Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] angäbe verdanke ich der Güte Fräulein Schöne Literatur Lulu v. Strauß und Torucy hat einen Das tut dem Buch aber im Ganzen keinen Am Z3. Januar d. Is. hat in der "Schau¬ "Hier ist mit frischem Blick für Bühnen¬ Die Aufführung unter Direktor Rolans Dein fröhlichen Spiele ward denn auch Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] angäbe verdanke ich der Güte Fräulein Schöne Literatur Lulu v. Strauß und Torucy hat einen Das tut dem Buch aber im Ganzen keinen Am Z3. Januar d. Is. hat in der „Schau¬ „Hier ist mit frischem Blick für Bühnen¬ Die Aufführung unter Direktor Rolans Dein fröhlichen Spiele ward denn auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320567"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_542" prev="#ID_541"> angäbe verdanke ich der Güte Fräulein<lb/> Gertrud Storms.</p> <note type="byline"> ZV. Müsiner</note> </div> <div n="2"> <head> Schöne Literatur</head> <p xml:id="ID_543" next="#ID_544"> Lulu v. Strauß und Torucy hat einen<lb/> Roman „Judas" geschrieben (Berlin, Egon<lb/> Fleischel u, Co ), der in gewissem Sinne der Ab¬<lb/> schluß einer in sicherem Ausschreiten verlaufenen<lb/> Entwicklung ist, Wie sie in ihren Balladen und<lb/> in einigen ihrer meisterhaften kurzen Er¬<lb/> zählungen immer wieder in das bäuerliche<lb/> Leben ihrer Heimat an der Weser eingedrungen<lb/> ist, gibt sie nun hier ein breit angelegtes Bild<lb/> aus dein Leben dieser Gegend und dieser<lb/> Menschen in einer besonderen Zeit. Drüben<lb/> in Frankreich ist die Revolution ausgebrochen,<lb/> und einzelne Spritzer schlagen ins stille Lip¬<lb/> pische Land hinüber; es entsteht ein Bauern¬<lb/> aufstand, der aber rasch bezwungen wird.<lb/> Und in diesen: Aufstand spielt ein Bauer eine<lb/> besondere Rolle; er, dem es vor allem um<lb/> den alten väterlichen Hof angelegen ist, behält<lb/> den Kopf kühl und klar, bleibt rechtlich und<lb/> streng auf dem hergebrachten Wege und gilt<lb/> den anderen als Verräter, zumal da er dem<lb/> verlumpten Bruder keine Nachsicht, keine Ver¬<lb/> zeihung gewährt. Aber wie alle Selbst¬<lb/> gerechten zerbricht er an sich selbst und geht<lb/> schließlich freiwillig aus dem Leben, nennt<lb/> sich selbst auf der letzten Einzeichnung in<lb/> die Fnmilienbibel Johann Tönnies Judas<lb/> Harrekop. Die große Schar von Bauern,<lb/> Bäuerinnen, Kindern, Landmeuschen über¬<lb/> haupt, die dies Buch bevölkern, lebt mit voller<lb/> Lebendigkeit in ihrer knappen Art, ein ver¬<lb/> haltener, schwer in Bewegung zu setzender<lb/> Volksschlag, harte Arbeit und Fron gewöhnt,<lb/> nicht gewöhnt, aus eigenem Antrieb sich frei<lb/> zu gefallen. Ein wenig langsam wie diese<lb/> Menschen entfaltet sich die Handlung, nimmt<lb/> einen dann aber gefangen und steigert sich<lb/> an den Höhepunkten zu starkem SPannungS-<lb/> reiz, Das aufflammende Freiheitsfeuer ver¬<lb/> glimmt allerdings ein wenig rasch. Und dn<lb/> doch für die Flamme irgendwo der Stoff da¬<lb/> gewesen sein muß, fragt man sich, warum<lb/> davon so wenig zu merken ist; man möchte<lb/> von dem Recht, das dieser Aufstand einer<lb/> schwer zu bewegenden Menge sicherlich irgendwo<lb/> in sich tragen muß, ein wenig mehr erfahren.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_544" prev="#ID_543"> Das tut dem Buch aber im Ganzen keinen<lb/> Abbruch. Es ist eine reife, seltene, schwer¬<lb/> wiegende Gabe. — Wie Lulu v. Strauß und<lb/> Torney auch bei unseren nordgermanischen<lb/> Nachbarn geschätzt wird, zeigt eine eben er¬<lb/> schienene schwedische Übersetzung ihrer Neuen<lb/> Lieder und Balladen von Per Levin, die<lb/> A. B. Sandberg in Stockholm verlegt hat.</p> <note type="byline"> I)r. Heinrich Spiero</note> <p xml:id="ID_545"> Am Z3. Januar d. Is. hat in der „Schau¬<lb/> burg" zu Hannover die Uraufführung der im<lb/> letzten Sommer in den Grenzboten veröffent¬<lb/> lichten mittelalterlichen .Komödie „Till Eulen¬<lb/> spiegel" von Horry Vosberg stattgefunden,<lb/> und zwar, wie wir feststellen können, mit<lb/> glänzendem Erfolg. Der Hannöversche Courier<lb/> schrieb über die Aufführung u, a.:</p> <p xml:id="ID_546"> „Hier ist mit frischem Blick für Bühnen¬<lb/> wirksamkeit ein munteres Volksstück geschaffen,<lb/> das seine Freunde in deutschen Landen finden<lb/> wird. Das mittelalterliche Kolorit ist, wenn<lb/> schon nicht mit besonderer Eigenart, doch wohl¬<lb/> gefällig hingezeichnet; die einzelnen Typen<lb/> sind in guter Schwankart hingestellt; die Füh¬<lb/> rung der Geschehnisse ist gar lebendig, die<lb/> Sprache, die neben dem Blankvers volks¬<lb/> tümlicher Reime sich ab und an bedient,<lb/> kräftig, deutsch und in den Liebesszenen mit<lb/> geschmackvollen poetischen Reizen nusgeziert.<lb/> Einen neuen deutschen Dichter, der Zukunfts¬<lb/> hoffnung weckte, auszurufen, dünkt mich die<lb/> Probe freilich doch nicht stark genug. Doch<lb/> schau ich Harry Vosberg als ein Talent, das<lb/> demTheaterund seinen feineren Bedürfnissen im<lb/> besten Sinne des Wortes dienstbar werden mag..</p> <p xml:id="ID_547"> Die Aufführung unter Direktor Rolans<lb/> Leitung, die den Stil des Werkes vorzüglich<lb/> erfaßt und in schönen, lebendigen Szenen¬<lb/> bildern zum Ausdruck gebracht hat, hat am<lb/> Erfolg derDichtung ihren reichgemessenen Anteil.</p> <p xml:id="ID_548"> Dein fröhlichen Spiele ward denn auch<lb/> ein nicht gewöhnlicher Erfolg zuteil. Das<lb/> voll besetzte Haus schien sichtlich erfreut, leicht<lb/> ansprechende Lustbarkeit in so Wohl gesetzter<lb/> Form zu finden. Die Anteilnahme an den<lb/> Vorgängen steigerte sich von Akt zu Akt;<lb/> schon nach dem zweiten konnte sich der Autor<lb/> wiederholt verbeugen. Später ward er nach<lb/> jedem Akt immer wieder vor die Rampe ge¬<lb/> rufen. Auch das Spiel unterbrach ein Paar¬<lb/> mal spontaner Applaus."</p> <cb type="end"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
angäbe verdanke ich der Güte Fräulein
Gertrud Storms.
ZV. Müsiner Schöne Literatur Lulu v. Strauß und Torucy hat einen
Roman „Judas" geschrieben (Berlin, Egon
Fleischel u, Co ), der in gewissem Sinne der Ab¬
schluß einer in sicherem Ausschreiten verlaufenen
Entwicklung ist, Wie sie in ihren Balladen und
in einigen ihrer meisterhaften kurzen Er¬
zählungen immer wieder in das bäuerliche
Leben ihrer Heimat an der Weser eingedrungen
ist, gibt sie nun hier ein breit angelegtes Bild
aus dein Leben dieser Gegend und dieser
Menschen in einer besonderen Zeit. Drüben
in Frankreich ist die Revolution ausgebrochen,
und einzelne Spritzer schlagen ins stille Lip¬
pische Land hinüber; es entsteht ein Bauern¬
aufstand, der aber rasch bezwungen wird.
Und in diesen: Aufstand spielt ein Bauer eine
besondere Rolle; er, dem es vor allem um
den alten väterlichen Hof angelegen ist, behält
den Kopf kühl und klar, bleibt rechtlich und
streng auf dem hergebrachten Wege und gilt
den anderen als Verräter, zumal da er dem
verlumpten Bruder keine Nachsicht, keine Ver¬
zeihung gewährt. Aber wie alle Selbst¬
gerechten zerbricht er an sich selbst und geht
schließlich freiwillig aus dem Leben, nennt
sich selbst auf der letzten Einzeichnung in
die Fnmilienbibel Johann Tönnies Judas
Harrekop. Die große Schar von Bauern,
Bäuerinnen, Kindern, Landmeuschen über¬
haupt, die dies Buch bevölkern, lebt mit voller
Lebendigkeit in ihrer knappen Art, ein ver¬
haltener, schwer in Bewegung zu setzender
Volksschlag, harte Arbeit und Fron gewöhnt,
nicht gewöhnt, aus eigenem Antrieb sich frei
zu gefallen. Ein wenig langsam wie diese
Menschen entfaltet sich die Handlung, nimmt
einen dann aber gefangen und steigert sich
an den Höhepunkten zu starkem SPannungS-
reiz, Das aufflammende Freiheitsfeuer ver¬
glimmt allerdings ein wenig rasch. Und dn
doch für die Flamme irgendwo der Stoff da¬
gewesen sein muß, fragt man sich, warum
davon so wenig zu merken ist; man möchte
von dem Recht, das dieser Aufstand einer
schwer zu bewegenden Menge sicherlich irgendwo
in sich tragen muß, ein wenig mehr erfahren.
Das tut dem Buch aber im Ganzen keinen
Abbruch. Es ist eine reife, seltene, schwer¬
wiegende Gabe. — Wie Lulu v. Strauß und
Torney auch bei unseren nordgermanischen
Nachbarn geschätzt wird, zeigt eine eben er¬
schienene schwedische Übersetzung ihrer Neuen
Lieder und Balladen von Per Levin, die
A. B. Sandberg in Stockholm verlegt hat.
I)r. Heinrich Spiero Am Z3. Januar d. Is. hat in der „Schau¬
burg" zu Hannover die Uraufführung der im
letzten Sommer in den Grenzboten veröffent¬
lichten mittelalterlichen .Komödie „Till Eulen¬
spiegel" von Horry Vosberg stattgefunden,
und zwar, wie wir feststellen können, mit
glänzendem Erfolg. Der Hannöversche Courier
schrieb über die Aufführung u, a.:
„Hier ist mit frischem Blick für Bühnen¬
wirksamkeit ein munteres Volksstück geschaffen,
das seine Freunde in deutschen Landen finden
wird. Das mittelalterliche Kolorit ist, wenn
schon nicht mit besonderer Eigenart, doch wohl¬
gefällig hingezeichnet; die einzelnen Typen
sind in guter Schwankart hingestellt; die Füh¬
rung der Geschehnisse ist gar lebendig, die
Sprache, die neben dem Blankvers volks¬
tümlicher Reime sich ab und an bedient,
kräftig, deutsch und in den Liebesszenen mit
geschmackvollen poetischen Reizen nusgeziert.
Einen neuen deutschen Dichter, der Zukunfts¬
hoffnung weckte, auszurufen, dünkt mich die
Probe freilich doch nicht stark genug. Doch
schau ich Harry Vosberg als ein Talent, das
demTheaterund seinen feineren Bedürfnissen im
besten Sinne des Wortes dienstbar werden mag..
Die Aufführung unter Direktor Rolans
Leitung, die den Stil des Werkes vorzüglich
erfaßt und in schönen, lebendigen Szenen¬
bildern zum Ausdruck gebracht hat, hat am
Erfolg derDichtung ihren reichgemessenen Anteil.
Dein fröhlichen Spiele ward denn auch
ein nicht gewöhnlicher Erfolg zuteil. Das
voll besetzte Haus schien sichtlich erfreut, leicht
ansprechende Lustbarkeit in so Wohl gesetzter
Form zu finden. Die Anteilnahme an den
Vorgängen steigerte sich von Akt zu Akt;
schon nach dem zweiten konnte sich der Autor
wiederholt verbeugen. Später ward er nach
jedem Akt immer wieder vor die Rampe ge¬
rufen. Auch das Spiel unterbrach ein Paar¬
mal spontaner Applaus."
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