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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Adel

diese Weise Geadelten hohe Ehren, nicht allein banale gesellschaftliche Bevor¬
zugung, die von Ernster belächelt, von Eiferern bestritten wird, sondern Ehren,
die von jedem anerkannt werden müssen und anerkannt werden, vor allem die
Ehre, bei der Leitung des Volkes eine Rolle spielen und auf diese Weise seine
Geschicke mit lenken zu können. Hohe Anforderungen find darum aber auch an
die Träger des Adels zu stellen; daß kein Unwürdiger ihn trägt, also daß er
keinem Unwürdigen verliehen wird, und daß er jedem Adligen, der sich der
Ehre unwürdig erweist, wieder genommen wird, dafür ist ernstlich zu sorgen.
Und da Edelzucht durch die Geschlechter hindurch, d. h. hohe Leistung mehrerer
Glieder einer Familie nacheinander, im allgemeinen höher zu bewerten ist als
das sporadische Emporsteigen eines Einzelnen, so wird es zwecks Pflege der
Familientradition vernünftig und auch nur billig sein, wenn man den Besitz des
Adels mehrere Generationen hindurch belohnt durch Verleihung eines höheren
Grades von Ehren. Kennen wir doch fünf Adelsgrade, vom niederen Adel
an bis zum Fürstenstande hinauf. Es kann nicht schwer halten, diesen ver¬
schiedenen Graden durch Abstufung der ihnen zuzubilligenden Vorrechte einen
geringeren oder größeren Wert zu verleihen. Das wäre dann in der Tat
Pflege wahrhafter Edelzucht. Wobei natürlich nicht ausgeschlossen bliebe, daß
ein besonders hohes Verdienst gleich durch Verleihung eines höheren Adelsgrades
belohnt wird. Auf diese Weise hätte man -- nach menschlicher Möglichkeit --
die Gewißheit, daß unter dem Begriff des Adels sich wirklich die Würdigsten,
die Führer der Nation vereinigen. Und keine Scheidewand inhaltlosen Hoch¬
mutes und Neides könnte sie von der übrigen Welt trennen. Denn ihre Größe
wäre nicht losgelöst von der Allgemeinheit ihresVolkes, sondern nur eine Stichflamme
auf der Oberfläche eines Feuermeeres, die wieder zurücksinke in das allgemeine
Niveau, wenn die Kraft, die sie emportreibt und ihre Fähigkeit vervielfacht, sie
wieder verläßt. Und beugen würde sich jeder vor ihr, nicht innerlich wider¬
strebend vor Drohnengröße, sondern freudig und stolz vor der Größe des Ver¬
dienstes, das seine Krone trägt, eine Krone, die auch der eigenen Tüchtigkeit
winken kann.

Freilich wird, wer von hervorragenden Eltern geboren und erzogen und
auf den Höhen der Menschheit aufgewachsen ist, eher dazu befähigt sein,
über die Menge emporzuragen, als der Niedriggeborene; denn sich selbst den
Weg von den Tiefen zu den Höhen zu bahnen, das gelingt nur wenigen.
So muß man der Abstammung doch in gewissem Maße Rechnung tragen.
Es gälte also einen Weg zu finden, bei dem die Würdigung der eigenen
Fähigkeit im Vordergrunde steht und doch dem Moment der edlen Abstammung
bis zu einen: gewissen Grade Rechnung getragen wird. Vielleicht ließe sich das
auf die Weise erzielen, daß Kinder von Adligen stets einen Grad niedriger zu
stehen kommen als ihre Eltern, also Kinder eines einfach Adligen bürgerlich,
die eines Barons einfach adlig, die eines Grafen Barone usw. werden, solange
sie nicht die Voraussetzungen der höheren Stufe erfüllen. So würde das Ver-


Adel

diese Weise Geadelten hohe Ehren, nicht allein banale gesellschaftliche Bevor¬
zugung, die von Ernster belächelt, von Eiferern bestritten wird, sondern Ehren,
die von jedem anerkannt werden müssen und anerkannt werden, vor allem die
Ehre, bei der Leitung des Volkes eine Rolle spielen und auf diese Weise seine
Geschicke mit lenken zu können. Hohe Anforderungen find darum aber auch an
die Träger des Adels zu stellen; daß kein Unwürdiger ihn trägt, also daß er
keinem Unwürdigen verliehen wird, und daß er jedem Adligen, der sich der
Ehre unwürdig erweist, wieder genommen wird, dafür ist ernstlich zu sorgen.
Und da Edelzucht durch die Geschlechter hindurch, d. h. hohe Leistung mehrerer
Glieder einer Familie nacheinander, im allgemeinen höher zu bewerten ist als
das sporadische Emporsteigen eines Einzelnen, so wird es zwecks Pflege der
Familientradition vernünftig und auch nur billig sein, wenn man den Besitz des
Adels mehrere Generationen hindurch belohnt durch Verleihung eines höheren
Grades von Ehren. Kennen wir doch fünf Adelsgrade, vom niederen Adel
an bis zum Fürstenstande hinauf. Es kann nicht schwer halten, diesen ver¬
schiedenen Graden durch Abstufung der ihnen zuzubilligenden Vorrechte einen
geringeren oder größeren Wert zu verleihen. Das wäre dann in der Tat
Pflege wahrhafter Edelzucht. Wobei natürlich nicht ausgeschlossen bliebe, daß
ein besonders hohes Verdienst gleich durch Verleihung eines höheren Adelsgrades
belohnt wird. Auf diese Weise hätte man — nach menschlicher Möglichkeit —
die Gewißheit, daß unter dem Begriff des Adels sich wirklich die Würdigsten,
die Führer der Nation vereinigen. Und keine Scheidewand inhaltlosen Hoch¬
mutes und Neides könnte sie von der übrigen Welt trennen. Denn ihre Größe
wäre nicht losgelöst von der Allgemeinheit ihresVolkes, sondern nur eine Stichflamme
auf der Oberfläche eines Feuermeeres, die wieder zurücksinke in das allgemeine
Niveau, wenn die Kraft, die sie emportreibt und ihre Fähigkeit vervielfacht, sie
wieder verläßt. Und beugen würde sich jeder vor ihr, nicht innerlich wider¬
strebend vor Drohnengröße, sondern freudig und stolz vor der Größe des Ver¬
dienstes, das seine Krone trägt, eine Krone, die auch der eigenen Tüchtigkeit
winken kann.

Freilich wird, wer von hervorragenden Eltern geboren und erzogen und
auf den Höhen der Menschheit aufgewachsen ist, eher dazu befähigt sein,
über die Menge emporzuragen, als der Niedriggeborene; denn sich selbst den
Weg von den Tiefen zu den Höhen zu bahnen, das gelingt nur wenigen.
So muß man der Abstammung doch in gewissem Maße Rechnung tragen.
Es gälte also einen Weg zu finden, bei dem die Würdigung der eigenen
Fähigkeit im Vordergrunde steht und doch dem Moment der edlen Abstammung
bis zu einen: gewissen Grade Rechnung getragen wird. Vielleicht ließe sich das
auf die Weise erzielen, daß Kinder von Adligen stets einen Grad niedriger zu
stehen kommen als ihre Eltern, also Kinder eines einfach Adligen bürgerlich,
die eines Barons einfach adlig, die eines Grafen Barone usw. werden, solange
sie nicht die Voraussetzungen der höheren Stufe erfüllen. So würde das Ver-


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[0581] Adel diese Weise Geadelten hohe Ehren, nicht allein banale gesellschaftliche Bevor¬ zugung, die von Ernster belächelt, von Eiferern bestritten wird, sondern Ehren, die von jedem anerkannt werden müssen und anerkannt werden, vor allem die Ehre, bei der Leitung des Volkes eine Rolle spielen und auf diese Weise seine Geschicke mit lenken zu können. Hohe Anforderungen find darum aber auch an die Träger des Adels zu stellen; daß kein Unwürdiger ihn trägt, also daß er keinem Unwürdigen verliehen wird, und daß er jedem Adligen, der sich der Ehre unwürdig erweist, wieder genommen wird, dafür ist ernstlich zu sorgen. Und da Edelzucht durch die Geschlechter hindurch, d. h. hohe Leistung mehrerer Glieder einer Familie nacheinander, im allgemeinen höher zu bewerten ist als das sporadische Emporsteigen eines Einzelnen, so wird es zwecks Pflege der Familientradition vernünftig und auch nur billig sein, wenn man den Besitz des Adels mehrere Generationen hindurch belohnt durch Verleihung eines höheren Grades von Ehren. Kennen wir doch fünf Adelsgrade, vom niederen Adel an bis zum Fürstenstande hinauf. Es kann nicht schwer halten, diesen ver¬ schiedenen Graden durch Abstufung der ihnen zuzubilligenden Vorrechte einen geringeren oder größeren Wert zu verleihen. Das wäre dann in der Tat Pflege wahrhafter Edelzucht. Wobei natürlich nicht ausgeschlossen bliebe, daß ein besonders hohes Verdienst gleich durch Verleihung eines höheren Adelsgrades belohnt wird. Auf diese Weise hätte man — nach menschlicher Möglichkeit — die Gewißheit, daß unter dem Begriff des Adels sich wirklich die Würdigsten, die Führer der Nation vereinigen. Und keine Scheidewand inhaltlosen Hoch¬ mutes und Neides könnte sie von der übrigen Welt trennen. Denn ihre Größe wäre nicht losgelöst von der Allgemeinheit ihresVolkes, sondern nur eine Stichflamme auf der Oberfläche eines Feuermeeres, die wieder zurücksinke in das allgemeine Niveau, wenn die Kraft, die sie emportreibt und ihre Fähigkeit vervielfacht, sie wieder verläßt. Und beugen würde sich jeder vor ihr, nicht innerlich wider¬ strebend vor Drohnengröße, sondern freudig und stolz vor der Größe des Ver¬ dienstes, das seine Krone trägt, eine Krone, die auch der eigenen Tüchtigkeit winken kann. Freilich wird, wer von hervorragenden Eltern geboren und erzogen und auf den Höhen der Menschheit aufgewachsen ist, eher dazu befähigt sein, über die Menge emporzuragen, als der Niedriggeborene; denn sich selbst den Weg von den Tiefen zu den Höhen zu bahnen, das gelingt nur wenigen. So muß man der Abstammung doch in gewissem Maße Rechnung tragen. Es gälte also einen Weg zu finden, bei dem die Würdigung der eigenen Fähigkeit im Vordergrunde steht und doch dem Moment der edlen Abstammung bis zu einen: gewissen Grade Rechnung getragen wird. Vielleicht ließe sich das auf die Weise erzielen, daß Kinder von Adligen stets einen Grad niedriger zu stehen kommen als ihre Eltern, also Kinder eines einfach Adligen bürgerlich, die eines Barons einfach adlig, die eines Grafen Barone usw. werden, solange sie nicht die Voraussetzungen der höheren Stufe erfüllen. So würde das Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/581>, abgerufen am 23.07.2024.