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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Daß die Kaiserin Augusta während des Kulturkampfes zu Bismarcks
Gegnern zählte, hatte nicht uur seinen Grund in ihrer persönlichen und politischen
Abneigung gegen Bismarck, sondern vor allem in der Vorliebe für die katholische
Kirche und ihre Würdenträger, die im letzten Grunde nach Bismarcks Meinung
durch den Gedanken beeinflußt war: evangelisch ist jeder dumme Junge;
katholisch ist viel vornehmer.

Viel deutlicher als der Gegensatz der Königin Augusta zu Bismarck trat
die Opposition des Kronprinzen zutage.

Imi September 1855 hatte sich Prinz Friedrich Wilhelm auf der schottischen
Heide in romantischer Weise mit der fünfzehnjährigen Prinzessin Viktoria von
England verlobt. Es war nach der Zeit des Krimkrieges. Die Empörung in
England über Preußen war groß; denn Friedrich Wilhelm der Vierte hatte
sich nicht bestimmen lassen, für die Engländer die Kastanien aus dem Feuer zu
holen und Rußland in Polen anzugreifen, wodurch die englische Kraftentfaltung
auf der Krim unnötig geworden wäre. Darum hatte auch die Times für das
geplante Ehebündnis nur beispiellos schnöde Äußerungen übrig. Die Hohenzollern
wurden als die klägliche deutsche Dynastie bezeichnet, die den Sturz des russischen
Einflusses nicht überleben würde. Von dem jungen Prinzen ward behauptet,
daß er als Vasall Rußlands in unterwürfiger Dienstbarkeit dem Lever seines
kaiserlichen Herrn beiwohnen müsse.

Als zwei Jahre ins Land gegangen waren, hatte sich die Stimmung
in England gründlich geändert. Man glaubte Grund zu der Annahme
zu haben, daß der bisherige französische Bundesgenosse sich Rußland
näherte; und da England stets die Bajonette wenigstens einer fest¬
ländischen Großmacht braucht, lag der Gedanke nahe, Preußen, wo wegen der
Krankheit des Königs die Thronbesteigung Wilhelms, des Freundes des Prinz¬
gemahls von England, in naher Aussicht stand, als englischen Bundesgenossen
zu gewinnen und das Ehebündnis der Familien zu einen: politischen Bündnis
der Völker zu erweitern. Der Gedanke fand in beiden Familien lebhaften
Widerhall, besonders bei der damaligen Prinzessin Augusta auf der einen, dem
Prinzgemahl Albert auf der anderen Seite. Die Prinzessin Augusta schrieb
damals: "Gott segne diese Verbindung für die geliebten Kinder, für unsere
Familie und für das arme deutsche Vaterland, das sich naturgemäß nur im
Bündnis mit England aus seiner jetzigen Lage erheben kann." Der Prinz¬
gemahl hat bei seiner sympathischen Stellungnahme auch nicht nur an das
englische Interesse gedacht. Der frühere koburgische Prinz, der so oft unter
dem stolzen Hochmut der englischen Lords zu leiden hatte, sah in der Einigung
Deutschlands auf freiheitlicher Grundlage ein erstrebenswertes politisches Ziel;
er hat seinem vertrauten väterlichen Freunde Ernst von Stockmar und seinem
Bruder gegenüber in Briefen und im Gespräch oft dem Gedanken Ausdruck
verliehen, daß dazu in der Verbindung mit England die naturgemäße Voraus¬
setzung liege. Durch Beeinflussung des jugendlichen Prinzen Friedrich Wilhelm


Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Daß die Kaiserin Augusta während des Kulturkampfes zu Bismarcks
Gegnern zählte, hatte nicht uur seinen Grund in ihrer persönlichen und politischen
Abneigung gegen Bismarck, sondern vor allem in der Vorliebe für die katholische
Kirche und ihre Würdenträger, die im letzten Grunde nach Bismarcks Meinung
durch den Gedanken beeinflußt war: evangelisch ist jeder dumme Junge;
katholisch ist viel vornehmer.

Viel deutlicher als der Gegensatz der Königin Augusta zu Bismarck trat
die Opposition des Kronprinzen zutage.

Imi September 1855 hatte sich Prinz Friedrich Wilhelm auf der schottischen
Heide in romantischer Weise mit der fünfzehnjährigen Prinzessin Viktoria von
England verlobt. Es war nach der Zeit des Krimkrieges. Die Empörung in
England über Preußen war groß; denn Friedrich Wilhelm der Vierte hatte
sich nicht bestimmen lassen, für die Engländer die Kastanien aus dem Feuer zu
holen und Rußland in Polen anzugreifen, wodurch die englische Kraftentfaltung
auf der Krim unnötig geworden wäre. Darum hatte auch die Times für das
geplante Ehebündnis nur beispiellos schnöde Äußerungen übrig. Die Hohenzollern
wurden als die klägliche deutsche Dynastie bezeichnet, die den Sturz des russischen
Einflusses nicht überleben würde. Von dem jungen Prinzen ward behauptet,
daß er als Vasall Rußlands in unterwürfiger Dienstbarkeit dem Lever seines
kaiserlichen Herrn beiwohnen müsse.

Als zwei Jahre ins Land gegangen waren, hatte sich die Stimmung
in England gründlich geändert. Man glaubte Grund zu der Annahme
zu haben, daß der bisherige französische Bundesgenosse sich Rußland
näherte; und da England stets die Bajonette wenigstens einer fest¬
ländischen Großmacht braucht, lag der Gedanke nahe, Preußen, wo wegen der
Krankheit des Königs die Thronbesteigung Wilhelms, des Freundes des Prinz¬
gemahls von England, in naher Aussicht stand, als englischen Bundesgenossen
zu gewinnen und das Ehebündnis der Familien zu einen: politischen Bündnis
der Völker zu erweitern. Der Gedanke fand in beiden Familien lebhaften
Widerhall, besonders bei der damaligen Prinzessin Augusta auf der einen, dem
Prinzgemahl Albert auf der anderen Seite. Die Prinzessin Augusta schrieb
damals: „Gott segne diese Verbindung für die geliebten Kinder, für unsere
Familie und für das arme deutsche Vaterland, das sich naturgemäß nur im
Bündnis mit England aus seiner jetzigen Lage erheben kann." Der Prinz¬
gemahl hat bei seiner sympathischen Stellungnahme auch nicht nur an das
englische Interesse gedacht. Der frühere koburgische Prinz, der so oft unter
dem stolzen Hochmut der englischen Lords zu leiden hatte, sah in der Einigung
Deutschlands auf freiheitlicher Grundlage ein erstrebenswertes politisches Ziel;
er hat seinem vertrauten väterlichen Freunde Ernst von Stockmar und seinem
Bruder gegenüber in Briefen und im Gespräch oft dem Gedanken Ausdruck
verliehen, daß dazu in der Verbindung mit England die naturgemäße Voraus¬
setzung liege. Durch Beeinflussung des jugendlichen Prinzen Friedrich Wilhelm


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[0609] Die fürstlichen Gegner Bismarcks Daß die Kaiserin Augusta während des Kulturkampfes zu Bismarcks Gegnern zählte, hatte nicht uur seinen Grund in ihrer persönlichen und politischen Abneigung gegen Bismarck, sondern vor allem in der Vorliebe für die katholische Kirche und ihre Würdenträger, die im letzten Grunde nach Bismarcks Meinung durch den Gedanken beeinflußt war: evangelisch ist jeder dumme Junge; katholisch ist viel vornehmer. Viel deutlicher als der Gegensatz der Königin Augusta zu Bismarck trat die Opposition des Kronprinzen zutage. Imi September 1855 hatte sich Prinz Friedrich Wilhelm auf der schottischen Heide in romantischer Weise mit der fünfzehnjährigen Prinzessin Viktoria von England verlobt. Es war nach der Zeit des Krimkrieges. Die Empörung in England über Preußen war groß; denn Friedrich Wilhelm der Vierte hatte sich nicht bestimmen lassen, für die Engländer die Kastanien aus dem Feuer zu holen und Rußland in Polen anzugreifen, wodurch die englische Kraftentfaltung auf der Krim unnötig geworden wäre. Darum hatte auch die Times für das geplante Ehebündnis nur beispiellos schnöde Äußerungen übrig. Die Hohenzollern wurden als die klägliche deutsche Dynastie bezeichnet, die den Sturz des russischen Einflusses nicht überleben würde. Von dem jungen Prinzen ward behauptet, daß er als Vasall Rußlands in unterwürfiger Dienstbarkeit dem Lever seines kaiserlichen Herrn beiwohnen müsse. Als zwei Jahre ins Land gegangen waren, hatte sich die Stimmung in England gründlich geändert. Man glaubte Grund zu der Annahme zu haben, daß der bisherige französische Bundesgenosse sich Rußland näherte; und da England stets die Bajonette wenigstens einer fest¬ ländischen Großmacht braucht, lag der Gedanke nahe, Preußen, wo wegen der Krankheit des Königs die Thronbesteigung Wilhelms, des Freundes des Prinz¬ gemahls von England, in naher Aussicht stand, als englischen Bundesgenossen zu gewinnen und das Ehebündnis der Familien zu einen: politischen Bündnis der Völker zu erweitern. Der Gedanke fand in beiden Familien lebhaften Widerhall, besonders bei der damaligen Prinzessin Augusta auf der einen, dem Prinzgemahl Albert auf der anderen Seite. Die Prinzessin Augusta schrieb damals: „Gott segne diese Verbindung für die geliebten Kinder, für unsere Familie und für das arme deutsche Vaterland, das sich naturgemäß nur im Bündnis mit England aus seiner jetzigen Lage erheben kann." Der Prinz¬ gemahl hat bei seiner sympathischen Stellungnahme auch nicht nur an das englische Interesse gedacht. Der frühere koburgische Prinz, der so oft unter dem stolzen Hochmut der englischen Lords zu leiden hatte, sah in der Einigung Deutschlands auf freiheitlicher Grundlage ein erstrebenswertes politisches Ziel; er hat seinem vertrauten väterlichen Freunde Ernst von Stockmar und seinem Bruder gegenüber in Briefen und im Gespräch oft dem Gedanken Ausdruck verliehen, daß dazu in der Verbindung mit England die naturgemäße Voraus¬ setzung liege. Durch Beeinflussung des jugendlichen Prinzen Friedrich Wilhelm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/609>, abgerufen am 27.09.2024.