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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz der deutschen Rüste

See warf sie, wenn ein der ständig dort sich ändernden und wandernden Un¬
tiefen Unkundiger führte, auf eine Sandbank, die das so leck gewordene Schiff
nicht wieder losließ, sondern seinen Rumpf bald einhüllte in schnell sich türmen¬
den Treibsand. Nur der kundige Lotse findet hier, selbst wenn alle Tonnen
und Seezeichen liegen oder des Nachts alle Feuer brennen, stromabwärts nach
dem Feuerschiff Elbe I. Um so schwieriger wird die Fahrt, wenn die See¬
zeichen entfernt oder verändert werden. Darum verschlangen die Hafenanlagen
von Cuxhaven und von Wilhelmshaven so hohe Summen, weil Flut und Ebbe,
weil ein ewig wechselnder Strom, weil eine Unzahl wandernder Sinkstoffe und
schließlich ein schlickiger und schlammiger Boden keinen festen Grund finden ließ
für die Steinmassen des Molenbaus.

Bor etwa fünfzig Jahren begann man in Preußen mit den Vermessungen
der Jade. Wer einmal einen Blick in die Karten getan, die die Jade zu den
verschiedenen Zeiten dieser fünf Dezennien darstellen, wird erstaunt sein, welche
Veränderungen die Sande in dieser Zeit vorgenommen haben, welche Wand¬
lungen der Fluß in dieser Periode hat durchmachen müssen. Sie erklären im
Verein mit dem häufigen schlechten Wetter, dem undurchsichtigen Nebel und
schweren Stürmen die vielen Unglücksfälls in unsern deutschen Nordsee-Flu߬
mündungen, von denen die Spalten der Zeitungen Kunde bringen, aber --
wie jedes Ding seine Kehrseite hat -- sie bilden gleichzeitig den wesentlichsten
Schutz für die Handelsemporen und die Kriegshafen, die an ihnen liegen.

Und die Mißgunst dieser natürlichen Verhältnisse läßt an unseren Küsten
ein starkes Geschlecht geborener Seefahrer heranwachsen, die vertraut mit den
Gefahren der Küste und Sande, einen vorzüglichen Stamm für die Besatzung
unserer Schiffe bilden.

Zahlreiche und starke Befestigungen unterstützen die navigatorischen Schwierig¬
keiten in der Abwehr des Gegners. Den drei Flußmündungen entsprechend
sind sie in drei große Seefestungen zusammengezogen. Der Arm des Kom¬
mandanten der Befestigungen an der unteren Elbe langt hinauf bis zu den
Kanonen bei Brunsbüttel, reicht hinab bis zur Mündung des Flusses, zu
dessen Schutz ihm außer der großen Reihe Forts in der näheren und weiteren
Umgebung von Cuxhaven eine größere Anzahl von Torpedobooten und sonstigen
Fahrzeugen zur Verfügung stehen, die, wenn sie nicht ihre Übungsfahrten auf
der Elbe machen, einen fast schon zu großen Teil des neuen Hafens von Cux¬
haven für sich als Liegeplatz beanspruchen.

In gleicher Weise verfügt der Kommandant der Befestigungen an der
unteren Weser, der seinen Sitz in Geestemünde hat, über Forts und Ufer¬
batterien und über M.edel des Kleinkrieges, während sich an der Jade von
Wilhelmshaven bis nach Wangeroog längs der Küste eine ganze Reihe von
Befestigungen hinziehen. Hierzu kommt in allen drei Flußläufen eine, wie
man annehmen kann, ausgedehnte, den Erfahrungen des russisch-japanischen
Krieges voll und ganz Rechnung tragende Unterwasserverteidigung durch Minen


Der Schutz der deutschen Rüste

See warf sie, wenn ein der ständig dort sich ändernden und wandernden Un¬
tiefen Unkundiger führte, auf eine Sandbank, die das so leck gewordene Schiff
nicht wieder losließ, sondern seinen Rumpf bald einhüllte in schnell sich türmen¬
den Treibsand. Nur der kundige Lotse findet hier, selbst wenn alle Tonnen
und Seezeichen liegen oder des Nachts alle Feuer brennen, stromabwärts nach
dem Feuerschiff Elbe I. Um so schwieriger wird die Fahrt, wenn die See¬
zeichen entfernt oder verändert werden. Darum verschlangen die Hafenanlagen
von Cuxhaven und von Wilhelmshaven so hohe Summen, weil Flut und Ebbe,
weil ein ewig wechselnder Strom, weil eine Unzahl wandernder Sinkstoffe und
schließlich ein schlickiger und schlammiger Boden keinen festen Grund finden ließ
für die Steinmassen des Molenbaus.

Bor etwa fünfzig Jahren begann man in Preußen mit den Vermessungen
der Jade. Wer einmal einen Blick in die Karten getan, die die Jade zu den
verschiedenen Zeiten dieser fünf Dezennien darstellen, wird erstaunt sein, welche
Veränderungen die Sande in dieser Zeit vorgenommen haben, welche Wand¬
lungen der Fluß in dieser Periode hat durchmachen müssen. Sie erklären im
Verein mit dem häufigen schlechten Wetter, dem undurchsichtigen Nebel und
schweren Stürmen die vielen Unglücksfälls in unsern deutschen Nordsee-Flu߬
mündungen, von denen die Spalten der Zeitungen Kunde bringen, aber —
wie jedes Ding seine Kehrseite hat — sie bilden gleichzeitig den wesentlichsten
Schutz für die Handelsemporen und die Kriegshafen, die an ihnen liegen.

Und die Mißgunst dieser natürlichen Verhältnisse läßt an unseren Küsten
ein starkes Geschlecht geborener Seefahrer heranwachsen, die vertraut mit den
Gefahren der Küste und Sande, einen vorzüglichen Stamm für die Besatzung
unserer Schiffe bilden.

Zahlreiche und starke Befestigungen unterstützen die navigatorischen Schwierig¬
keiten in der Abwehr des Gegners. Den drei Flußmündungen entsprechend
sind sie in drei große Seefestungen zusammengezogen. Der Arm des Kom¬
mandanten der Befestigungen an der unteren Elbe langt hinauf bis zu den
Kanonen bei Brunsbüttel, reicht hinab bis zur Mündung des Flusses, zu
dessen Schutz ihm außer der großen Reihe Forts in der näheren und weiteren
Umgebung von Cuxhaven eine größere Anzahl von Torpedobooten und sonstigen
Fahrzeugen zur Verfügung stehen, die, wenn sie nicht ihre Übungsfahrten auf
der Elbe machen, einen fast schon zu großen Teil des neuen Hafens von Cux¬
haven für sich als Liegeplatz beanspruchen.

In gleicher Weise verfügt der Kommandant der Befestigungen an der
unteren Weser, der seinen Sitz in Geestemünde hat, über Forts und Ufer¬
batterien und über M.edel des Kleinkrieges, während sich an der Jade von
Wilhelmshaven bis nach Wangeroog längs der Küste eine ganze Reihe von
Befestigungen hinziehen. Hierzu kommt in allen drei Flußläufen eine, wie
man annehmen kann, ausgedehnte, den Erfahrungen des russisch-japanischen
Krieges voll und ganz Rechnung tragende Unterwasserverteidigung durch Minen


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[0116] Der Schutz der deutschen Rüste See warf sie, wenn ein der ständig dort sich ändernden und wandernden Un¬ tiefen Unkundiger führte, auf eine Sandbank, die das so leck gewordene Schiff nicht wieder losließ, sondern seinen Rumpf bald einhüllte in schnell sich türmen¬ den Treibsand. Nur der kundige Lotse findet hier, selbst wenn alle Tonnen und Seezeichen liegen oder des Nachts alle Feuer brennen, stromabwärts nach dem Feuerschiff Elbe I. Um so schwieriger wird die Fahrt, wenn die See¬ zeichen entfernt oder verändert werden. Darum verschlangen die Hafenanlagen von Cuxhaven und von Wilhelmshaven so hohe Summen, weil Flut und Ebbe, weil ein ewig wechselnder Strom, weil eine Unzahl wandernder Sinkstoffe und schließlich ein schlickiger und schlammiger Boden keinen festen Grund finden ließ für die Steinmassen des Molenbaus. Bor etwa fünfzig Jahren begann man in Preußen mit den Vermessungen der Jade. Wer einmal einen Blick in die Karten getan, die die Jade zu den verschiedenen Zeiten dieser fünf Dezennien darstellen, wird erstaunt sein, welche Veränderungen die Sande in dieser Zeit vorgenommen haben, welche Wand¬ lungen der Fluß in dieser Periode hat durchmachen müssen. Sie erklären im Verein mit dem häufigen schlechten Wetter, dem undurchsichtigen Nebel und schweren Stürmen die vielen Unglücksfälls in unsern deutschen Nordsee-Flu߬ mündungen, von denen die Spalten der Zeitungen Kunde bringen, aber — wie jedes Ding seine Kehrseite hat — sie bilden gleichzeitig den wesentlichsten Schutz für die Handelsemporen und die Kriegshafen, die an ihnen liegen. Und die Mißgunst dieser natürlichen Verhältnisse läßt an unseren Küsten ein starkes Geschlecht geborener Seefahrer heranwachsen, die vertraut mit den Gefahren der Küste und Sande, einen vorzüglichen Stamm für die Besatzung unserer Schiffe bilden. Zahlreiche und starke Befestigungen unterstützen die navigatorischen Schwierig¬ keiten in der Abwehr des Gegners. Den drei Flußmündungen entsprechend sind sie in drei große Seefestungen zusammengezogen. Der Arm des Kom¬ mandanten der Befestigungen an der unteren Elbe langt hinauf bis zu den Kanonen bei Brunsbüttel, reicht hinab bis zur Mündung des Flusses, zu dessen Schutz ihm außer der großen Reihe Forts in der näheren und weiteren Umgebung von Cuxhaven eine größere Anzahl von Torpedobooten und sonstigen Fahrzeugen zur Verfügung stehen, die, wenn sie nicht ihre Übungsfahrten auf der Elbe machen, einen fast schon zu großen Teil des neuen Hafens von Cux¬ haven für sich als Liegeplatz beanspruchen. In gleicher Weise verfügt der Kommandant der Befestigungen an der unteren Weser, der seinen Sitz in Geestemünde hat, über Forts und Ufer¬ batterien und über M.edel des Kleinkrieges, während sich an der Jade von Wilhelmshaven bis nach Wangeroog längs der Küste eine ganze Reihe von Befestigungen hinziehen. Hierzu kommt in allen drei Flußläufen eine, wie man annehmen kann, ausgedehnte, den Erfahrungen des russisch-japanischen Krieges voll und ganz Rechnung tragende Unterwasserverteidigung durch Minen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/116>, abgerufen am 29.12.2024.