Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Die Bewegung des Panislamisnms bändige Sammelwerk über "Die kaukasischen Gebirgsbewohner", die zweiundvierzig- Um so mehr Beachtung verdient nach L. Jewdokimoff") das Material, das Angesichts der Bedrohung der Einheit und Stärke des Staatswesens und Der Panislamismus ist eine Bewegung auf religiös-politischer Grundlage, *) Wojenny Söornik 12/1911. Namentlich in der Nowoje Wremja, den Otrainy Rossii, den unter geistlicher Leitung
stehenden Zeitungen und periodischen Schriften und in L, Jewdorimoffs Aufsätzen im Invalid 22S/1911 und Wojenny Sbornik 12/1911. Die letztgenannte Quelle ist in den folgenden Ausführungen vorwiegend benutzt. Die Bewegung des Panislamisnms bändige Sammelwerk über „Die kaukasischen Gebirgsbewohner", die zweiundvierzig- Um so mehr Beachtung verdient nach L. Jewdokimoff") das Material, das Angesichts der Bedrohung der Einheit und Stärke des Staatswesens und Der Panislamismus ist eine Bewegung auf religiös-politischer Grundlage, *) Wojenny Söornik 12/1911. Namentlich in der Nowoje Wremja, den Otrainy Rossii, den unter geistlicher Leitung
stehenden Zeitungen und periodischen Schriften und in L, Jewdorimoffs Aufsätzen im Invalid 22S/1911 und Wojenny Sbornik 12/1911. Die letztgenannte Quelle ist in den folgenden Ausführungen vorwiegend benutzt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320879"/> <fw type="header" place="top"> Die Bewegung des Panislamisnms</fw><lb/> <p xml:id="ID_1942" prev="#ID_1941"> bändige Sammelwerk über „Die kaukasischen Gebirgsbewohner", die zweiundvierzig-<lb/> bändige Quellensammlung „Zur Kenntnis der Stämme des Kaukasus", ruhen<lb/> innerhalb der Wände der Bibliotheken und Archive; außerhalb Kaukasiers kennt<lb/> sie kaum jemand. Der frühere Generalgouvemeur des Turkestan, Duchowskoi,<lb/> mußte im Jahre 1898 auf die auffällige Tatsache hinweisen, daß kaum eine Militär¬<lb/> person sich der Mühe unterzieht, die Fremdvölker und ihre Sprachen kennen zu<lb/> lernen. Das ist inzwischen zwar ein wenig besser geworden. In Taschkend selber<lb/> ist zuerst ein Kursus zur Erlernung orientalischer Sprachen beim Oberkommando<lb/> eingerichtet und im vergangenen Herbst zu einer staatlichen Einrichtung wie<lb/> auch in Tiflis, Wladiwostok und Irkutsk ausgestaltet worden. Aber das alles<lb/> dient der Sache doch nur in bescheidenem Umfange.</p><lb/> <p xml:id="ID_1943"> Um so mehr Beachtung verdient nach L. Jewdokimoff") das Material, das<lb/> gründliche Kenner des Islam und der Völkerkunde des heutigen Rußland herbei¬<lb/> geschafft haben, Männer, die als Lehrer mitten in der Bewegung stehen oder als Ver¬<lb/> treter der rechtgläubigen Geistlichkeit in der inneren Mission wirken. Indessen sind<lb/> Schriften, wie die von Professor Maschanoff über „Die heutige Lage der musel-<lb/> wanischen Tataren", von: Rektor der geistlichen Schule in Kasan über „Die Be¬<lb/> wegung unter den russischen Muselmanen", von Tscherewanski „Die Welt des<lb/> Islam und ihr Erwachen", in Petersburg nicht einmal vorrätig. Und so scheint<lb/> das harte Urteil berechtigt, daß heute noch wie im Jahre 1898 nicht nur in<lb/> der Allgemeinheit, sondern auch in regierenden Kreisen das Verständnis für die<lb/> geistigen Regungen der muselmanischen Bevölkerung nicht genügend entwickelt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1944"> Angesichts der Bedrohung der Einheit und Stärke des Staatswesens und<lb/> der Kraft des russischen Staatsgedankens durch die sonstigen völkischen und<lb/> religiösen Bestrebungen im Reiche erachten patriotisch denkende Männer es für<lb/> die höchste Zeit, den russischen Nationalismus aufzurufen gegen die vom Islam<lb/> ausgehende Gefahr. Nachdem aber das Vorgehen der Italiener die Welt des<lb/> Islams in eine weithin brandende Bewegung versetzt hat, dürfte es von Wert<lb/> sein, dem von jenen beigebrachten Material"") Aufmerksamkeit zu schenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1945" next="#ID_1946"> Der Panislamismus ist eine Bewegung auf religiös-politischer Grundlage,<lb/> die heutzutage alle Völker, die sich zum Islam bekennen, ergriffen hat. Der<lb/> innere Kern dieser Bewegung ist nicht nur die Ausbreitung des Islam, sondern<lb/> die Vereinigung aller Muselmanen der Welt unter dem Zepter des Khalifen als<lb/> Oberhauptes der Rechtgläubigen, des türkischen Sultaus, des Padischah. Damit<lb/> hält gleichen Schritt der Pantürkisnms, die Verbreitung des Gedankens der<lb/> Vereinheitlichung der Sprache unter allen muselmanischen Völkern, ihre Beglückung<lb/> mit der türkischen Sprache, Literatur und Kultur, nach VambLry „Das moralische</p><lb/> <note xml:id="FID_46" place="foot"> *) Wojenny Söornik 12/1911.</note><lb/> <note xml:id="FID_47" place="foot"> Namentlich in der Nowoje Wremja, den Otrainy Rossii, den unter geistlicher Leitung<lb/> stehenden Zeitungen und periodischen Schriften und in L, Jewdorimoffs Aufsätzen im Invalid<lb/> 22S/1911 und Wojenny Sbornik 12/1911. Die letztgenannte Quelle ist in den folgenden<lb/> Ausführungen vorwiegend benutzt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Die Bewegung des Panislamisnms
bändige Sammelwerk über „Die kaukasischen Gebirgsbewohner", die zweiundvierzig-
bändige Quellensammlung „Zur Kenntnis der Stämme des Kaukasus", ruhen
innerhalb der Wände der Bibliotheken und Archive; außerhalb Kaukasiers kennt
sie kaum jemand. Der frühere Generalgouvemeur des Turkestan, Duchowskoi,
mußte im Jahre 1898 auf die auffällige Tatsache hinweisen, daß kaum eine Militär¬
person sich der Mühe unterzieht, die Fremdvölker und ihre Sprachen kennen zu
lernen. Das ist inzwischen zwar ein wenig besser geworden. In Taschkend selber
ist zuerst ein Kursus zur Erlernung orientalischer Sprachen beim Oberkommando
eingerichtet und im vergangenen Herbst zu einer staatlichen Einrichtung wie
auch in Tiflis, Wladiwostok und Irkutsk ausgestaltet worden. Aber das alles
dient der Sache doch nur in bescheidenem Umfange.
Um so mehr Beachtung verdient nach L. Jewdokimoff") das Material, das
gründliche Kenner des Islam und der Völkerkunde des heutigen Rußland herbei¬
geschafft haben, Männer, die als Lehrer mitten in der Bewegung stehen oder als Ver¬
treter der rechtgläubigen Geistlichkeit in der inneren Mission wirken. Indessen sind
Schriften, wie die von Professor Maschanoff über „Die heutige Lage der musel-
wanischen Tataren", von: Rektor der geistlichen Schule in Kasan über „Die Be¬
wegung unter den russischen Muselmanen", von Tscherewanski „Die Welt des
Islam und ihr Erwachen", in Petersburg nicht einmal vorrätig. Und so scheint
das harte Urteil berechtigt, daß heute noch wie im Jahre 1898 nicht nur in
der Allgemeinheit, sondern auch in regierenden Kreisen das Verständnis für die
geistigen Regungen der muselmanischen Bevölkerung nicht genügend entwickelt ist.
Angesichts der Bedrohung der Einheit und Stärke des Staatswesens und
der Kraft des russischen Staatsgedankens durch die sonstigen völkischen und
religiösen Bestrebungen im Reiche erachten patriotisch denkende Männer es für
die höchste Zeit, den russischen Nationalismus aufzurufen gegen die vom Islam
ausgehende Gefahr. Nachdem aber das Vorgehen der Italiener die Welt des
Islams in eine weithin brandende Bewegung versetzt hat, dürfte es von Wert
sein, dem von jenen beigebrachten Material"") Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Panislamismus ist eine Bewegung auf religiös-politischer Grundlage,
die heutzutage alle Völker, die sich zum Islam bekennen, ergriffen hat. Der
innere Kern dieser Bewegung ist nicht nur die Ausbreitung des Islam, sondern
die Vereinigung aller Muselmanen der Welt unter dem Zepter des Khalifen als
Oberhauptes der Rechtgläubigen, des türkischen Sultaus, des Padischah. Damit
hält gleichen Schritt der Pantürkisnms, die Verbreitung des Gedankens der
Vereinheitlichung der Sprache unter allen muselmanischen Völkern, ihre Beglückung
mit der türkischen Sprache, Literatur und Kultur, nach VambLry „Das moralische
*) Wojenny Söornik 12/1911.
Namentlich in der Nowoje Wremja, den Otrainy Rossii, den unter geistlicher Leitung
stehenden Zeitungen und periodischen Schriften und in L, Jewdorimoffs Aufsätzen im Invalid
22S/1911 und Wojenny Sbornik 12/1911. Die letztgenannte Quelle ist in den folgenden
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