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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Aus B, R. Abekens Nachlaß

Die leise Hoffnung, es möchte beim Ordnen der zum Teil in beträcht¬
licher Verwirrung befindlichen Manuskripten - Masse eines oder das andere Un¬
gedruckte der vier Weimarer Großen auftauchen, hat sich leider nicht, oder doch
nur in äußerst bescheidenem Maße erfüllt. Wieland ist der einzige, der mit
einem Briefe vertreten ist; da dieses besonders liebenswürdige Schreiben des
Sechsundsiebzigjährigen bisher nur unvollständig, ungenau und an sehr ab¬
gelegener Stelle veröffentlicht wurde (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 54), so
möge es, wie billig, diese kleine Publikation eröffnen. Von Herder fand sich
gar nichts vor. Schillers Name leuchtete uns auf einem einzelnen Blatt über¬
raschend entgegen; es enthält, in Abschrift von unbekannter Hand, mit der
Bemerkung "Das Original im Besitz der Cottaischen Buchhandlung und noch
ungedruckt," mit der Unterschrift "10. Novbr. 1786. Friedrich Schiller", ein
mir bisher ganz unbekanntes, nicht betiteltes Gedicht von 7 Strophen, deren
erste lautet:

Da ich das Gedicht weder in der vortrefflichen, neuesten, historisch-kritischen
Ausgabe von .Schillers sämtlichen Werken' (herausgegeben von Otto Gürtler
und Georg Witkowski, Leipzig Max Hesses Verlag ^1910Z), noch in der Cottaschen
Säcular-Ausgabe fand -- die Cottasche Buchhandlung teilte mir mit, das
Gedicht befinde sich nicht in ihrem Besitz --, glaubte ich schon, ein Jneditum
vor mir zu haben, bis Albert Leitzmcmn mir den Druck der Verse in Goedekes
Ausgabe 11, 430 nachwies; Goedeke hat sie, den Titel durch .Glaube' ergänzend,
als Ur. 6 in die Abteilung .Zweifelhafte und unechte Gedichte' aufgenommen und
bemerkt dazu (11, 420): "Ur. 6 wurde mir mitgeteilt jvon wem?^ und hatte
sich in Abschrift unter Briefen von Buchhändlern an Schiller gefunden. Ich
halte es für unecht. Das Gedicht scheint ein Gegenstück zu Armbrusters
Schilderung des menschlichen Lebens ("Wahrlich, wahrlich, arme Jammersöhne z
Sind wir höchst gepriesne Herrn der Welt --") zu sein." Die Tatsache, daß
das Gedicht in den genannten, neuen Gesamtausgaben fehlt, beweist, daß deren
Herausgeber es mit Goedeke für unecht halten; wenn ich mich dieser Ansicht
auch nicht unbedingt anzuschließen vermag, so möchte ich doch, mit Rücksicht
auf das Urteil jener Spezialforscher, einen Wiederabdruck an dieser Stelle
unterlassen, würde es aber für nicht mehr als billig halten, wenn man, wie
bei Goethes Gedichten geschieht, in wissenschaftlichen Gesamtausgaben von
Schillers Werken auch den wenigen zweifelhaften oder von einzelnen Forschern
als unecht betrachteten Gedichten einen Platz gönnte/')



*) Die mir vorliegende Abschrift weicht im Wortlaut von dem Druck bei Goedeke ab,
wie folgt: Vers 1 daß an den Staub gekettet; 4 Rauch; 28 schönrer; am Schluß Datum
und Unterschrift, wie oben angegeben.
Aus B, R. Abekens Nachlaß

Die leise Hoffnung, es möchte beim Ordnen der zum Teil in beträcht¬
licher Verwirrung befindlichen Manuskripten - Masse eines oder das andere Un¬
gedruckte der vier Weimarer Großen auftauchen, hat sich leider nicht, oder doch
nur in äußerst bescheidenem Maße erfüllt. Wieland ist der einzige, der mit
einem Briefe vertreten ist; da dieses besonders liebenswürdige Schreiben des
Sechsundsiebzigjährigen bisher nur unvollständig, ungenau und an sehr ab¬
gelegener Stelle veröffentlicht wurde (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 54), so
möge es, wie billig, diese kleine Publikation eröffnen. Von Herder fand sich
gar nichts vor. Schillers Name leuchtete uns auf einem einzelnen Blatt über¬
raschend entgegen; es enthält, in Abschrift von unbekannter Hand, mit der
Bemerkung „Das Original im Besitz der Cottaischen Buchhandlung und noch
ungedruckt," mit der Unterschrift „10. Novbr. 1786. Friedrich Schiller", ein
mir bisher ganz unbekanntes, nicht betiteltes Gedicht von 7 Strophen, deren
erste lautet:

Da ich das Gedicht weder in der vortrefflichen, neuesten, historisch-kritischen
Ausgabe von .Schillers sämtlichen Werken' (herausgegeben von Otto Gürtler
und Georg Witkowski, Leipzig Max Hesses Verlag ^1910Z), noch in der Cottaschen
Säcular-Ausgabe fand — die Cottasche Buchhandlung teilte mir mit, das
Gedicht befinde sich nicht in ihrem Besitz —, glaubte ich schon, ein Jneditum
vor mir zu haben, bis Albert Leitzmcmn mir den Druck der Verse in Goedekes
Ausgabe 11, 430 nachwies; Goedeke hat sie, den Titel durch .Glaube' ergänzend,
als Ur. 6 in die Abteilung .Zweifelhafte und unechte Gedichte' aufgenommen und
bemerkt dazu (11, 420): „Ur. 6 wurde mir mitgeteilt jvon wem?^ und hatte
sich in Abschrift unter Briefen von Buchhändlern an Schiller gefunden. Ich
halte es für unecht. Das Gedicht scheint ein Gegenstück zu Armbrusters
Schilderung des menschlichen Lebens („Wahrlich, wahrlich, arme Jammersöhne z
Sind wir höchst gepriesne Herrn der Welt —") zu sein." Die Tatsache, daß
das Gedicht in den genannten, neuen Gesamtausgaben fehlt, beweist, daß deren
Herausgeber es mit Goedeke für unecht halten; wenn ich mich dieser Ansicht
auch nicht unbedingt anzuschließen vermag, so möchte ich doch, mit Rücksicht
auf das Urteil jener Spezialforscher, einen Wiederabdruck an dieser Stelle
unterlassen, würde es aber für nicht mehr als billig halten, wenn man, wie
bei Goethes Gedichten geschieht, in wissenschaftlichen Gesamtausgaben von
Schillers Werken auch den wenigen zweifelhaften oder von einzelnen Forschern
als unecht betrachteten Gedichten einen Platz gönnte/')



*) Die mir vorliegende Abschrift weicht im Wortlaut von dem Druck bei Goedeke ab,
wie folgt: Vers 1 daß an den Staub gekettet; 4 Rauch; 28 schönrer; am Schluß Datum
und Unterschrift, wie oben angegeben.
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[0588] Aus B, R. Abekens Nachlaß Die leise Hoffnung, es möchte beim Ordnen der zum Teil in beträcht¬ licher Verwirrung befindlichen Manuskripten - Masse eines oder das andere Un¬ gedruckte der vier Weimarer Großen auftauchen, hat sich leider nicht, oder doch nur in äußerst bescheidenem Maße erfüllt. Wieland ist der einzige, der mit einem Briefe vertreten ist; da dieses besonders liebenswürdige Schreiben des Sechsundsiebzigjährigen bisher nur unvollständig, ungenau und an sehr ab¬ gelegener Stelle veröffentlicht wurde (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 54), so möge es, wie billig, diese kleine Publikation eröffnen. Von Herder fand sich gar nichts vor. Schillers Name leuchtete uns auf einem einzelnen Blatt über¬ raschend entgegen; es enthält, in Abschrift von unbekannter Hand, mit der Bemerkung „Das Original im Besitz der Cottaischen Buchhandlung und noch ungedruckt," mit der Unterschrift „10. Novbr. 1786. Friedrich Schiller", ein mir bisher ganz unbekanntes, nicht betiteltes Gedicht von 7 Strophen, deren erste lautet: Da ich das Gedicht weder in der vortrefflichen, neuesten, historisch-kritischen Ausgabe von .Schillers sämtlichen Werken' (herausgegeben von Otto Gürtler und Georg Witkowski, Leipzig Max Hesses Verlag ^1910Z), noch in der Cottaschen Säcular-Ausgabe fand — die Cottasche Buchhandlung teilte mir mit, das Gedicht befinde sich nicht in ihrem Besitz —, glaubte ich schon, ein Jneditum vor mir zu haben, bis Albert Leitzmcmn mir den Druck der Verse in Goedekes Ausgabe 11, 430 nachwies; Goedeke hat sie, den Titel durch .Glaube' ergänzend, als Ur. 6 in die Abteilung .Zweifelhafte und unechte Gedichte' aufgenommen und bemerkt dazu (11, 420): „Ur. 6 wurde mir mitgeteilt jvon wem?^ und hatte sich in Abschrift unter Briefen von Buchhändlern an Schiller gefunden. Ich halte es für unecht. Das Gedicht scheint ein Gegenstück zu Armbrusters Schilderung des menschlichen Lebens („Wahrlich, wahrlich, arme Jammersöhne z Sind wir höchst gepriesne Herrn der Welt —") zu sein." Die Tatsache, daß das Gedicht in den genannten, neuen Gesamtausgaben fehlt, beweist, daß deren Herausgeber es mit Goedeke für unecht halten; wenn ich mich dieser Ansicht auch nicht unbedingt anzuschließen vermag, so möchte ich doch, mit Rücksicht auf das Urteil jener Spezialforscher, einen Wiederabdruck an dieser Stelle unterlassen, würde es aber für nicht mehr als billig halten, wenn man, wie bei Goethes Gedichten geschieht, in wissenschaftlichen Gesamtausgaben von Schillers Werken auch den wenigen zweifelhaften oder von einzelnen Forschern als unecht betrachteten Gedichten einen Platz gönnte/') *) Die mir vorliegende Abschrift weicht im Wortlaut von dem Druck bei Goedeke ab, wie folgt: Vers 1 daß an den Staub gekettet; 4 Rauch; 28 schönrer; am Schluß Datum und Unterschrift, wie oben angegeben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/588>, abgerufen am 03.07.2024.