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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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hingekommen, als plötzlich Herr v. C., der österreichische Gesandte, der eben aus
Peking eingetroffen war, auf uns losgestürzt kam, und nun wurde ein frohes Wieder¬
sehen gefeiert. Er ist ein sehr netter Mann, einfach und gemütlich und ganz
ohne die üblichen diplomatischen Podagra-Allüren.

Die Fahrt von Shanghai nach Hongkong war trotz der großen Hitze doch
sehr angenehm und die Reisegesellschaft ganz nett. Unter unseren Mitreisenden
befand sich u. a. ein deutscher Kaufmann namens W., der sein Hauptgeschäft in
Hongkong, aber außerdem Filialen in Shanghai und Canton hat. Dieser war
nun so freundlich, uns eine Empfehlung an seinen hiesigen Vertreter, Herrn P.,
mitzugeben, bei dem wir jederzeit Geld aufnehmen können. Auf diese Weise
brauchten wir nicht gleich die ganze Summe, die wir hier eventuell nötig hätten,
in Hongkong aufzunehmen.

Am Freitag Morgen hatten wir das öde Shanghai verlassen und kamen
bereits am Sonntag Abend in dem unbeschreiblich schönen Hafen von Hongkong
an, der nach Bildern zu urteilen dem Golf von Neapel ähnlich sein muß. Die
Insel, auf der Hongkong liegt, erhebt sich bis zu einer Höhe von 1800 Fuß,
und dieser vor fünfzig Jahren noch völlig kahle Felsen mit seinem mörderischen
Klima ist jetzt durch die Energie der Engländer in ein wahres Eden umgewandelt
worden. Allenthalben herrlicher, bereits an die Nähe der Tropen erinnernder
Baunuvuchs, mundervolle Parkwege, von denen aus der entzückte Blick über die
weite, inselbedecktc See schweift, palastähnliche Häuser, die sich den Berg hinan-
Ziehen, und deren prächtigste von Deutschen bewohnt sind. Den Engländern
wird nämlich dort auf ihrem eigenen Grund und Boden von den Deutschen eine ganz
gefährliche Konkurrenz gemacht, und schon gibt es in Hongkong mehr deutsche
Firmen als englische, wie mir Herr W. erzählte.

Wir suchten in Hongkong zunächst den Bizekonsul H. auf, der sehr liebens¬
würdig war und sich uns von 1^/2 Uhr ganz zur Verfügung stellte. Es wurde
verabredet, daß wir uns oben im Peak-Hotel treffen sollten, wo er wohnt und
das durch eine Zahnradbahn mit der Stadt verbunden ist. Das Hotel liegt
200 Fuß unterhalb des Gipfels, und die Aussicht, die man unterwegs vom
Wagen aus genießt, ist wirklich entzückend schön. Ich fuhr mit Lilly voraus,
um noch den Gipfel erklimmen zu können, der übrigens in der bequemsten Weise
auf sanft ansteigenden, schön asphaltierten Wegen erreicht wird. Um 1^ Uhr
trafen wir verabredetermaßen mit dem Vizekonsul im Hotel zusammen und machten
nach dem Tiffin") einen wundervollen dreistündigen Spaziergang mit ihm.

Es lag mir sehr viel daran, meinen alten Freund Ao, der früher Lehrer
am Berliner Orientalischen Seminar gewesen ist, wiederzusehen, und da mir
niemand seine Adresse angeben konnte, entschlossen wir uns, uns noch am Abend
nach dein Findelhause der Berliner Franemnission tragen zu lassen, denn da
Ao Protestant ist, hoffte ich. dort allenfalls Auskunft zu erhalten. Zum Glück



") Frühstück,

hingekommen, als plötzlich Herr v. C., der österreichische Gesandte, der eben aus
Peking eingetroffen war, auf uns losgestürzt kam, und nun wurde ein frohes Wieder¬
sehen gefeiert. Er ist ein sehr netter Mann, einfach und gemütlich und ganz
ohne die üblichen diplomatischen Podagra-Allüren.

Die Fahrt von Shanghai nach Hongkong war trotz der großen Hitze doch
sehr angenehm und die Reisegesellschaft ganz nett. Unter unseren Mitreisenden
befand sich u. a. ein deutscher Kaufmann namens W., der sein Hauptgeschäft in
Hongkong, aber außerdem Filialen in Shanghai und Canton hat. Dieser war
nun so freundlich, uns eine Empfehlung an seinen hiesigen Vertreter, Herrn P.,
mitzugeben, bei dem wir jederzeit Geld aufnehmen können. Auf diese Weise
brauchten wir nicht gleich die ganze Summe, die wir hier eventuell nötig hätten,
in Hongkong aufzunehmen.

Am Freitag Morgen hatten wir das öde Shanghai verlassen und kamen
bereits am Sonntag Abend in dem unbeschreiblich schönen Hafen von Hongkong
an, der nach Bildern zu urteilen dem Golf von Neapel ähnlich sein muß. Die
Insel, auf der Hongkong liegt, erhebt sich bis zu einer Höhe von 1800 Fuß,
und dieser vor fünfzig Jahren noch völlig kahle Felsen mit seinem mörderischen
Klima ist jetzt durch die Energie der Engländer in ein wahres Eden umgewandelt
worden. Allenthalben herrlicher, bereits an die Nähe der Tropen erinnernder
Baunuvuchs, mundervolle Parkwege, von denen aus der entzückte Blick über die
weite, inselbedecktc See schweift, palastähnliche Häuser, die sich den Berg hinan-
Ziehen, und deren prächtigste von Deutschen bewohnt sind. Den Engländern
wird nämlich dort auf ihrem eigenen Grund und Boden von den Deutschen eine ganz
gefährliche Konkurrenz gemacht, und schon gibt es in Hongkong mehr deutsche
Firmen als englische, wie mir Herr W. erzählte.

Wir suchten in Hongkong zunächst den Bizekonsul H. auf, der sehr liebens¬
würdig war und sich uns von 1^/2 Uhr ganz zur Verfügung stellte. Es wurde
verabredet, daß wir uns oben im Peak-Hotel treffen sollten, wo er wohnt und
das durch eine Zahnradbahn mit der Stadt verbunden ist. Das Hotel liegt
200 Fuß unterhalb des Gipfels, und die Aussicht, die man unterwegs vom
Wagen aus genießt, ist wirklich entzückend schön. Ich fuhr mit Lilly voraus,
um noch den Gipfel erklimmen zu können, der übrigens in der bequemsten Weise
auf sanft ansteigenden, schön asphaltierten Wegen erreicht wird. Um 1^ Uhr
trafen wir verabredetermaßen mit dem Vizekonsul im Hotel zusammen und machten
nach dem Tiffin") einen wundervollen dreistündigen Spaziergang mit ihm.

Es lag mir sehr viel daran, meinen alten Freund Ao, der früher Lehrer
am Berliner Orientalischen Seminar gewesen ist, wiederzusehen, und da mir
niemand seine Adresse angeben konnte, entschlossen wir uns, uns noch am Abend
nach dein Findelhause der Berliner Franemnission tragen zu lassen, denn da
Ao Protestant ist, hoffte ich. dort allenfalls Auskunft zu erhalten. Zum Glück



") Frühstück,
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[0485] hingekommen, als plötzlich Herr v. C., der österreichische Gesandte, der eben aus Peking eingetroffen war, auf uns losgestürzt kam, und nun wurde ein frohes Wieder¬ sehen gefeiert. Er ist ein sehr netter Mann, einfach und gemütlich und ganz ohne die üblichen diplomatischen Podagra-Allüren. Die Fahrt von Shanghai nach Hongkong war trotz der großen Hitze doch sehr angenehm und die Reisegesellschaft ganz nett. Unter unseren Mitreisenden befand sich u. a. ein deutscher Kaufmann namens W., der sein Hauptgeschäft in Hongkong, aber außerdem Filialen in Shanghai und Canton hat. Dieser war nun so freundlich, uns eine Empfehlung an seinen hiesigen Vertreter, Herrn P., mitzugeben, bei dem wir jederzeit Geld aufnehmen können. Auf diese Weise brauchten wir nicht gleich die ganze Summe, die wir hier eventuell nötig hätten, in Hongkong aufzunehmen. Am Freitag Morgen hatten wir das öde Shanghai verlassen und kamen bereits am Sonntag Abend in dem unbeschreiblich schönen Hafen von Hongkong an, der nach Bildern zu urteilen dem Golf von Neapel ähnlich sein muß. Die Insel, auf der Hongkong liegt, erhebt sich bis zu einer Höhe von 1800 Fuß, und dieser vor fünfzig Jahren noch völlig kahle Felsen mit seinem mörderischen Klima ist jetzt durch die Energie der Engländer in ein wahres Eden umgewandelt worden. Allenthalben herrlicher, bereits an die Nähe der Tropen erinnernder Baunuvuchs, mundervolle Parkwege, von denen aus der entzückte Blick über die weite, inselbedecktc See schweift, palastähnliche Häuser, die sich den Berg hinan- Ziehen, und deren prächtigste von Deutschen bewohnt sind. Den Engländern wird nämlich dort auf ihrem eigenen Grund und Boden von den Deutschen eine ganz gefährliche Konkurrenz gemacht, und schon gibt es in Hongkong mehr deutsche Firmen als englische, wie mir Herr W. erzählte. Wir suchten in Hongkong zunächst den Bizekonsul H. auf, der sehr liebens¬ würdig war und sich uns von 1^/2 Uhr ganz zur Verfügung stellte. Es wurde verabredet, daß wir uns oben im Peak-Hotel treffen sollten, wo er wohnt und das durch eine Zahnradbahn mit der Stadt verbunden ist. Das Hotel liegt 200 Fuß unterhalb des Gipfels, und die Aussicht, die man unterwegs vom Wagen aus genießt, ist wirklich entzückend schön. Ich fuhr mit Lilly voraus, um noch den Gipfel erklimmen zu können, der übrigens in der bequemsten Weise auf sanft ansteigenden, schön asphaltierten Wegen erreicht wird. Um 1^ Uhr trafen wir verabredetermaßen mit dem Vizekonsul im Hotel zusammen und machten nach dem Tiffin") einen wundervollen dreistündigen Spaziergang mit ihm. Es lag mir sehr viel daran, meinen alten Freund Ao, der früher Lehrer am Berliner Orientalischen Seminar gewesen ist, wiederzusehen, und da mir niemand seine Adresse angeben konnte, entschlossen wir uns, uns noch am Abend nach dein Findelhause der Berliner Franemnission tragen zu lassen, denn da Ao Protestant ist, hoffte ich. dort allenfalls Auskunft zu erhalten. Zum Glück ") Frühstück,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/485>, abgerufen am 23.07.2024.