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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Adel

as Wesen und die Bedeutung des Adels beruht in der Edelzucht,
Edelzucht aber heißt Veredlung oder Edelwahrung des Individuums
durch die Geschlechter hindurch; das ist, auf die Menschen im
Verhältnis zu ihrer Volksgemeinschaft angewandt. Streben nach
^-is"" möglichst hohem Aufsteigen der Familie innerhalb der Gemeinschaft
von Geschlecht zu Geschlecht, oder nach möglichstem Beharren in der erreichten
Höhe, Pflege oder Wahrung einer edlen Familientradition. Nicht sich
als einziges Zentrum der Schöpfung betrachten, das nur für sich selbst zu ver¬
antworten, aber auch nur für sich selbst zu sorgen und sich zu befriedigen hat.
Vielmehr sich als Zwischenglied in der Kette der Geschlechter fühlen,
mit dem Blick nach rückwärts über die Reihe der Vorfahren hin -- in Sorge,
das Überkommene zu wahren oder zu mehren und in Freude über die eigene
Mehrleistung --, und den Blick nach vorwärts gerichtet auf das kommende
Geschlecht -- im Gefühl der Verantwortung, daß es erzogen und vorbereitet
werde für seine künftige Aufgabe, aber auch im Gefühl der Freude und oft auch
des Trostes: Mein Sohn soll es weiter bringen als ich, das Rüstzeug dafür
habe ich ihm mitgegeben nach besten Kräften. Man sagt es dem deutschen Volke
nach, daß es unter den Völkern in besonderem Maße ausgestattet sei mit diesem
Gefühl der Verantwortung für die Nachkommen, daß deutsche Eltern ganz
besonders das Bestreben zeigen, ihre Kinder gut zu erziehen und sie mehr werden
zu lassen als sie selbst sind. Segen darüberl Denn es gewährt ihnen Lebens¬
inhalt und Zukunftsfreude, aber auch Halt und Trost im eigenen Mißlingen.
Und glücklich das Volk, dem dieses Streben innewohnt! Es gibt ihm Lebens¬
drang und Kraft, fortzuschreiten auf dem Wege der Kultur und der Herrschaft
der Menschen über die Erde, aber auch Stetigkeit und Ruhe auf seinen Wegen
bei dem Verantwortlichkeitsgefühl seiner Glieder für Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft. Darum hat auch der Staat ein Interesse daran, ja sogar die
dringende und unabweisbare Pflicht, die Edelzucht, das Streben der Familien,
in die Höhe zu gelangen, nach Möglichkeit zu pflegen und zu fördern. Solche
Förderung kann aber nur bestehen in der sichtbaren Anerkennung und Aus-
Zeichnung derer, die es auf diesem Wege am weitesten gebracht haben, auf daß
ihre Auszeichnung ein Beispiel darstelle für die übrigen, ihnen nachzustreben,




Adel

as Wesen und die Bedeutung des Adels beruht in der Edelzucht,
Edelzucht aber heißt Veredlung oder Edelwahrung des Individuums
durch die Geschlechter hindurch; das ist, auf die Menschen im
Verhältnis zu ihrer Volksgemeinschaft angewandt. Streben nach
^-is»» möglichst hohem Aufsteigen der Familie innerhalb der Gemeinschaft
von Geschlecht zu Geschlecht, oder nach möglichstem Beharren in der erreichten
Höhe, Pflege oder Wahrung einer edlen Familientradition. Nicht sich
als einziges Zentrum der Schöpfung betrachten, das nur für sich selbst zu ver¬
antworten, aber auch nur für sich selbst zu sorgen und sich zu befriedigen hat.
Vielmehr sich als Zwischenglied in der Kette der Geschlechter fühlen,
mit dem Blick nach rückwärts über die Reihe der Vorfahren hin — in Sorge,
das Überkommene zu wahren oder zu mehren und in Freude über die eigene
Mehrleistung —, und den Blick nach vorwärts gerichtet auf das kommende
Geschlecht — im Gefühl der Verantwortung, daß es erzogen und vorbereitet
werde für seine künftige Aufgabe, aber auch im Gefühl der Freude und oft auch
des Trostes: Mein Sohn soll es weiter bringen als ich, das Rüstzeug dafür
habe ich ihm mitgegeben nach besten Kräften. Man sagt es dem deutschen Volke
nach, daß es unter den Völkern in besonderem Maße ausgestattet sei mit diesem
Gefühl der Verantwortung für die Nachkommen, daß deutsche Eltern ganz
besonders das Bestreben zeigen, ihre Kinder gut zu erziehen und sie mehr werden
zu lassen als sie selbst sind. Segen darüberl Denn es gewährt ihnen Lebens¬
inhalt und Zukunftsfreude, aber auch Halt und Trost im eigenen Mißlingen.
Und glücklich das Volk, dem dieses Streben innewohnt! Es gibt ihm Lebens¬
drang und Kraft, fortzuschreiten auf dem Wege der Kultur und der Herrschaft
der Menschen über die Erde, aber auch Stetigkeit und Ruhe auf seinen Wegen
bei dem Verantwortlichkeitsgefühl seiner Glieder für Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft. Darum hat auch der Staat ein Interesse daran, ja sogar die
dringende und unabweisbare Pflicht, die Edelzucht, das Streben der Familien,
in die Höhe zu gelangen, nach Möglichkeit zu pflegen und zu fördern. Solche
Förderung kann aber nur bestehen in der sichtbaren Anerkennung und Aus-
Zeichnung derer, die es auf diesem Wege am weitesten gebracht haben, auf daß
ihre Auszeichnung ein Beispiel darstelle für die übrigen, ihnen nachzustreben,


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[0579] [Abbildung] Adel as Wesen und die Bedeutung des Adels beruht in der Edelzucht, Edelzucht aber heißt Veredlung oder Edelwahrung des Individuums durch die Geschlechter hindurch; das ist, auf die Menschen im Verhältnis zu ihrer Volksgemeinschaft angewandt. Streben nach ^-is»» möglichst hohem Aufsteigen der Familie innerhalb der Gemeinschaft von Geschlecht zu Geschlecht, oder nach möglichstem Beharren in der erreichten Höhe, Pflege oder Wahrung einer edlen Familientradition. Nicht sich als einziges Zentrum der Schöpfung betrachten, das nur für sich selbst zu ver¬ antworten, aber auch nur für sich selbst zu sorgen und sich zu befriedigen hat. Vielmehr sich als Zwischenglied in der Kette der Geschlechter fühlen, mit dem Blick nach rückwärts über die Reihe der Vorfahren hin — in Sorge, das Überkommene zu wahren oder zu mehren und in Freude über die eigene Mehrleistung —, und den Blick nach vorwärts gerichtet auf das kommende Geschlecht — im Gefühl der Verantwortung, daß es erzogen und vorbereitet werde für seine künftige Aufgabe, aber auch im Gefühl der Freude und oft auch des Trostes: Mein Sohn soll es weiter bringen als ich, das Rüstzeug dafür habe ich ihm mitgegeben nach besten Kräften. Man sagt es dem deutschen Volke nach, daß es unter den Völkern in besonderem Maße ausgestattet sei mit diesem Gefühl der Verantwortung für die Nachkommen, daß deutsche Eltern ganz besonders das Bestreben zeigen, ihre Kinder gut zu erziehen und sie mehr werden zu lassen als sie selbst sind. Segen darüberl Denn es gewährt ihnen Lebens¬ inhalt und Zukunftsfreude, aber auch Halt und Trost im eigenen Mißlingen. Und glücklich das Volk, dem dieses Streben innewohnt! Es gibt ihm Lebens¬ drang und Kraft, fortzuschreiten auf dem Wege der Kultur und der Herrschaft der Menschen über die Erde, aber auch Stetigkeit und Ruhe auf seinen Wegen bei dem Verantwortlichkeitsgefühl seiner Glieder für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Darum hat auch der Staat ein Interesse daran, ja sogar die dringende und unabweisbare Pflicht, die Edelzucht, das Streben der Familien, in die Höhe zu gelangen, nach Möglichkeit zu pflegen und zu fördern. Solche Förderung kann aber nur bestehen in der sichtbaren Anerkennung und Aus- Zeichnung derer, die es auf diesem Wege am weitesten gebracht haben, auf daß ihre Auszeichnung ein Beispiel darstelle für die übrigen, ihnen nachzustreben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/579>, abgerufen am 23.07.2024.