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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Flugwesen

nicht nur das Flugzeug selbst, sondern es wuchs naturgemäß die Sicherheit seiner
Handhabung. Wer den diesjährigen französischen "Salon" besucht hat, der
konnte sich von einer so blühenden Flugzeugindustrie überzeugen, wie sie in
keinem Lande der Erde anzutreffen ist.

Frankreich ist aber nicht nur den großzügigen Flugzeugindustriellen, sondern
auch der Motorenindustrie Dank schuldig. Weitsichtige Fabrikanten griffen die
Gelegenheit, leichte und dabei leistungsfähige Flugmotoren zu schaffen, auf und
entwickelten dieses Gebiet derart, daß heute in Frankreich Tausende von Arbeitern
ihr Brot durch diese Spezialindustrie verdienen. Die bekannte Motorenfabrik
von Grüne schloß ihr letztes Geschäftsjahr mit 2300000 Franken Reingewinn ab.

Die gewaltigste Unterstützung jedoch erhielt das Flugwesen und speziell die
Flugzeugindustrie in Frankreich durch die Heeresverwaltung, da diese, überzeugt
von ihrer enormen Wichtigkeit, Offiziere und Mannschaften flugtechnisch ausbilden
ließ und Flugzeuge in großem Umfange beschaffte. Bald entstanden auf den
großen Wasserplätzen Frankreichs Aviationszentren, nämlich unter Leitung höherer
Offiziere stehende Fliegerschulen mit zahlreichen verschiedenartigen Flugzeugen
und einer gewissen Anzahl von Lehrern und Schülern. Unter dem General
Rocques, dem Inspekteur des militärischen Fliegerwesens, ist eine Art vierte
Waffe entstanden, die bald über zweihundertvierunddreißig militärische Flug¬
maschinen und dreihundert Offizierflieger verfügen wird. Man geht soeben
daran, die Zahl der Aviationszentren derart zu erhöhen, daß Militärflieger in
allen Teilen des Landes ihr Studium treiben können. Demnächst wird jeder
der zwanzig Korpskommandeure über je eine Fliegersektton verfügen.

Auch die militärische Erziehung der Zivilflieger beginnt man zu organisieren,
um diese im Kriegsfalle ohne weiteres zum Fliegerdienste heranziehen zu können.

Die letzte große Tat zur Förderung des Flugwesens hat die Militär¬
verwaltung durch die Ausschreibung des großen Militär-Flugmaschinen-Bewerbes
getan. Hier war nach gewissen Vorprüfungen ein Fernflug von über 300 Kilo¬
meter mit 300 Kilogramm Belastung ohne Zwischenlandung verlangt. Von
dem ausgesetzten Gesamtpreise von 1,5 Millionen erhielt der Gewinner des
ersten Preises Nieuport insgesamt 800000 Franken.

Wie die Zivilflieger bei den großen Wettbewerben durch hohe Geldpreise
ermutigt wurden, so hat man es in der französischen Armee geschickt verstanden,
die Militärflieger durch Dekorierung und durch Einreihung in die Ehrenlegion
für ihren schweren Beruf in entschädigen und sie anzuspornen.

Wesentlich langsamere Fortschritte macht das französische Marineflugwesen;
erst jetzt richtet man Marineflugfelder in der Nähe von Toulon und Havre ein.
Die Herrichtung des Kreuzers "Foutre" für Abflug und Landung der Flug¬
maschinen an Bord ist nahezu vollendet, und die Versuche mit Wasserflugzeugen
sollen demnächst beginnen. Marineoffiziere sind inzwischen schon lange bei der
Landarmee im Fliegen ausgebildet worden.

(Ein Aufsatz über das deutsche Flugwesen folgt.)




Flugwesen

nicht nur das Flugzeug selbst, sondern es wuchs naturgemäß die Sicherheit seiner
Handhabung. Wer den diesjährigen französischen „Salon" besucht hat, der
konnte sich von einer so blühenden Flugzeugindustrie überzeugen, wie sie in
keinem Lande der Erde anzutreffen ist.

Frankreich ist aber nicht nur den großzügigen Flugzeugindustriellen, sondern
auch der Motorenindustrie Dank schuldig. Weitsichtige Fabrikanten griffen die
Gelegenheit, leichte und dabei leistungsfähige Flugmotoren zu schaffen, auf und
entwickelten dieses Gebiet derart, daß heute in Frankreich Tausende von Arbeitern
ihr Brot durch diese Spezialindustrie verdienen. Die bekannte Motorenfabrik
von Grüne schloß ihr letztes Geschäftsjahr mit 2300000 Franken Reingewinn ab.

Die gewaltigste Unterstützung jedoch erhielt das Flugwesen und speziell die
Flugzeugindustrie in Frankreich durch die Heeresverwaltung, da diese, überzeugt
von ihrer enormen Wichtigkeit, Offiziere und Mannschaften flugtechnisch ausbilden
ließ und Flugzeuge in großem Umfange beschaffte. Bald entstanden auf den
großen Wasserplätzen Frankreichs Aviationszentren, nämlich unter Leitung höherer
Offiziere stehende Fliegerschulen mit zahlreichen verschiedenartigen Flugzeugen
und einer gewissen Anzahl von Lehrern und Schülern. Unter dem General
Rocques, dem Inspekteur des militärischen Fliegerwesens, ist eine Art vierte
Waffe entstanden, die bald über zweihundertvierunddreißig militärische Flug¬
maschinen und dreihundert Offizierflieger verfügen wird. Man geht soeben
daran, die Zahl der Aviationszentren derart zu erhöhen, daß Militärflieger in
allen Teilen des Landes ihr Studium treiben können. Demnächst wird jeder
der zwanzig Korpskommandeure über je eine Fliegersektton verfügen.

Auch die militärische Erziehung der Zivilflieger beginnt man zu organisieren,
um diese im Kriegsfalle ohne weiteres zum Fliegerdienste heranziehen zu können.

Die letzte große Tat zur Förderung des Flugwesens hat die Militär¬
verwaltung durch die Ausschreibung des großen Militär-Flugmaschinen-Bewerbes
getan. Hier war nach gewissen Vorprüfungen ein Fernflug von über 300 Kilo¬
meter mit 300 Kilogramm Belastung ohne Zwischenlandung verlangt. Von
dem ausgesetzten Gesamtpreise von 1,5 Millionen erhielt der Gewinner des
ersten Preises Nieuport insgesamt 800000 Franken.

Wie die Zivilflieger bei den großen Wettbewerben durch hohe Geldpreise
ermutigt wurden, so hat man es in der französischen Armee geschickt verstanden,
die Militärflieger durch Dekorierung und durch Einreihung in die Ehrenlegion
für ihren schweren Beruf in entschädigen und sie anzuspornen.

Wesentlich langsamere Fortschritte macht das französische Marineflugwesen;
erst jetzt richtet man Marineflugfelder in der Nähe von Toulon und Havre ein.
Die Herrichtung des Kreuzers „Foutre" für Abflug und Landung der Flug¬
maschinen an Bord ist nahezu vollendet, und die Versuche mit Wasserflugzeugen
sollen demnächst beginnen. Marineoffiziere sind inzwischen schon lange bei der
Landarmee im Fliegen ausgebildet worden.

(Ein Aufsatz über das deutsche Flugwesen folgt.)




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[0418] Flugwesen nicht nur das Flugzeug selbst, sondern es wuchs naturgemäß die Sicherheit seiner Handhabung. Wer den diesjährigen französischen „Salon" besucht hat, der konnte sich von einer so blühenden Flugzeugindustrie überzeugen, wie sie in keinem Lande der Erde anzutreffen ist. Frankreich ist aber nicht nur den großzügigen Flugzeugindustriellen, sondern auch der Motorenindustrie Dank schuldig. Weitsichtige Fabrikanten griffen die Gelegenheit, leichte und dabei leistungsfähige Flugmotoren zu schaffen, auf und entwickelten dieses Gebiet derart, daß heute in Frankreich Tausende von Arbeitern ihr Brot durch diese Spezialindustrie verdienen. Die bekannte Motorenfabrik von Grüne schloß ihr letztes Geschäftsjahr mit 2300000 Franken Reingewinn ab. Die gewaltigste Unterstützung jedoch erhielt das Flugwesen und speziell die Flugzeugindustrie in Frankreich durch die Heeresverwaltung, da diese, überzeugt von ihrer enormen Wichtigkeit, Offiziere und Mannschaften flugtechnisch ausbilden ließ und Flugzeuge in großem Umfange beschaffte. Bald entstanden auf den großen Wasserplätzen Frankreichs Aviationszentren, nämlich unter Leitung höherer Offiziere stehende Fliegerschulen mit zahlreichen verschiedenartigen Flugzeugen und einer gewissen Anzahl von Lehrern und Schülern. Unter dem General Rocques, dem Inspekteur des militärischen Fliegerwesens, ist eine Art vierte Waffe entstanden, die bald über zweihundertvierunddreißig militärische Flug¬ maschinen und dreihundert Offizierflieger verfügen wird. Man geht soeben daran, die Zahl der Aviationszentren derart zu erhöhen, daß Militärflieger in allen Teilen des Landes ihr Studium treiben können. Demnächst wird jeder der zwanzig Korpskommandeure über je eine Fliegersektton verfügen. Auch die militärische Erziehung der Zivilflieger beginnt man zu organisieren, um diese im Kriegsfalle ohne weiteres zum Fliegerdienste heranziehen zu können. Die letzte große Tat zur Förderung des Flugwesens hat die Militär¬ verwaltung durch die Ausschreibung des großen Militär-Flugmaschinen-Bewerbes getan. Hier war nach gewissen Vorprüfungen ein Fernflug von über 300 Kilo¬ meter mit 300 Kilogramm Belastung ohne Zwischenlandung verlangt. Von dem ausgesetzten Gesamtpreise von 1,5 Millionen erhielt der Gewinner des ersten Preises Nieuport insgesamt 800000 Franken. Wie die Zivilflieger bei den großen Wettbewerben durch hohe Geldpreise ermutigt wurden, so hat man es in der französischen Armee geschickt verstanden, die Militärflieger durch Dekorierung und durch Einreihung in die Ehrenlegion für ihren schweren Beruf in entschädigen und sie anzuspornen. Wesentlich langsamere Fortschritte macht das französische Marineflugwesen; erst jetzt richtet man Marineflugfelder in der Nähe von Toulon und Havre ein. Die Herrichtung des Kreuzers „Foutre" für Abflug und Landung der Flug¬ maschinen an Bord ist nahezu vollendet, und die Versuche mit Wasserflugzeugen sollen demnächst beginnen. Marineoffiziere sind inzwischen schon lange bei der Landarmee im Fliegen ausgebildet worden. (Ein Aufsatz über das deutsche Flugwesen folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/418>, abgerufen am 19.10.2024.