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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der amerikanischen Universitäten

fassungsurkunden, die von Staatswegen erlassen oder wenigstens bestätigt worden
sind. Demgegenüber hat bei den nordamenkanischen Universitäten der Staat,
der die Universität stiftete oder ihre Stiftung genehmigte, sich in der Regel
begnügt, dies durch Staatsgesetz auszusprechen und die Vollmacht, die Angelegen¬
heiten der Universität zu regeln, in die Hände eines hierfür gewählten Aus¬
schusses, des Koarä ok 1>u8dee8, zu legen. Hierüber und über die Art, in
der die 1>u8kee8 meistens die ihnen übertragene Vollmacht ausgeübt haben,
äußert sich ein Kenner des nordamerikanischen Universitätswesens, der im Ein¬
gange dieses Aufsatzes genannte UniversitätspräsidentJames inUrbana-Champaigne
etwa folgendermaßen: die den 1>u8tes8 erteilte Vollmacht sei von ihnen in
einer oft sehr formlosen Weise unter die Mitglieder des Voarä ol 1'rü8dee8,
die Fakultäten, die Angestellten, die Studenten der Universität usw. verteilt
worden, ohne darüber in einer sorgfältig ausgearbeiteten Verfassungsurkunde,
wie sie ältere europäische Universitäten besitzen, Bestimmung zu treffen. Das
wundervoll rasche Wachstum der amerikanischen Universitäten habe nun dahin
geführt, daß die so geschaffene Universitätsmaschine, die vielleicht niemals ihrer
Aufgabe vollkommen genügte, in allen Fugen gekracht habe. Dies habe in den
akademischen Kreisen, im Publikum und in den gesetzgebenden Körperschaften
große Unzufriedenheit mit dem Zustande der Universitätsorganisation erregt.
Zeitungsartikel und Bücher hätten diesen Gegenstand in den letzten Jahren vielfach
behandelt, ohne indes die Sache im ganzen wesentlich zu fördern.

Es kann Herrn Präsident James zugegeben werden, daß eine gründliche
Beseitigung der geschilderten Mißstände am besten durch den Erlaß einer sorg¬
fältig vorbereiteten, alle Einzelheiten der Universitütsorganisation und -Verwaltung
regelnden Verfassung erzielt werden kann. Eine solche Reform der seiner
speziellen Fürsorge unterstellten Universität hat Herr James auf folgende Art
in die Wege geleitet. Er hat den aus sämtlichen Professoren der Universität
zusammengesetzten Senat ersucht, einen Ausschuß zu ernennen, um eine Univer¬
sitätsverfassung zu entwerfen, mit der Anweisung, alle Einzelheiten dieser Ver¬
fassung zu bestimmen, den Umfang der Befugnisse, der der Universität von der
gesetzgebenden Gewalt einzuräumen ist, sowie das Rechtsverhältnis zwischen der
gesetzgebenden und regierenden Gewalt des Staates einerseits und der Universität
anderseits festzusetzen und die einzelnen Funktionen des Universitätsbetriebs
zwischen deren Organe zu verteilen und das Geschäfts- und Tätigkeitsgebiet
dieser Organe, insbesondere der Trustees, der Fakultäten, der Bediensteten und
der Studenten genau abzugrenzen. In letzterer Hinsicht werden nach der Ansicht
von James insbesondere durch das Universitätsstatut oder sonstige statutarische
Vorschriften zu ordnen: sein die Stellung und Macht des Präsidenten der Uni¬
versität, falls dieses Amt beibehalten werden soll, die Vollmachten der Trustees,
die Pflichten der Dekane, die Einteilung des Lehrkörpers in Fakultäten und die
Stellung der Fakultäten zu einander und zur Universität im ganzen, die Würde
und der Amtsumfang jedes einzelnen Professors, seine Unabhängigkeit im Forschen


Zur Reform der amerikanischen Universitäten

fassungsurkunden, die von Staatswegen erlassen oder wenigstens bestätigt worden
sind. Demgegenüber hat bei den nordamenkanischen Universitäten der Staat,
der die Universität stiftete oder ihre Stiftung genehmigte, sich in der Regel
begnügt, dies durch Staatsgesetz auszusprechen und die Vollmacht, die Angelegen¬
heiten der Universität zu regeln, in die Hände eines hierfür gewählten Aus¬
schusses, des Koarä ok 1>u8dee8, zu legen. Hierüber und über die Art, in
der die 1>u8kee8 meistens die ihnen übertragene Vollmacht ausgeübt haben,
äußert sich ein Kenner des nordamerikanischen Universitätswesens, der im Ein¬
gange dieses Aufsatzes genannte UniversitätspräsidentJames inUrbana-Champaigne
etwa folgendermaßen: die den 1>u8tes8 erteilte Vollmacht sei von ihnen in
einer oft sehr formlosen Weise unter die Mitglieder des Voarä ol 1'rü8dee8,
die Fakultäten, die Angestellten, die Studenten der Universität usw. verteilt
worden, ohne darüber in einer sorgfältig ausgearbeiteten Verfassungsurkunde,
wie sie ältere europäische Universitäten besitzen, Bestimmung zu treffen. Das
wundervoll rasche Wachstum der amerikanischen Universitäten habe nun dahin
geführt, daß die so geschaffene Universitätsmaschine, die vielleicht niemals ihrer
Aufgabe vollkommen genügte, in allen Fugen gekracht habe. Dies habe in den
akademischen Kreisen, im Publikum und in den gesetzgebenden Körperschaften
große Unzufriedenheit mit dem Zustande der Universitätsorganisation erregt.
Zeitungsartikel und Bücher hätten diesen Gegenstand in den letzten Jahren vielfach
behandelt, ohne indes die Sache im ganzen wesentlich zu fördern.

Es kann Herrn Präsident James zugegeben werden, daß eine gründliche
Beseitigung der geschilderten Mißstände am besten durch den Erlaß einer sorg¬
fältig vorbereiteten, alle Einzelheiten der Universitütsorganisation und -Verwaltung
regelnden Verfassung erzielt werden kann. Eine solche Reform der seiner
speziellen Fürsorge unterstellten Universität hat Herr James auf folgende Art
in die Wege geleitet. Er hat den aus sämtlichen Professoren der Universität
zusammengesetzten Senat ersucht, einen Ausschuß zu ernennen, um eine Univer¬
sitätsverfassung zu entwerfen, mit der Anweisung, alle Einzelheiten dieser Ver¬
fassung zu bestimmen, den Umfang der Befugnisse, der der Universität von der
gesetzgebenden Gewalt einzuräumen ist, sowie das Rechtsverhältnis zwischen der
gesetzgebenden und regierenden Gewalt des Staates einerseits und der Universität
anderseits festzusetzen und die einzelnen Funktionen des Universitätsbetriebs
zwischen deren Organe zu verteilen und das Geschäfts- und Tätigkeitsgebiet
dieser Organe, insbesondere der Trustees, der Fakultäten, der Bediensteten und
der Studenten genau abzugrenzen. In letzterer Hinsicht werden nach der Ansicht
von James insbesondere durch das Universitätsstatut oder sonstige statutarische
Vorschriften zu ordnen: sein die Stellung und Macht des Präsidenten der Uni¬
versität, falls dieses Amt beibehalten werden soll, die Vollmachten der Trustees,
die Pflichten der Dekane, die Einteilung des Lehrkörpers in Fakultäten und die
Stellung der Fakultäten zu einander und zur Universität im ganzen, die Würde
und der Amtsumfang jedes einzelnen Professors, seine Unabhängigkeit im Forschen


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[0331] Zur Reform der amerikanischen Universitäten fassungsurkunden, die von Staatswegen erlassen oder wenigstens bestätigt worden sind. Demgegenüber hat bei den nordamenkanischen Universitäten der Staat, der die Universität stiftete oder ihre Stiftung genehmigte, sich in der Regel begnügt, dies durch Staatsgesetz auszusprechen und die Vollmacht, die Angelegen¬ heiten der Universität zu regeln, in die Hände eines hierfür gewählten Aus¬ schusses, des Koarä ok 1>u8dee8, zu legen. Hierüber und über die Art, in der die 1>u8kee8 meistens die ihnen übertragene Vollmacht ausgeübt haben, äußert sich ein Kenner des nordamerikanischen Universitätswesens, der im Ein¬ gange dieses Aufsatzes genannte UniversitätspräsidentJames inUrbana-Champaigne etwa folgendermaßen: die den 1>u8tes8 erteilte Vollmacht sei von ihnen in einer oft sehr formlosen Weise unter die Mitglieder des Voarä ol 1'rü8dee8, die Fakultäten, die Angestellten, die Studenten der Universität usw. verteilt worden, ohne darüber in einer sorgfältig ausgearbeiteten Verfassungsurkunde, wie sie ältere europäische Universitäten besitzen, Bestimmung zu treffen. Das wundervoll rasche Wachstum der amerikanischen Universitäten habe nun dahin geführt, daß die so geschaffene Universitätsmaschine, die vielleicht niemals ihrer Aufgabe vollkommen genügte, in allen Fugen gekracht habe. Dies habe in den akademischen Kreisen, im Publikum und in den gesetzgebenden Körperschaften große Unzufriedenheit mit dem Zustande der Universitätsorganisation erregt. Zeitungsartikel und Bücher hätten diesen Gegenstand in den letzten Jahren vielfach behandelt, ohne indes die Sache im ganzen wesentlich zu fördern. Es kann Herrn Präsident James zugegeben werden, daß eine gründliche Beseitigung der geschilderten Mißstände am besten durch den Erlaß einer sorg¬ fältig vorbereiteten, alle Einzelheiten der Universitütsorganisation und -Verwaltung regelnden Verfassung erzielt werden kann. Eine solche Reform der seiner speziellen Fürsorge unterstellten Universität hat Herr James auf folgende Art in die Wege geleitet. Er hat den aus sämtlichen Professoren der Universität zusammengesetzten Senat ersucht, einen Ausschuß zu ernennen, um eine Univer¬ sitätsverfassung zu entwerfen, mit der Anweisung, alle Einzelheiten dieser Ver¬ fassung zu bestimmen, den Umfang der Befugnisse, der der Universität von der gesetzgebenden Gewalt einzuräumen ist, sowie das Rechtsverhältnis zwischen der gesetzgebenden und regierenden Gewalt des Staates einerseits und der Universität anderseits festzusetzen und die einzelnen Funktionen des Universitätsbetriebs zwischen deren Organe zu verteilen und das Geschäfts- und Tätigkeitsgebiet dieser Organe, insbesondere der Trustees, der Fakultäten, der Bediensteten und der Studenten genau abzugrenzen. In letzterer Hinsicht werden nach der Ansicht von James insbesondere durch das Universitätsstatut oder sonstige statutarische Vorschriften zu ordnen: sein die Stellung und Macht des Präsidenten der Uni¬ versität, falls dieses Amt beibehalten werden soll, die Vollmachten der Trustees, die Pflichten der Dekane, die Einteilung des Lehrkörpers in Fakultäten und die Stellung der Fakultäten zu einander und zur Universität im ganzen, die Würde und der Amtsumfang jedes einzelnen Professors, seine Unabhängigkeit im Forschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/331>, abgerufen am 29.12.2024.