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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aussicht gestellt werden, diese mit ihrer
Berufsarbeit in engstem Zusammenhang
stehende Förderung der Schuljugend sich
angelegen sein lassen. Auch kann in Frage
kommen, einzelne auch sonst tüchtige Per¬
sönlichkeiten, die sich auf dem betreffenden
Gebiet hervorgetan haben, in geeigneter
Weise auszuzeichnen, zu befördern usw.
In ähnlicher Weiss ist bezüglich der Mit¬
arbeit von Lehrern und Lehrerinnen auf
dem Gebiet der Jugendpflege zu Verfahren."

Diese Unzweideutigkeit hat nun den Jubel
in manchem pädagogischen Kopf beträchtlich
abflauen lassen; man nennt den neuen Erlaß
"befremdlich" und erinnert seufzend und
schmollend an den so ganz anderen, ach so
gold-klingenden Ton des schöneren Januar-
Erlasses. "Ein jeder habe sich gefreut, zu
hören, welche Summen nunmehr Verwendung
zur Pflege der Körperkultur finden werden.
Doch nichts von alledeml Nein, ganz im
Gegenteil. .. und bekanntlich gehören doch
die Turnstunden mit zu den anstrengendsten
unter den Lehrstunden. .."

Aber solchen Jeremiaden gegenüber (sie
sind ganz im Sinne jener Lehrerversammlung
und offenbar von einen? Lehrer in einer großen
berliner Tageszeitung angestimmt), ist es
Pflicht, den neuen Erlaß des Kultusministe¬
riums zu verteidigen und diesen Zwiespalt
der Meinungen ins rechte Licht zu setzen.
Denn es besteht die Gefahr, daß diese wichtigste
Frage, die Personalfrage, die glücklich ein¬
geleitete und so sehr aufstrebende bürgerliche
Jugendbewegung auf eine schiefe Bahn bringt
und vor allem ganz unberechtigter Weise in
den Kreisen der Lehrerschaft, auf die es zu¬
meist ankommt, eine Verdrossenheit erzeugt,
die der ganzen Sache unendlichen Schaden
bringen kann.

Die Honorarforderung der Lehrer nämlich
läuft -- in ihren Konsequenzen, nicht in ihren
Absichten -- auf nichts anderes hinaus, als
auf ein Hinübertragen des Schulbetriebs in
diese Arbeit an schulentlassenen. Die Päda¬
gogen, die in der Jugendbewegung stehen,
wissen selbst am besten, wie schwierig es ist,
die jungen Menschen, die jubelnd ihr Ent¬
lassungszeugnis in der Tasche tragen, zu nicht
schulmäßigen, fröhlichem Zusammensein mit
ihren alten Lehrern wieder in die Schule zu

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bringen; denn die Arbeit der Jugendklubs
spielt sich in Schulräumen, meist in den Schul-
Turnhallen ab.

In jener Versammlung wurde nun zwar
geäußert, diese Schwierigkeit sei doch nicht gar
so groß; man solle nur die Turnhallen viel¬
leicht ein wenig mit Grün oder mit farbigen
Tüchern freundlich drappieren, und überhaupt:
mit Freuden gingen die jungen Leute zu so
fröhlichem Tun wieder in die Schule zurück,
denn sie fühlten, daß sie jetzt hier frei seien
und von den Lehrern als werdende Männer
behandelt würden.

Derlei mag gewiß oft vorkommen, denn
sicherlich sind es -- vorläufig -- nur besonders
geeignete Erzieher, die sich solcher Arbeit hin¬
geben, Berufene, die aus Freude an der Sache
mittun, oder, wenn es schlimm ist, vielleicht
getrieben von dem Ehrgeiz, in einer jungen,
zukunft-frohen Sache sich bekannt und verdient
zu machen. Immerhin: nur die Leistung wird
den Ehrgeizigen an sein Ziel bringen; und
deshalb ist es auch nicht allzusehr zu bedauern,
daß der neue Erlaß solchen! Ehrgeiz goldene
Ziele zeigt, Beförderungen und Orden. Wenn
aber die Möglichkeit geschaffen wäre, daß jeder
einigermaßen Vorgebildete in dieser Jugend¬
fürsorge-Arbeit einen neuen Erwerbszweig
finden könnte, würde es auch die Pflicht aller
derjenigen sein, die eines finanziellen Zuschusses
benötigen, sich um solchen Nebenverdienst zu
bemühen -- und ach, wie viele Pflichtbewußte,
Eifrige und Bedürftige gibt es unter den
Lehrern.

Es wird eine Lebensfrage der bürger¬
lichen, nationalen Jugendfürsorge sein, ob sie
es versteht, das Odium der Schule von sich
fernzuhalten. Da die Lehrer die Berufensten
sind, diese Arbeit zu fördern, und da sich
naturgemäß im Verhältnis nur wenige Mit¬
arbeiter aus anderen Ständen finden werden,
ist es doppelt schwer, über diese Gefahr hin¬
weg zu kommen. Mögen die Mitarbeiter aber
kommen, woher sie wollen: ihr Herz nutz sie
treiben und ein anderes Motiv darf gar nicht
in Frage stehen können. Die Leiter müssen sich
der Sache ebenso hingeben, wie die Geleiteten.
Eine andere Lösung ist, zum mindesten für
die erste Zeit, zweifelhaft und gefahrvoll.

Besonders problematisch erscheint in gleicher
Hinsicht auch die Raumfrnge. Zweifellos ist

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aussicht gestellt werden, diese mit ihrer
Berufsarbeit in engstem Zusammenhang
stehende Förderung der Schuljugend sich
angelegen sein lassen. Auch kann in Frage
kommen, einzelne auch sonst tüchtige Per¬
sönlichkeiten, die sich auf dem betreffenden
Gebiet hervorgetan haben, in geeigneter
Weise auszuzeichnen, zu befördern usw.
In ähnlicher Weiss ist bezüglich der Mit¬
arbeit von Lehrern und Lehrerinnen auf
dem Gebiet der Jugendpflege zu Verfahren."

Diese Unzweideutigkeit hat nun den Jubel
in manchem pädagogischen Kopf beträchtlich
abflauen lassen; man nennt den neuen Erlaß
„befremdlich" und erinnert seufzend und
schmollend an den so ganz anderen, ach so
gold-klingenden Ton des schöneren Januar-
Erlasses. „Ein jeder habe sich gefreut, zu
hören, welche Summen nunmehr Verwendung
zur Pflege der Körperkultur finden werden.
Doch nichts von alledeml Nein, ganz im
Gegenteil. .. und bekanntlich gehören doch
die Turnstunden mit zu den anstrengendsten
unter den Lehrstunden. .."

Aber solchen Jeremiaden gegenüber (sie
sind ganz im Sinne jener Lehrerversammlung
und offenbar von einen? Lehrer in einer großen
berliner Tageszeitung angestimmt), ist es
Pflicht, den neuen Erlaß des Kultusministe¬
riums zu verteidigen und diesen Zwiespalt
der Meinungen ins rechte Licht zu setzen.
Denn es besteht die Gefahr, daß diese wichtigste
Frage, die Personalfrage, die glücklich ein¬
geleitete und so sehr aufstrebende bürgerliche
Jugendbewegung auf eine schiefe Bahn bringt
und vor allem ganz unberechtigter Weise in
den Kreisen der Lehrerschaft, auf die es zu¬
meist ankommt, eine Verdrossenheit erzeugt,
die der ganzen Sache unendlichen Schaden
bringen kann.

Die Honorarforderung der Lehrer nämlich
läuft — in ihren Konsequenzen, nicht in ihren
Absichten — auf nichts anderes hinaus, als
auf ein Hinübertragen des Schulbetriebs in
diese Arbeit an schulentlassenen. Die Päda¬
gogen, die in der Jugendbewegung stehen,
wissen selbst am besten, wie schwierig es ist,
die jungen Menschen, die jubelnd ihr Ent¬
lassungszeugnis in der Tasche tragen, zu nicht
schulmäßigen, fröhlichem Zusammensein mit
ihren alten Lehrern wieder in die Schule zu

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bringen; denn die Arbeit der Jugendklubs
spielt sich in Schulräumen, meist in den Schul-
Turnhallen ab.

In jener Versammlung wurde nun zwar
geäußert, diese Schwierigkeit sei doch nicht gar
so groß; man solle nur die Turnhallen viel¬
leicht ein wenig mit Grün oder mit farbigen
Tüchern freundlich drappieren, und überhaupt:
mit Freuden gingen die jungen Leute zu so
fröhlichem Tun wieder in die Schule zurück,
denn sie fühlten, daß sie jetzt hier frei seien
und von den Lehrern als werdende Männer
behandelt würden.

Derlei mag gewiß oft vorkommen, denn
sicherlich sind es — vorläufig — nur besonders
geeignete Erzieher, die sich solcher Arbeit hin¬
geben, Berufene, die aus Freude an der Sache
mittun, oder, wenn es schlimm ist, vielleicht
getrieben von dem Ehrgeiz, in einer jungen,
zukunft-frohen Sache sich bekannt und verdient
zu machen. Immerhin: nur die Leistung wird
den Ehrgeizigen an sein Ziel bringen; und
deshalb ist es auch nicht allzusehr zu bedauern,
daß der neue Erlaß solchen! Ehrgeiz goldene
Ziele zeigt, Beförderungen und Orden. Wenn
aber die Möglichkeit geschaffen wäre, daß jeder
einigermaßen Vorgebildete in dieser Jugend¬
fürsorge-Arbeit einen neuen Erwerbszweig
finden könnte, würde es auch die Pflicht aller
derjenigen sein, die eines finanziellen Zuschusses
benötigen, sich um solchen Nebenverdienst zu
bemühen — und ach, wie viele Pflichtbewußte,
Eifrige und Bedürftige gibt es unter den
Lehrern.

Es wird eine Lebensfrage der bürger¬
lichen, nationalen Jugendfürsorge sein, ob sie
es versteht, das Odium der Schule von sich
fernzuhalten. Da die Lehrer die Berufensten
sind, diese Arbeit zu fördern, und da sich
naturgemäß im Verhältnis nur wenige Mit¬
arbeiter aus anderen Ständen finden werden,
ist es doppelt schwer, über diese Gefahr hin¬
weg zu kommen. Mögen die Mitarbeiter aber
kommen, woher sie wollen: ihr Herz nutz sie
treiben und ein anderes Motiv darf gar nicht
in Frage stehen können. Die Leiter müssen sich
der Sache ebenso hingeben, wie die Geleiteten.
Eine andere Lösung ist, zum mindesten für
die erste Zeit, zweifelhaft und gefahrvoll.

Besonders problematisch erscheint in gleicher
Hinsicht auch die Raumfrnge. Zweifellos ist

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[0257] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aussicht gestellt werden, diese mit ihrer Berufsarbeit in engstem Zusammenhang stehende Förderung der Schuljugend sich angelegen sein lassen. Auch kann in Frage kommen, einzelne auch sonst tüchtige Per¬ sönlichkeiten, die sich auf dem betreffenden Gebiet hervorgetan haben, in geeigneter Weise auszuzeichnen, zu befördern usw. In ähnlicher Weiss ist bezüglich der Mit¬ arbeit von Lehrern und Lehrerinnen auf dem Gebiet der Jugendpflege zu Verfahren." Diese Unzweideutigkeit hat nun den Jubel in manchem pädagogischen Kopf beträchtlich abflauen lassen; man nennt den neuen Erlaß „befremdlich" und erinnert seufzend und schmollend an den so ganz anderen, ach so gold-klingenden Ton des schöneren Januar- Erlasses. „Ein jeder habe sich gefreut, zu hören, welche Summen nunmehr Verwendung zur Pflege der Körperkultur finden werden. Doch nichts von alledeml Nein, ganz im Gegenteil. .. und bekanntlich gehören doch die Turnstunden mit zu den anstrengendsten unter den Lehrstunden. .." Aber solchen Jeremiaden gegenüber (sie sind ganz im Sinne jener Lehrerversammlung und offenbar von einen? Lehrer in einer großen berliner Tageszeitung angestimmt), ist es Pflicht, den neuen Erlaß des Kultusministe¬ riums zu verteidigen und diesen Zwiespalt der Meinungen ins rechte Licht zu setzen. Denn es besteht die Gefahr, daß diese wichtigste Frage, die Personalfrage, die glücklich ein¬ geleitete und so sehr aufstrebende bürgerliche Jugendbewegung auf eine schiefe Bahn bringt und vor allem ganz unberechtigter Weise in den Kreisen der Lehrerschaft, auf die es zu¬ meist ankommt, eine Verdrossenheit erzeugt, die der ganzen Sache unendlichen Schaden bringen kann. Die Honorarforderung der Lehrer nämlich läuft — in ihren Konsequenzen, nicht in ihren Absichten — auf nichts anderes hinaus, als auf ein Hinübertragen des Schulbetriebs in diese Arbeit an schulentlassenen. Die Päda¬ gogen, die in der Jugendbewegung stehen, wissen selbst am besten, wie schwierig es ist, die jungen Menschen, die jubelnd ihr Ent¬ lassungszeugnis in der Tasche tragen, zu nicht schulmäßigen, fröhlichem Zusammensein mit ihren alten Lehrern wieder in die Schule zu bringen; denn die Arbeit der Jugendklubs spielt sich in Schulräumen, meist in den Schul- Turnhallen ab. In jener Versammlung wurde nun zwar geäußert, diese Schwierigkeit sei doch nicht gar so groß; man solle nur die Turnhallen viel¬ leicht ein wenig mit Grün oder mit farbigen Tüchern freundlich drappieren, und überhaupt: mit Freuden gingen die jungen Leute zu so fröhlichem Tun wieder in die Schule zurück, denn sie fühlten, daß sie jetzt hier frei seien und von den Lehrern als werdende Männer behandelt würden. Derlei mag gewiß oft vorkommen, denn sicherlich sind es — vorläufig — nur besonders geeignete Erzieher, die sich solcher Arbeit hin¬ geben, Berufene, die aus Freude an der Sache mittun, oder, wenn es schlimm ist, vielleicht getrieben von dem Ehrgeiz, in einer jungen, zukunft-frohen Sache sich bekannt und verdient zu machen. Immerhin: nur die Leistung wird den Ehrgeizigen an sein Ziel bringen; und deshalb ist es auch nicht allzusehr zu bedauern, daß der neue Erlaß solchen! Ehrgeiz goldene Ziele zeigt, Beförderungen und Orden. Wenn aber die Möglichkeit geschaffen wäre, daß jeder einigermaßen Vorgebildete in dieser Jugend¬ fürsorge-Arbeit einen neuen Erwerbszweig finden könnte, würde es auch die Pflicht aller derjenigen sein, die eines finanziellen Zuschusses benötigen, sich um solchen Nebenverdienst zu bemühen — und ach, wie viele Pflichtbewußte, Eifrige und Bedürftige gibt es unter den Lehrern. Es wird eine Lebensfrage der bürger¬ lichen, nationalen Jugendfürsorge sein, ob sie es versteht, das Odium der Schule von sich fernzuhalten. Da die Lehrer die Berufensten sind, diese Arbeit zu fördern, und da sich naturgemäß im Verhältnis nur wenige Mit¬ arbeiter aus anderen Ständen finden werden, ist es doppelt schwer, über diese Gefahr hin¬ weg zu kommen. Mögen die Mitarbeiter aber kommen, woher sie wollen: ihr Herz nutz sie treiben und ein anderes Motiv darf gar nicht in Frage stehen können. Die Leiter müssen sich der Sache ebenso hingeben, wie die Geleiteten. Eine andere Lösung ist, zum mindesten für die erste Zeit, zweifelhaft und gefahrvoll. Besonders problematisch erscheint in gleicher Hinsicht auch die Raumfrnge. Zweifellos ist ren zboten I 181232

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/257>, abgerufen am 20.10.2024.