Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Her Untergang des alten Beamtenstaats den Frankfurter Garten der Zeuge hinzuweisen und nicht auf eine Osmanstätter Der Untergang des alten Veamtenstaats ach meiner früheren Ankündigung") hab ich jetzt zu zeigen, welche Bevor ich dazu übergehe, dies im einzelnen darzutun, muß ich darauf hin- *') Vgl.: "Die Not der Preußischen Verwaltung,", Grenzboten 1910, Heft 3 und die
Fortsetzungen in den Heften 4, 5, 7, 1ö, 16, 18, 46, 46 und 48. Her Untergang des alten Beamtenstaats den Frankfurter Garten der Zeuge hinzuweisen und nicht auf eine Osmanstätter Der Untergang des alten Veamtenstaats ach meiner früheren Ankündigung") hab ich jetzt zu zeigen, welche Bevor ich dazu übergehe, dies im einzelnen darzutun, muß ich darauf hin- *') Vgl.: „Die Not der Preußischen Verwaltung,", Grenzboten 1910, Heft 3 und die
Fortsetzungen in den Heften 4, 5, 7, 1ö, 16, 18, 46, 46 und 48. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319928"/> <fw type="header" place="top"> Her Untergang des alten Beamtenstaats</fw><lb/> <p xml:id="ID_1342" prev="#ID_1341"> den Frankfurter Garten der Zeuge hinzuweisen und nicht auf eine Osmanstätter<lb/> Laube, darin zu weilen der Winter nicht gestattet hätte. Aber daß Kleist die<lb/> Reise von Luise weg im Frühjahr antrat, mag ihm den Eingang der fran¬<lb/> zösischen Erzählung wahr gemacht haben. Unter Tränen schied er von ihr, wie<lb/> der Täuber bei der Erinnerung an den Abschied weint, in der von Lafontaine<lb/> unabhängigen und gar nicht fabelmäßigen Stelle des Gedichtes. Und eben da<lb/> wird weiter erzählt, daß der Täuber die Reise fortsetzend in eines Städters<lb/> reiche Wohnung einkehrt, wohin ein Freund ihn warm empfohlen; das kann<lb/> auf Kleists Fahrt nach Leipzig deuten, wo er ein warmes Empfehlungsschreiben<lb/> Wielands bei Göschen abzugeben hatte. „Viel Höflichkeit, um dessen, der ihn<lb/> sandte, wird ihn: zu Teil, viel Gut' und Artigkeit". Und wie der Täuber zum<lb/> blonden Täubchen kehrte Kleist unselig und sehnsüchtig zurück zu Luise, „noch<lb/> ganz derselbe liebenswürdige Mensch", der ausgezogen war. Doch „die junge<lb/> liebliche Gestalt war an ihm vorübergegangen", „die Zeit der Liebe war ihm<lb/> entflohen", klagt der Schluß der Fabel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Untergang des alten Veamtenstaats</head><lb/> <p xml:id="ID_1343"> ach meiner früheren Ankündigung") hab ich jetzt zu zeigen, welche<lb/> Folgen das Stümpertum und die Günstlingswirtschaft in unserer<lb/> Verwaltung gehabt haben. Man kann es mit einem Wort sagen:<lb/> sie sind die Totengräber des alten preußischen Beamten¬<lb/> staats geworden. Und ich fürchte, daß sie auf dem besten Wege<lb/> sind, auch unseren heutigen Staat zu verderben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Bevor ich dazu übergehe, dies im einzelnen darzutun, muß ich darauf hin-<lb/> weisen, daß man die Bezeichnungen „Beamtenstaat" und „Militärstaat" — die<lb/> übliche und notwendige Ergänzung dazu — nicht allzu wörtlich nehmen darf.<lb/> Sie bedeuten keine besonderen Staatsformen, sondern die besonderen Formen<lb/> der Betätigung eines bestimmten Staats. Dieser Staat war der alte preußische<lb/> Patrimonialstaat. Er war eng verknüpft mit der Person des Herrschers und<lb/> beruhte auf dem Gegensatz zwischen Herrscher und Untertanen. Nur der Herrscher<lb/> und seine Gehilfen waren die Träger und die Verwirklicher des Staatsgedankens.<lb/> Der Staat war, wie es Prof. O. Hintze, dem ich auch sonst hier folge, nennt,</p><lb/> <note xml:id="FID_27" place="foot"> *') Vgl.: „Die Not der Preußischen Verwaltung,", Grenzboten 1910, Heft 3 und die<lb/> Fortsetzungen in den Heften 4, 5, 7, 1ö, 16, 18, 46, 46 und 48.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
Her Untergang des alten Beamtenstaats
den Frankfurter Garten der Zeuge hinzuweisen und nicht auf eine Osmanstätter
Laube, darin zu weilen der Winter nicht gestattet hätte. Aber daß Kleist die
Reise von Luise weg im Frühjahr antrat, mag ihm den Eingang der fran¬
zösischen Erzählung wahr gemacht haben. Unter Tränen schied er von ihr, wie
der Täuber bei der Erinnerung an den Abschied weint, in der von Lafontaine
unabhängigen und gar nicht fabelmäßigen Stelle des Gedichtes. Und eben da
wird weiter erzählt, daß der Täuber die Reise fortsetzend in eines Städters
reiche Wohnung einkehrt, wohin ein Freund ihn warm empfohlen; das kann
auf Kleists Fahrt nach Leipzig deuten, wo er ein warmes Empfehlungsschreiben
Wielands bei Göschen abzugeben hatte. „Viel Höflichkeit, um dessen, der ihn
sandte, wird ihn: zu Teil, viel Gut' und Artigkeit". Und wie der Täuber zum
blonden Täubchen kehrte Kleist unselig und sehnsüchtig zurück zu Luise, „noch
ganz derselbe liebenswürdige Mensch", der ausgezogen war. Doch „die junge
liebliche Gestalt war an ihm vorübergegangen", „die Zeit der Liebe war ihm
entflohen", klagt der Schluß der Fabel.
Der Untergang des alten Veamtenstaats
ach meiner früheren Ankündigung") hab ich jetzt zu zeigen, welche
Folgen das Stümpertum und die Günstlingswirtschaft in unserer
Verwaltung gehabt haben. Man kann es mit einem Wort sagen:
sie sind die Totengräber des alten preußischen Beamten¬
staats geworden. Und ich fürchte, daß sie auf dem besten Wege
sind, auch unseren heutigen Staat zu verderben.
Bevor ich dazu übergehe, dies im einzelnen darzutun, muß ich darauf hin-
weisen, daß man die Bezeichnungen „Beamtenstaat" und „Militärstaat" — die
übliche und notwendige Ergänzung dazu — nicht allzu wörtlich nehmen darf.
Sie bedeuten keine besonderen Staatsformen, sondern die besonderen Formen
der Betätigung eines bestimmten Staats. Dieser Staat war der alte preußische
Patrimonialstaat. Er war eng verknüpft mit der Person des Herrschers und
beruhte auf dem Gegensatz zwischen Herrscher und Untertanen. Nur der Herrscher
und seine Gehilfen waren die Träger und die Verwirklicher des Staatsgedankens.
Der Staat war, wie es Prof. O. Hintze, dem ich auch sonst hier folge, nennt,
*') Vgl.: „Die Not der Preußischen Verwaltung,", Grenzboten 1910, Heft 3 und die
Fortsetzungen in den Heften 4, 5, 7, 1ö, 16, 18, 46, 46 und 48.
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