Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Probleme des Jndnstriebezirks

Recht nicht bloß die kaufmännischen und technischen Vorteile, die der Beitritt
von Staat und Kommunen bet Erhaltung der privaten Unternehmungsform
bieten würde, hervorgehoben, sondern auch nachdrücklich betont, daß ein Zusammen¬
wirken bei diesem Unternehmen auch "das Interesse an der heimischen Industrie"
des Bergbaues fördern und damit die gesunde Grundlage für ein Zusammen¬
wirken auch auf anderen Gebieten schaffen müsse -- ein außerordentlich frucht¬
barer Gedanke, der noch seiner Ausgestaltung harrt!

Bei den im Jahre 1906 geführten Verhandlungen waren diese Gesichts¬
punkte nicht entscheidend. Das fiskalische Interesse trat in den Vordergrund.
Der geforderte Übernahmesatz von 150 Prozent des Nominalbetrages der Aktien
ist zwar auch durch die weitere Entwicklung des Werkes als gerechtfertigt erwiesen
und wäre es vielleicht noch mehr gewesen bei Verwirklichung des Planes, aber
er erschien reichlich hoch mit Rücksicht eben darauf, daß der Eintritt des Staates
als Aktionär für das Unternehmen einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutete
und mit der voraussichtlichen Kurssteigerung den privaten Inhabern der Aktien
für ihren Nestbesitz ein großer Gewinn in den Schoß fallen mußte. Daneben
wirkten abschreckend wohl die üblen Erfahrungen, die der Staat als Aktien¬
inhaber bei der Hibernia gemacht hatte; denn auch beim Rh. W. E. würde er
die Majorität nur in Gemeinschaft mit allen aktienbesitzenden Gemeinden erhalten
haben, und auch das nur unter der Voraussetzung einer schwierig zu bewirkenden
Organisation. So wurde der Vorschlag denn abgelehnt.

Ein Versuch, durch Vereinigung aller interessierten Kommunen, ohne
Beteiligung des Fiskus, die Elektrizitätsversorgung dem privaten Unternehmertum
zu entwinden, mußte ebenfalls bald wegen der ungeheuren Schwierigkeit der
Organisation fallen gelassen werden. Auch war das Rh. W. E. mit dem Netz
seiner Kabel und Verträge schon zu weit vorgedrungen, so daß kaum mehr erreichbar
erschien, als sich in einzelnen kleineren Gebieten durch Gründung und Entwicklung
konkurrierender Werke von seinem Einfluß freizuhalten. Trotzdem gelang es, durch ein
interessantes Zusammenwirken von Staatsverwaltungsbehörden, Industrie und
Kommunen ihm wenigstens das westfälische Absatzgebiet fast ganz zu entreißen.

Für dieses Gebiet war vom Rh. W. E. neben der im Kreise Hörde belegenen
Slinneszeche Wiendahlsbank eine große elektrische Anlage errichtet, von der aus
in ähnlicher Weise wie vom Hauptwerk in Essen die Elektrizitätsversorgung der
umliegenden Gemeinden erfolgen sollte. Berührt wurde dadurch in erster Linie
das nahegelegene Dortmund, das für sein großes und gut geleitetes Elektrizitäts¬
werk einen weiteren Absatz nach außerhalb des Stadtgebietes wünschen mußte,
und nun, um einer Einschnürung durch das Rh. W. E. zu entgehen, durch ein
Abkommen rin dem Landkreise Dortmund über eine Art Betriebsgemeinschaft
sich dieses größere Versorgungsgebiet sicherte. Eine lebhafte Bewegung entstand
ferner in den südlich gelegenen Gemeinden des Lenne- und Volmetals, um
Hagen und Iserlohn, dem Gebiete der westfälischen Kleineisenindustrie. Die
Einsicht, daß die bestehenden kleinen kommunalen Elektrizitätswerke beim Ein-


Probleme des Jndnstriebezirks

Recht nicht bloß die kaufmännischen und technischen Vorteile, die der Beitritt
von Staat und Kommunen bet Erhaltung der privaten Unternehmungsform
bieten würde, hervorgehoben, sondern auch nachdrücklich betont, daß ein Zusammen¬
wirken bei diesem Unternehmen auch „das Interesse an der heimischen Industrie"
des Bergbaues fördern und damit die gesunde Grundlage für ein Zusammen¬
wirken auch auf anderen Gebieten schaffen müsse — ein außerordentlich frucht¬
barer Gedanke, der noch seiner Ausgestaltung harrt!

Bei den im Jahre 1906 geführten Verhandlungen waren diese Gesichts¬
punkte nicht entscheidend. Das fiskalische Interesse trat in den Vordergrund.
Der geforderte Übernahmesatz von 150 Prozent des Nominalbetrages der Aktien
ist zwar auch durch die weitere Entwicklung des Werkes als gerechtfertigt erwiesen
und wäre es vielleicht noch mehr gewesen bei Verwirklichung des Planes, aber
er erschien reichlich hoch mit Rücksicht eben darauf, daß der Eintritt des Staates
als Aktionär für das Unternehmen einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutete
und mit der voraussichtlichen Kurssteigerung den privaten Inhabern der Aktien
für ihren Nestbesitz ein großer Gewinn in den Schoß fallen mußte. Daneben
wirkten abschreckend wohl die üblen Erfahrungen, die der Staat als Aktien¬
inhaber bei der Hibernia gemacht hatte; denn auch beim Rh. W. E. würde er
die Majorität nur in Gemeinschaft mit allen aktienbesitzenden Gemeinden erhalten
haben, und auch das nur unter der Voraussetzung einer schwierig zu bewirkenden
Organisation. So wurde der Vorschlag denn abgelehnt.

Ein Versuch, durch Vereinigung aller interessierten Kommunen, ohne
Beteiligung des Fiskus, die Elektrizitätsversorgung dem privaten Unternehmertum
zu entwinden, mußte ebenfalls bald wegen der ungeheuren Schwierigkeit der
Organisation fallen gelassen werden. Auch war das Rh. W. E. mit dem Netz
seiner Kabel und Verträge schon zu weit vorgedrungen, so daß kaum mehr erreichbar
erschien, als sich in einzelnen kleineren Gebieten durch Gründung und Entwicklung
konkurrierender Werke von seinem Einfluß freizuhalten. Trotzdem gelang es, durch ein
interessantes Zusammenwirken von Staatsverwaltungsbehörden, Industrie und
Kommunen ihm wenigstens das westfälische Absatzgebiet fast ganz zu entreißen.

Für dieses Gebiet war vom Rh. W. E. neben der im Kreise Hörde belegenen
Slinneszeche Wiendahlsbank eine große elektrische Anlage errichtet, von der aus
in ähnlicher Weise wie vom Hauptwerk in Essen die Elektrizitätsversorgung der
umliegenden Gemeinden erfolgen sollte. Berührt wurde dadurch in erster Linie
das nahegelegene Dortmund, das für sein großes und gut geleitetes Elektrizitäts¬
werk einen weiteren Absatz nach außerhalb des Stadtgebietes wünschen mußte,
und nun, um einer Einschnürung durch das Rh. W. E. zu entgehen, durch ein
Abkommen rin dem Landkreise Dortmund über eine Art Betriebsgemeinschaft
sich dieses größere Versorgungsgebiet sicherte. Eine lebhafte Bewegung entstand
ferner in den südlich gelegenen Gemeinden des Lenne- und Volmetals, um
Hagen und Iserlohn, dem Gebiete der westfälischen Kleineisenindustrie. Die
Einsicht, daß die bestehenden kleinen kommunalen Elektrizitätswerke beim Ein-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320654"/>
          <fw type="header" place="top"> Probleme des Jndnstriebezirks</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_891" prev="#ID_890"> Recht nicht bloß die kaufmännischen und technischen Vorteile, die der Beitritt<lb/>
von Staat und Kommunen bet Erhaltung der privaten Unternehmungsform<lb/>
bieten würde, hervorgehoben, sondern auch nachdrücklich betont, daß ein Zusammen¬<lb/>
wirken bei diesem Unternehmen auch &#x201E;das Interesse an der heimischen Industrie"<lb/>
des Bergbaues fördern und damit die gesunde Grundlage für ein Zusammen¬<lb/>
wirken auch auf anderen Gebieten schaffen müsse &#x2014; ein außerordentlich frucht¬<lb/>
barer Gedanke, der noch seiner Ausgestaltung harrt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_892"> Bei den im Jahre 1906 geführten Verhandlungen waren diese Gesichts¬<lb/>
punkte nicht entscheidend. Das fiskalische Interesse trat in den Vordergrund.<lb/>
Der geforderte Übernahmesatz von 150 Prozent des Nominalbetrages der Aktien<lb/>
ist zwar auch durch die weitere Entwicklung des Werkes als gerechtfertigt erwiesen<lb/>
und wäre es vielleicht noch mehr gewesen bei Verwirklichung des Planes, aber<lb/>
er erschien reichlich hoch mit Rücksicht eben darauf, daß der Eintritt des Staates<lb/>
als Aktionär für das Unternehmen einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutete<lb/>
und mit der voraussichtlichen Kurssteigerung den privaten Inhabern der Aktien<lb/>
für ihren Nestbesitz ein großer Gewinn in den Schoß fallen mußte. Daneben<lb/>
wirkten abschreckend wohl die üblen Erfahrungen, die der Staat als Aktien¬<lb/>
inhaber bei der Hibernia gemacht hatte; denn auch beim Rh. W. E. würde er<lb/>
die Majorität nur in Gemeinschaft mit allen aktienbesitzenden Gemeinden erhalten<lb/>
haben, und auch das nur unter der Voraussetzung einer schwierig zu bewirkenden<lb/>
Organisation.  So wurde der Vorschlag denn abgelehnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_893"> Ein Versuch, durch Vereinigung aller interessierten Kommunen, ohne<lb/>
Beteiligung des Fiskus, die Elektrizitätsversorgung dem privaten Unternehmertum<lb/>
zu entwinden, mußte ebenfalls bald wegen der ungeheuren Schwierigkeit der<lb/>
Organisation fallen gelassen werden. Auch war das Rh. W. E. mit dem Netz<lb/>
seiner Kabel und Verträge schon zu weit vorgedrungen, so daß kaum mehr erreichbar<lb/>
erschien, als sich in einzelnen kleineren Gebieten durch Gründung und Entwicklung<lb/>
konkurrierender Werke von seinem Einfluß freizuhalten. Trotzdem gelang es, durch ein<lb/>
interessantes Zusammenwirken von Staatsverwaltungsbehörden, Industrie und<lb/>
Kommunen ihm wenigstens das westfälische Absatzgebiet fast ganz zu entreißen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_894" next="#ID_895"> Für dieses Gebiet war vom Rh. W. E. neben der im Kreise Hörde belegenen<lb/>
Slinneszeche Wiendahlsbank eine große elektrische Anlage errichtet, von der aus<lb/>
in ähnlicher Weise wie vom Hauptwerk in Essen die Elektrizitätsversorgung der<lb/>
umliegenden Gemeinden erfolgen sollte. Berührt wurde dadurch in erster Linie<lb/>
das nahegelegene Dortmund, das für sein großes und gut geleitetes Elektrizitäts¬<lb/>
werk einen weiteren Absatz nach außerhalb des Stadtgebietes wünschen mußte,<lb/>
und nun, um einer Einschnürung durch das Rh. W. E. zu entgehen, durch ein<lb/>
Abkommen rin dem Landkreise Dortmund über eine Art Betriebsgemeinschaft<lb/>
sich dieses größere Versorgungsgebiet sicherte. Eine lebhafte Bewegung entstand<lb/>
ferner in den südlich gelegenen Gemeinden des Lenne- und Volmetals, um<lb/>
Hagen und Iserlohn, dem Gebiete der westfälischen Kleineisenindustrie. Die<lb/>
Einsicht, daß die bestehenden kleinen kommunalen Elektrizitätswerke beim Ein-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] Probleme des Jndnstriebezirks Recht nicht bloß die kaufmännischen und technischen Vorteile, die der Beitritt von Staat und Kommunen bet Erhaltung der privaten Unternehmungsform bieten würde, hervorgehoben, sondern auch nachdrücklich betont, daß ein Zusammen¬ wirken bei diesem Unternehmen auch „das Interesse an der heimischen Industrie" des Bergbaues fördern und damit die gesunde Grundlage für ein Zusammen¬ wirken auch auf anderen Gebieten schaffen müsse — ein außerordentlich frucht¬ barer Gedanke, der noch seiner Ausgestaltung harrt! Bei den im Jahre 1906 geführten Verhandlungen waren diese Gesichts¬ punkte nicht entscheidend. Das fiskalische Interesse trat in den Vordergrund. Der geforderte Übernahmesatz von 150 Prozent des Nominalbetrages der Aktien ist zwar auch durch die weitere Entwicklung des Werkes als gerechtfertigt erwiesen und wäre es vielleicht noch mehr gewesen bei Verwirklichung des Planes, aber er erschien reichlich hoch mit Rücksicht eben darauf, daß der Eintritt des Staates als Aktionär für das Unternehmen einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutete und mit der voraussichtlichen Kurssteigerung den privaten Inhabern der Aktien für ihren Nestbesitz ein großer Gewinn in den Schoß fallen mußte. Daneben wirkten abschreckend wohl die üblen Erfahrungen, die der Staat als Aktien¬ inhaber bei der Hibernia gemacht hatte; denn auch beim Rh. W. E. würde er die Majorität nur in Gemeinschaft mit allen aktienbesitzenden Gemeinden erhalten haben, und auch das nur unter der Voraussetzung einer schwierig zu bewirkenden Organisation. So wurde der Vorschlag denn abgelehnt. Ein Versuch, durch Vereinigung aller interessierten Kommunen, ohne Beteiligung des Fiskus, die Elektrizitätsversorgung dem privaten Unternehmertum zu entwinden, mußte ebenfalls bald wegen der ungeheuren Schwierigkeit der Organisation fallen gelassen werden. Auch war das Rh. W. E. mit dem Netz seiner Kabel und Verträge schon zu weit vorgedrungen, so daß kaum mehr erreichbar erschien, als sich in einzelnen kleineren Gebieten durch Gründung und Entwicklung konkurrierender Werke von seinem Einfluß freizuhalten. Trotzdem gelang es, durch ein interessantes Zusammenwirken von Staatsverwaltungsbehörden, Industrie und Kommunen ihm wenigstens das westfälische Absatzgebiet fast ganz zu entreißen. Für dieses Gebiet war vom Rh. W. E. neben der im Kreise Hörde belegenen Slinneszeche Wiendahlsbank eine große elektrische Anlage errichtet, von der aus in ähnlicher Weise wie vom Hauptwerk in Essen die Elektrizitätsversorgung der umliegenden Gemeinden erfolgen sollte. Berührt wurde dadurch in erster Linie das nahegelegene Dortmund, das für sein großes und gut geleitetes Elektrizitäts¬ werk einen weiteren Absatz nach außerhalb des Stadtgebietes wünschen mußte, und nun, um einer Einschnürung durch das Rh. W. E. zu entgehen, durch ein Abkommen rin dem Landkreise Dortmund über eine Art Betriebsgemeinschaft sich dieses größere Versorgungsgebiet sicherte. Eine lebhafte Bewegung entstand ferner in den südlich gelegenen Gemeinden des Lenne- und Volmetals, um Hagen und Iserlohn, dem Gebiete der westfälischen Kleineisenindustrie. Die Einsicht, daß die bestehenden kleinen kommunalen Elektrizitätswerke beim Ein-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/237>, abgerufen am 08.01.2025.