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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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vom "Geschmack" der Völker

sollten Mich positiv Wege zur Geschmacksverbesserung in der Filmproduktion
gewiesen werden. So wie die städtischen Gemeinwesen gewisse Theater unter¬
stützen, so sollten mit ihrer Unterstützung kinematographische Musterbühnen
gegründet werden, die die erzieherischen und künstlerischen Möglichkeiten des
Kinematographen ausnützten, ohne dem Pöbelgeschmack zu dienen. Vielleicht
wäre das auch der Weg, auf dem unsere deutsche Filmindustrie, die auf dem
internationalen Markte bisher eine recht bescheidene Rolle spielt, zur Blüte
geführt werden könnte. Ansätze und Begabung gerade für diese wissenschaftliche
und rein künstlerische Arbeit sind bei ihr vorhanden. Natürlich müßte der
Besuch dieser Mustertheater durch besonders niedrige Preise dem Publikum nahe¬
gelegt werden; diese Institute sollen ja nicht um Gewinn arbeiten, sondern
lediglich gemeinnützig wirken.

Gerade das, was bei den heutigen Durchschnittsfilms nur nebenbei so
wohltätig berührt und erfreut, die schöne Landschaft, das schöne Gebäude, die
Eigenart der Völker und Stände, wäre planmüßig zu pflegen. Mit diesen
inhaltlichen Elementen könnte sich künstlerische Auffassung sehr wohl verbinden;
das haben uns die französischen Filmkünstler gezeigt. Die Natur in künst¬
lerischer Wiedergabe, das ist die nächste Aufgabe des Musterkinematographen.
Die weitere Aufgabe ist dann die, pantomimische Werke zu schaffen, die inhaltlich
nicht leer, vielmehr voll ehrlich packender Handlung, aber mit psychologisch
wahrem Aufbau und voll sittlichen Ernstes oder voll übermütiger Schalkheit
sind. Deren Darstellung ist dann das weitere Geschäft des Kinematographen.

Daß es solche Stücke auch heute schon gibt, daß hier und da ein annähernd
guter Filu, zwar sehr vereinzelt, aber doch wirklich vorhanden ist, das bewirkt
es, daß man bei dem heutigen Tiefstand der Lichtbildbühne und bei ihrem
anscheinend immer tieferen Sinken in Fragen des Geschmacks, doch nicht daran
verzweifelt, es möchten die Werte, die sie bieten kann, doch noch einmal ent¬
wickelt werden, es möchte auf ihr der gute Geschmack herrschen, nicht bloß der
Geschmack der Völker.




vom „Geschmack" der Völker

sollten Mich positiv Wege zur Geschmacksverbesserung in der Filmproduktion
gewiesen werden. So wie die städtischen Gemeinwesen gewisse Theater unter¬
stützen, so sollten mit ihrer Unterstützung kinematographische Musterbühnen
gegründet werden, die die erzieherischen und künstlerischen Möglichkeiten des
Kinematographen ausnützten, ohne dem Pöbelgeschmack zu dienen. Vielleicht
wäre das auch der Weg, auf dem unsere deutsche Filmindustrie, die auf dem
internationalen Markte bisher eine recht bescheidene Rolle spielt, zur Blüte
geführt werden könnte. Ansätze und Begabung gerade für diese wissenschaftliche
und rein künstlerische Arbeit sind bei ihr vorhanden. Natürlich müßte der
Besuch dieser Mustertheater durch besonders niedrige Preise dem Publikum nahe¬
gelegt werden; diese Institute sollen ja nicht um Gewinn arbeiten, sondern
lediglich gemeinnützig wirken.

Gerade das, was bei den heutigen Durchschnittsfilms nur nebenbei so
wohltätig berührt und erfreut, die schöne Landschaft, das schöne Gebäude, die
Eigenart der Völker und Stände, wäre planmüßig zu pflegen. Mit diesen
inhaltlichen Elementen könnte sich künstlerische Auffassung sehr wohl verbinden;
das haben uns die französischen Filmkünstler gezeigt. Die Natur in künst¬
lerischer Wiedergabe, das ist die nächste Aufgabe des Musterkinematographen.
Die weitere Aufgabe ist dann die, pantomimische Werke zu schaffen, die inhaltlich
nicht leer, vielmehr voll ehrlich packender Handlung, aber mit psychologisch
wahrem Aufbau und voll sittlichen Ernstes oder voll übermütiger Schalkheit
sind. Deren Darstellung ist dann das weitere Geschäft des Kinematographen.

Daß es solche Stücke auch heute schon gibt, daß hier und da ein annähernd
guter Filu, zwar sehr vereinzelt, aber doch wirklich vorhanden ist, das bewirkt
es, daß man bei dem heutigen Tiefstand der Lichtbildbühne und bei ihrem
anscheinend immer tieferen Sinken in Fragen des Geschmacks, doch nicht daran
verzweifelt, es möchten die Werte, die sie bieten kann, doch noch einmal ent¬
wickelt werden, es möchte auf ihr der gute Geschmack herrschen, nicht bloß der
Geschmack der Völker.




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[0299] vom „Geschmack" der Völker sollten Mich positiv Wege zur Geschmacksverbesserung in der Filmproduktion gewiesen werden. So wie die städtischen Gemeinwesen gewisse Theater unter¬ stützen, so sollten mit ihrer Unterstützung kinematographische Musterbühnen gegründet werden, die die erzieherischen und künstlerischen Möglichkeiten des Kinematographen ausnützten, ohne dem Pöbelgeschmack zu dienen. Vielleicht wäre das auch der Weg, auf dem unsere deutsche Filmindustrie, die auf dem internationalen Markte bisher eine recht bescheidene Rolle spielt, zur Blüte geführt werden könnte. Ansätze und Begabung gerade für diese wissenschaftliche und rein künstlerische Arbeit sind bei ihr vorhanden. Natürlich müßte der Besuch dieser Mustertheater durch besonders niedrige Preise dem Publikum nahe¬ gelegt werden; diese Institute sollen ja nicht um Gewinn arbeiten, sondern lediglich gemeinnützig wirken. Gerade das, was bei den heutigen Durchschnittsfilms nur nebenbei so wohltätig berührt und erfreut, die schöne Landschaft, das schöne Gebäude, die Eigenart der Völker und Stände, wäre planmüßig zu pflegen. Mit diesen inhaltlichen Elementen könnte sich künstlerische Auffassung sehr wohl verbinden; das haben uns die französischen Filmkünstler gezeigt. Die Natur in künst¬ lerischer Wiedergabe, das ist die nächste Aufgabe des Musterkinematographen. Die weitere Aufgabe ist dann die, pantomimische Werke zu schaffen, die inhaltlich nicht leer, vielmehr voll ehrlich packender Handlung, aber mit psychologisch wahrem Aufbau und voll sittlichen Ernstes oder voll übermütiger Schalkheit sind. Deren Darstellung ist dann das weitere Geschäft des Kinematographen. Daß es solche Stücke auch heute schon gibt, daß hier und da ein annähernd guter Filu, zwar sehr vereinzelt, aber doch wirklich vorhanden ist, das bewirkt es, daß man bei dem heutigen Tiefstand der Lichtbildbühne und bei ihrem anscheinend immer tieferen Sinken in Fragen des Geschmacks, doch nicht daran verzweifelt, es möchten die Werte, die sie bieten kann, doch noch einmal ent¬ wickelt werden, es möchte auf ihr der gute Geschmack herrschen, nicht bloß der Geschmack der Völker.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/299>, abgerufen am 29.12.2024.