Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Das Erlebnis "Nein, nein, das ist es nicht," sagte er hastig. "Ich denke nur an das Kind. "Schwester Felicitas und ich haben auch schon daran gedacht," gestand die Der alte Herr mußte trotz der Sorge, die ihn bedrückte, lachen. "Weiß Gott, das stimmt!" sagte er. "Ihr beide seit alles andre als taub¬ "Wir können nichts tun als hoffen und beten," bemerkte die Schwester leise. "Liebe Merge, wenn du deinem Mann eine recht große complaisance (Fortsetzung folgt) Das Erlebnis Litt Vorschlag zur Kunsterziehung Dr. Robort Lorw egh- von !le ein Blitz in plötzlichem Aufleuchten eine Gegend, die im Das Erlebnis „Nein, nein, das ist es nicht," sagte er hastig. „Ich denke nur an das Kind. „Schwester Felicitas und ich haben auch schon daran gedacht," gestand die Der alte Herr mußte trotz der Sorge, die ihn bedrückte, lachen. „Weiß Gott, das stimmt!" sagte er. „Ihr beide seit alles andre als taub¬ „Wir können nichts tun als hoffen und beten," bemerkte die Schwester leise. „Liebe Merge, wenn du deinem Mann eine recht große complaisance (Fortsetzung folgt) Das Erlebnis Litt Vorschlag zur Kunsterziehung Dr. Robort Lorw egh- von !le ein Blitz in plötzlichem Aufleuchten eine Gegend, die im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319951"/> <fw type="header" place="top"> Das Erlebnis</fw><lb/> <p xml:id="ID_1479"> „Nein, nein, das ist es nicht," sagte er hastig. „Ich denke nur an das Kind.<lb/> Wenn die alte Familienmisere wiederkäme! Du weißt doch: unsere beiden vneles<lb/> waren taubstumm."</p><lb/> <p xml:id="ID_1480"> „Schwester Felicitas und ich haben auch schon daran gedacht," gestand die<lb/> Gubernatorin kleinlaut. „Aber muß es denn wiederkommen? Du bist gesund, und<lb/> die Merge ist gesünder als alle, die je in unsre Familie hineingeheiratet haben.<lb/> Und die Schwester und ich sind doch auch nicht taubstumm."</p><lb/> <p xml:id="ID_1481"> Der alte Herr mußte trotz der Sorge, die ihn bedrückte, lachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1482"> „Weiß Gott, das stimmt!" sagte er. „Ihr beide seit alles andre als taub¬<lb/> stumm. Uns drei hat es verschont, aber das Geschlecht, das nach uns kommt, ist<lb/> wieder an der Reihe."</p><lb/> <p xml:id="ID_1483"> „Wir können nichts tun als hoffen und beten," bemerkte die Schwester leise.<lb/> Dann aber drängte sie den Bruder energisch von seinem Platze weg, riß das<lb/> Fenster auf und rief:</p><lb/> <p xml:id="ID_1484"> „Liebe Merge, wenn du deinem Mann eine recht große complaisance<lb/> erweisen willst, dann sei raisonnable und iß keine Stachelbeeren mehr!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1485"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Erlebnis<lb/> Litt Vorschlag zur Kunsterziehung<lb/><note type="byline"> Dr. Robort Lorw egh-</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1486" next="#ID_1487"> !le ein Blitz in plötzlichem Aufleuchten eine Gegend, die im<lb/> Dunkel lag, erhellt und entschleiert, so kann ein Wort ein ganzes<lb/> Gebiet unseres Erkennens aufklären. Ein menschliches Erlebnis,<lb/> sagte einer der besten Dozenten für Kunstgeschichte, sührt uns oft<lb/> tiefer in alles Kunsterkennen als jahrelanges Bemühen und<lb/> Forschen. Dieses Wort, das mich sogleich tief ergriff, belegte er durch das<lb/> Beispiel, daß vielen die Schönheit eines Platzes, wie des vor S. Annunziata in<lb/> Florenz, nicht eher klar aufgeht, bis irgend ein Erleben sie aus dem Gleis all¬<lb/> täglichen Fühlens wirft. Dann scheinen wie durch ein Wunder die Augen auf¬<lb/> getan, und mit dem Gefühl der Lust über das Schöne verbindet sich die Einsicht<lb/> in die Anregung zu dieser Empfindung, die in den Verhältnissen der Gebäude,<lb/> in der Geschlossenheit des Platzbildes ihren Ursprung hat. Seitdem habe ich<lb/> erkannt, daß die Vorbedingung, die Voraussetzung jeden Kunstempfindens das<lb/> Erlebnis sei. Um so mehr mußte ich mich als Kunstfreund darüber ereifern, als<lb/> man in der Erkenntnis, daß die Kunst bei der Ausbildung der Jugend nicht ver¬<lb/> nachlässigt werden dürfe, um dies Versäumnis mehrerer Jahrhunderte wettzu¬<lb/> machen, den Unterricht der Kunstgeschichte in unsere Schulen einführte. Nur<lb/> wenige leitet eine Wissenschaft (das ist Kunstgeschichte) zur Kunst selbst, die ein<lb/> eigenes Gebiet unserer Auseinandersetzung mit dem Unendlichen bedeutet. Und<lb/> außerdem ist Kunstgeschichte, wie sie zumeist getrieben wird, eine Geschichte des<lb/> Lebensganges des Künstlers und der Stile, die einer willkürlichen Trennung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Das Erlebnis
„Nein, nein, das ist es nicht," sagte er hastig. „Ich denke nur an das Kind.
Wenn die alte Familienmisere wiederkäme! Du weißt doch: unsere beiden vneles
waren taubstumm."
„Schwester Felicitas und ich haben auch schon daran gedacht," gestand die
Gubernatorin kleinlaut. „Aber muß es denn wiederkommen? Du bist gesund, und
die Merge ist gesünder als alle, die je in unsre Familie hineingeheiratet haben.
Und die Schwester und ich sind doch auch nicht taubstumm."
Der alte Herr mußte trotz der Sorge, die ihn bedrückte, lachen.
„Weiß Gott, das stimmt!" sagte er. „Ihr beide seit alles andre als taub¬
stumm. Uns drei hat es verschont, aber das Geschlecht, das nach uns kommt, ist
wieder an der Reihe."
„Wir können nichts tun als hoffen und beten," bemerkte die Schwester leise.
Dann aber drängte sie den Bruder energisch von seinem Platze weg, riß das
Fenster auf und rief:
„Liebe Merge, wenn du deinem Mann eine recht große complaisance
erweisen willst, dann sei raisonnable und iß keine Stachelbeeren mehr!"
(Fortsetzung folgt)
Das Erlebnis
Litt Vorschlag zur Kunsterziehung
Dr. Robort Lorw egh- von
!le ein Blitz in plötzlichem Aufleuchten eine Gegend, die im
Dunkel lag, erhellt und entschleiert, so kann ein Wort ein ganzes
Gebiet unseres Erkennens aufklären. Ein menschliches Erlebnis,
sagte einer der besten Dozenten für Kunstgeschichte, sührt uns oft
tiefer in alles Kunsterkennen als jahrelanges Bemühen und
Forschen. Dieses Wort, das mich sogleich tief ergriff, belegte er durch das
Beispiel, daß vielen die Schönheit eines Platzes, wie des vor S. Annunziata in
Florenz, nicht eher klar aufgeht, bis irgend ein Erleben sie aus dem Gleis all¬
täglichen Fühlens wirft. Dann scheinen wie durch ein Wunder die Augen auf¬
getan, und mit dem Gefühl der Lust über das Schöne verbindet sich die Einsicht
in die Anregung zu dieser Empfindung, die in den Verhältnissen der Gebäude,
in der Geschlossenheit des Platzbildes ihren Ursprung hat. Seitdem habe ich
erkannt, daß die Vorbedingung, die Voraussetzung jeden Kunstempfindens das
Erlebnis sei. Um so mehr mußte ich mich als Kunstfreund darüber ereifern, als
man in der Erkenntnis, daß die Kunst bei der Ausbildung der Jugend nicht ver¬
nachlässigt werden dürfe, um dies Versäumnis mehrerer Jahrhunderte wettzu¬
machen, den Unterricht der Kunstgeschichte in unsere Schulen einführte. Nur
wenige leitet eine Wissenschaft (das ist Kunstgeschichte) zur Kunst selbst, die ein
eigenes Gebiet unserer Auseinandersetzung mit dem Unendlichen bedeutet. Und
außerdem ist Kunstgeschichte, wie sie zumeist getrieben wird, eine Geschichte des
Lebensganges des Künstlers und der Stile, die einer willkürlichen Trennung der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |