Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Das Glück des Hauses Rottland die Rede ist und wo der Satz von der dreifachen Ehrfurcht aufgestellt wird, Wilhelm Meister kann uns zeigen, das Gute auch in anderen kirchlichen Religiöser und sozialer Friede -- ist das eine Utopie? Wäre das der Das Glück des Hauses Rottland Roman Julius R. Haarhaus von IX. "Liebe Merge," sagte Frau v. Ödinghoven zu ihrer jungen Schwägerin, "Und dann noch eins, liebe Merge," setzte die Priorin hinzu, "ein christliches Das Glück des Hauses Rottland die Rede ist und wo der Satz von der dreifachen Ehrfurcht aufgestellt wird, Wilhelm Meister kann uns zeigen, das Gute auch in anderen kirchlichen Religiöser und sozialer Friede — ist das eine Utopie? Wäre das der Das Glück des Hauses Rottland Roman Julius R. Haarhaus von IX. „Liebe Merge," sagte Frau v. Ödinghoven zu ihrer jungen Schwägerin, „Und dann noch eins, liebe Merge," setzte die Priorin hinzu, „ein christliches <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319890"/> <fw type="header" place="top"> Das Glück des Hauses Rottland</fw><lb/> <p xml:id="ID_1148" prev="#ID_1147"> die Rede ist und wo der Satz von der dreifachen Ehrfurcht aufgestellt wird,<lb/> von der Ehrfurcht vor dem, was über uns, vor dem, was unter uns, vor dem,<lb/> was in uns ist, läßt Goethe in einer dreifachen Gebärde die Schüler ihr<lb/> religiöses Bekenntnis ausdrücken, also nicht in Worten! Es ist bezeichnend für<lb/> Goethes Stellung zur Religion, daß er darauf hinweist, dies Bekenntnis der<lb/> Gebärde werde bereits von einem großen Teil der Welt, wenn auch unbewußt,<lb/> ausgedrückt, nämlich im Credo, im apostolischen Glaubensbekenntnis.</p><lb/> <p xml:id="ID_1149"> Wilhelm Meister kann uns zeigen, das Gute auch in anderen kirchlichen<lb/> Konfessionen zu finden. Wie sehr kann er deshalb im Interesse des konfessionellen<lb/> Friedens dienen! Die Gestalt des Abb6 ist doch sympathisch genug, selbst einem<lb/> überzeugten Lutheraner, und es ist, man beobachte das wohl, nicht eine Laune<lb/> des Goethescher Genius, daß er gelegentlich diesen Ubbo mit einem lutherischen<lb/> Land geistlichen vergleichen und verwechseln läßt. Es soll einer Vermengung<lb/> und Vermischung der religiösen Gestaltungen durchaus nicht das Wort geredet<lb/> werden. Und man kann ganz auf dem Boden der Konkordienformel stehen,<lb/> deren Grundstimmung bei aller Schärfe des Ausdrucks das Schiedlich—Friedlich<lb/> ist. Aber man kann und soll doch eine Form der religiösen Lebensäußerungen<lb/> zu erreichen suchen, auf deren Grund ein friedlicher Verkehr möglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1150"> Religiöser und sozialer Friede — ist das eine Utopie? Wäre das der<lb/> Fall und wir stimmten dieser Meinung zu, dann würden wir den Bankerott<lb/> jeder menschlichen Gemeinschaft angeben können. Es wird aber höchste Zeit,<lb/> daß wir uns einmal wieder besinnen ans die einfachsten Lebensbedingungen<lb/> und auf eine möglichst vereinfachte soziale und religiöse Kultur, wie sie uns<lb/> Goethe in seinem Wilhelm Meister darstellt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Glück des Hauses Rottland<lb/> Roman<lb/><note type="byline"> Julius R. Haarhaus</note> von IX. </head><lb/> <p xml:id="ID_1151"> „Liebe Merge," sagte Frau v. Ödinghoven zu ihrer jungen Schwägerin,<lb/> „ich habe die observation gemacht, daß du mit den Mägden immer einen langen<lb/> cZisevurs hältst, anstatt ihnen mit kurzen Worten deine oräres zu erteilen. Man<lb/> soll mit den Domestiken keine kamiliaritö haben, denn dann werden sie inäolent<lb/> und negligieren ihre obliMion. Du darfst mir das nicht en mal nehmen, aber<lb/> ich kann es nicht mit ansehen, wie du dich um allen respect bringst."</p><lb/> <p xml:id="ID_1152" next="#ID_1153"> „Und dann noch eins, liebe Merge," setzte die Priorin hinzu, „ein christliches<lb/> Eheweib soll ihrem Herrn nicht immer replizieren, sondern seine Gebote ohne</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
Das Glück des Hauses Rottland
die Rede ist und wo der Satz von der dreifachen Ehrfurcht aufgestellt wird,
von der Ehrfurcht vor dem, was über uns, vor dem, was unter uns, vor dem,
was in uns ist, läßt Goethe in einer dreifachen Gebärde die Schüler ihr
religiöses Bekenntnis ausdrücken, also nicht in Worten! Es ist bezeichnend für
Goethes Stellung zur Religion, daß er darauf hinweist, dies Bekenntnis der
Gebärde werde bereits von einem großen Teil der Welt, wenn auch unbewußt,
ausgedrückt, nämlich im Credo, im apostolischen Glaubensbekenntnis.
Wilhelm Meister kann uns zeigen, das Gute auch in anderen kirchlichen
Konfessionen zu finden. Wie sehr kann er deshalb im Interesse des konfessionellen
Friedens dienen! Die Gestalt des Abb6 ist doch sympathisch genug, selbst einem
überzeugten Lutheraner, und es ist, man beobachte das wohl, nicht eine Laune
des Goethescher Genius, daß er gelegentlich diesen Ubbo mit einem lutherischen
Land geistlichen vergleichen und verwechseln läßt. Es soll einer Vermengung
und Vermischung der religiösen Gestaltungen durchaus nicht das Wort geredet
werden. Und man kann ganz auf dem Boden der Konkordienformel stehen,
deren Grundstimmung bei aller Schärfe des Ausdrucks das Schiedlich—Friedlich
ist. Aber man kann und soll doch eine Form der religiösen Lebensäußerungen
zu erreichen suchen, auf deren Grund ein friedlicher Verkehr möglich ist.
Religiöser und sozialer Friede — ist das eine Utopie? Wäre das der
Fall und wir stimmten dieser Meinung zu, dann würden wir den Bankerott
jeder menschlichen Gemeinschaft angeben können. Es wird aber höchste Zeit,
daß wir uns einmal wieder besinnen ans die einfachsten Lebensbedingungen
und auf eine möglichst vereinfachte soziale und religiöse Kultur, wie sie uns
Goethe in seinem Wilhelm Meister darstellt.
Das Glück des Hauses Rottland
Roman
Julius R. Haarhaus von IX.
„Liebe Merge," sagte Frau v. Ödinghoven zu ihrer jungen Schwägerin,
„ich habe die observation gemacht, daß du mit den Mägden immer einen langen
cZisevurs hältst, anstatt ihnen mit kurzen Worten deine oräres zu erteilen. Man
soll mit den Domestiken keine kamiliaritö haben, denn dann werden sie inäolent
und negligieren ihre obliMion. Du darfst mir das nicht en mal nehmen, aber
ich kann es nicht mit ansehen, wie du dich um allen respect bringst."
„Und dann noch eins, liebe Merge," setzte die Priorin hinzu, „ein christliches
Eheweib soll ihrem Herrn nicht immer replizieren, sondern seine Gebote ohne
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