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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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tellierung bekämpfen den Beitritt des Staates zu einer auf die Steigerung der
Preise gerichteten Koalition. Indessen wird umgekehrt durch die Zugehörigkeit
des Staates besser als durch den Erlaß eines Prohibitivgesetzes Gewähr dafür
geleistet, daß die Rücksicht auf das Gemeinwohl bei der Preispolitik des Syndikats
nicht außer Augen gelassen wird. Für das Syndikat selbst ist schon der
bloße Beitritt des Fiskus zweifelsohne ein bedeutungsvoller Anteil. Das Kali¬
gesetz lehrt, welche Mittel schließlich dem Staate zur Verfügung stehen, um
widerstrebende wirtschaftliche Interessen, an denen er selbst hervorragend
beteiligt ist, auf einer durch das Staats- und Gemeinwohl bedingten Basis zu
vereinigen. Freilich ist das Kaligesetz, als ein erster Versuch auf diesem Gebiete,
nicht durchweg glücklich geraten. Man darf aber aus den bei diesem Gesetze
gemachten Fehlern keinen Grund zu einer prinzipiellen Gegnerschaft herleite".
Denn diese Fehler lassen sich vermeiden; auch liegen die Verhältnisse des Kohlen¬
bergbaus rechtlich anders, als die des Kalibergbaus. Denn bekanntlich hat der
Staat sich das Monopol des Kohlenbergbaus für noch nicht verliehene Funde
reserviert. Die Mißstände, welche infolge der massenhaften Gründung neuer
Kaliunternehmungen entstanden sind, sind daher hier von vornherein aus¬
geschlossen. Im übrigen aber sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen des
Staates hier genau so gegeben: auch hier handelt es sich um die Sicherstellung
und die zweckmäßige Ausbeutung nationaler Bodenschätze, die zum Vorteil der
Gesamtheit verwaltet werden müssen. Dieser Forderung länft die im Kohlen¬
syndikat bisher befolgte Preispolitik in den oft kritisierten Punkten entgegen:
denn weder die starke Belastung des inländischen Konsums durch übertriebene
Preise noch die forcierte Ausfuhr zu Schleuderpreisen steht damit im Einklang.
Auf der anderen Seite muß ein so außerordentlich wichtiger Zweig der vater¬
ländischen Urproduktion, der nach der Höhe der investierten Kapitalien, der
Zahl der in ihm beschäftigten Arme und der Wichtigkeit seines Erzeugnisses
an erster Stelle steht, vor den Wechselfällen der internationalen Preiskonjunkturen
möglichst geschützt werden. Das führt dann selbst zu dem Gedanken, Produktion
und Preis nnter Mitwirkung des Staates und zwar direkt im Wege des Gesetzes
zu regeln. Die sozialistische Färbung solcher wirtschaftspolitischen Maßnahmen,
welche vor vierzig Jahren männiglich entsetzt hätten, schreckt heute niemand
mehr. Das Eingreifen des Staats in die wichtigsten wirtschaftlichen Vorgänge
und Erscheinungen ist uns eine geläufige und vertraute Tatsache. Ich zweifle
daher nicht daran, daß sich die weitere Entwicklung der Syndikatsfrage schließlich
in dieser Richtung vollziehen wird.

Die Deutsche Bank beabsichtigt anscheinend eine Kapitalserhöhung zu
dem Zwecke, die Bergisch-Märkische Bank in sich aufzunehmen. Das Aktien¬
kapital derselben befindet sich zum größten Teil bekanntlich in ihren Händen.
Das Projekt ist auffällig. Es ist nicht wohl anzunehmen, daß die Deutsche
Bank lediglich des Prestiges halber, um auch der Höhe des Aktienkapitals nach
den ihr gebührenden ersten Nang unter den deutschen Banken wieder einzu-


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tellierung bekämpfen den Beitritt des Staates zu einer auf die Steigerung der
Preise gerichteten Koalition. Indessen wird umgekehrt durch die Zugehörigkeit
des Staates besser als durch den Erlaß eines Prohibitivgesetzes Gewähr dafür
geleistet, daß die Rücksicht auf das Gemeinwohl bei der Preispolitik des Syndikats
nicht außer Augen gelassen wird. Für das Syndikat selbst ist schon der
bloße Beitritt des Fiskus zweifelsohne ein bedeutungsvoller Anteil. Das Kali¬
gesetz lehrt, welche Mittel schließlich dem Staate zur Verfügung stehen, um
widerstrebende wirtschaftliche Interessen, an denen er selbst hervorragend
beteiligt ist, auf einer durch das Staats- und Gemeinwohl bedingten Basis zu
vereinigen. Freilich ist das Kaligesetz, als ein erster Versuch auf diesem Gebiete,
nicht durchweg glücklich geraten. Man darf aber aus den bei diesem Gesetze
gemachten Fehlern keinen Grund zu einer prinzipiellen Gegnerschaft herleite».
Denn diese Fehler lassen sich vermeiden; auch liegen die Verhältnisse des Kohlen¬
bergbaus rechtlich anders, als die des Kalibergbaus. Denn bekanntlich hat der
Staat sich das Monopol des Kohlenbergbaus für noch nicht verliehene Funde
reserviert. Die Mißstände, welche infolge der massenhaften Gründung neuer
Kaliunternehmungen entstanden sind, sind daher hier von vornherein aus¬
geschlossen. Im übrigen aber sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen des
Staates hier genau so gegeben: auch hier handelt es sich um die Sicherstellung
und die zweckmäßige Ausbeutung nationaler Bodenschätze, die zum Vorteil der
Gesamtheit verwaltet werden müssen. Dieser Forderung länft die im Kohlen¬
syndikat bisher befolgte Preispolitik in den oft kritisierten Punkten entgegen:
denn weder die starke Belastung des inländischen Konsums durch übertriebene
Preise noch die forcierte Ausfuhr zu Schleuderpreisen steht damit im Einklang.
Auf der anderen Seite muß ein so außerordentlich wichtiger Zweig der vater¬
ländischen Urproduktion, der nach der Höhe der investierten Kapitalien, der
Zahl der in ihm beschäftigten Arme und der Wichtigkeit seines Erzeugnisses
an erster Stelle steht, vor den Wechselfällen der internationalen Preiskonjunkturen
möglichst geschützt werden. Das führt dann selbst zu dem Gedanken, Produktion
und Preis nnter Mitwirkung des Staates und zwar direkt im Wege des Gesetzes
zu regeln. Die sozialistische Färbung solcher wirtschaftspolitischen Maßnahmen,
welche vor vierzig Jahren männiglich entsetzt hätten, schreckt heute niemand
mehr. Das Eingreifen des Staats in die wichtigsten wirtschaftlichen Vorgänge
und Erscheinungen ist uns eine geläufige und vertraute Tatsache. Ich zweifle
daher nicht daran, daß sich die weitere Entwicklung der Syndikatsfrage schließlich
in dieser Richtung vollziehen wird.

Die Deutsche Bank beabsichtigt anscheinend eine Kapitalserhöhung zu
dem Zwecke, die Bergisch-Märkische Bank in sich aufzunehmen. Das Aktien¬
kapital derselben befindet sich zum größten Teil bekanntlich in ihren Händen.
Das Projekt ist auffällig. Es ist nicht wohl anzunehmen, daß die Deutsche
Bank lediglich des Prestiges halber, um auch der Höhe des Aktienkapitals nach
den ihr gebührenden ersten Nang unter den deutschen Banken wieder einzu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/111>, abgerufen am 27.09.2024.