen und z» fördern? Ich bin davon
überzeugt, daß alle diese Vereinigungen gerne
bereit sein werden, sich in nationalem Sinne
beeinflußen zu lassen, wenn man ihnen den
Kampf ums Dasein erleichtert, anstatt durch
Neugründungen ihnen das Leben zu verbittern.

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Unternehmungen, die als „national einigr




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[0647] Maßgebliches und Unmaßgebliches an mehr Abenden als wie bisher tätig zu sein. In den kleinen Städten besonders sind die Mitglieder der Jünglingsvereine bor¬ wiegend in einer dienenden Stellung (Lehr¬ linge, Gesellen, Konimis, Schreiber), allgemein „Angestellte". Führende Stellungen erfordern Vorarbeit fast zu jeder Versammlung. Wo soll dazu die Zeit herkommen bei diesen jungen Leuten? Außerdem ist es jedem nötig, der in irgendeiner Form in diesen Jahren in den: Stadium des Lernens sich befindet, daß er sich konzentriert, denn zur Zerfahren¬ heit neigt der Mensch in jenen Jahren sowieso. Doppelte Tätigkeit muß da Schä¬ digungen in der Ausbildung notwendig nach sich ziehen. Professor Schurig meint weiter, der Grund dafür, daß die kirchlichen Jugendorganisationen sich von der nationalen Jugendbewegung abschlossen, könne nur der sein, daß sie das kirchliche Prinzip immer nur als das absolut primäre betrachteten. maßen polnisch neutral bleiben wollen, die denkbar ungünstigste, da es zurzeit nur Machtfragen gibt und jedes ideal gerichtete Streben schließlich unter dem Druck der Verhältnisse doch zu einem politischen Zwecke umgebogen wird. „So mancher zog wie ein Held auf die Wahrheit aus und erbeutete sich eine kleine geputzte Lüge." Im Hinblick darauf, daß noch keiner weiß, wie sich die Jugendpflege entwickeln wird, und die Wahrscheinlichkeit recht groß ist, daß sie am letzten Ende unter der Protektion der Behörden doch nur als Vorstufe wirken wird, um im Juteresse bestimmter Parteien die Jugend zu beeinflussen, kann ich nur dafür stimmen, daß zurzeit noch die christlichen Jünglingsvereine und verwandte kirchliche Organisationen sich zu dieser Jugendpflege abwartend Verhalten. Möglich, daß die Ent¬ wicklung der Jugendpflege meine Befürchtungen zunichte macht; dann ist es um so besser für die nationale Jugendpflege, und auch für die kirchlichen Organisationen noch immer Zeit, ihre Stellung zu der nationalen Jugendpflege zu revidieren. Vor allem aber möchte ich fragen, ob denn wirklich neue Vereine nötig sind? Wir haben besonders in größeren Städten so viel wohlgemeinte Vereine für die Jugend, z. B. Turnvereine, Nudervereine, Schwimmvereine, Wandcrvereine, Jünglingsvereine und der^ gleichen mehr, daß neue Gründungen nur verbitterud wirken können, zumal doch auch viele dieser Vereine schwer um ihre Existenz ringen und viel Arbeit, Mühe und Geld seitens der jungen Leute verwandt ist, ihre Vereine lebensfähig zu erhalten. Wozu da Neugründungen? Wenn man jetzt Mittel für die Zwecke der nationalen Jugendpflege bewilligen will, warum will man dann nicht diese Mittel verwenden, um das Alte zu stützen und z» fördern? Ich bin davon überzeugt, daß alle diese Vereinigungen gerne bereit sein werden, sich in nationalem Sinne beeinflußen zu lassen, wenn man ihnen den Kampf ums Dasein erleichtert, anstatt durch Neugründungen ihnen das Leben zu verbittern. ?. Rcetz Unternehmungen, die als „national einigr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/647>, abgerufen am 27.09.2024.