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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Briefe aus China

Durchschnittsbetrag der fremden Gelder prozentual festzusetzenden Summe.
Auf diese Weise würden die Bedenken gegen eine verstärkte Inanspruchnahme
der Reichsbank an den Quartalsterminen beseitigt und alle Vorteile erzielt
werden, welche mit einer starken Bardeckung der Noten verbunden sind.




Briefe aus (Lhina
weiland Professor Dr. Wilhelm Grube- von

Mes gibt Menschen, die zu Leid und Einsamkeit vorbestimmt erscheinen.
Das sind jene seltenen, feinen Künstlernaturen, die mit einer idealen
Forderung an die Welt herantreten, um an den Schroffen und
Härten der Wirklichkeit zu verbluten. Keine Menschen der Tat,
^aber Helden des Gedankens und Märtyrer des Gefühls, gehört
ihnen nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft: ihre tiefe Innerlichkeit scheut
den Lärm des Alltags, und ihr Schaffen reift erst in der kühlen Lust der Ge¬
schichte. Es ist ein eigentümlicher Zug der menschlichen Seele, der vielleicht das
Geheimnis aller Tragik birgt, daß sie erst angesichts des Todes die Kraft zur
Gerechtigkeit findet -- der Mensch und die Menschheit brauchen die Abgeschlossen¬
heit eines Vergangenen, um Werte richtig zu erkennen und zu bemessen.

Als an einem Julitage des Jahres 1908 der Hügel sich über Wilhelm
Grube wölbte, wußten nur wenige, daß der Besten einer von uns gegangen
war, ein großer Gelehrter und ein großer Mensch. Sein Forschungsgebiet
hatte von dem Interessenkreis der Allgemeinheit weit ab gelegen, da war es
kein Wunder, daß er dem großen Publikum ein Unbekannter geblieben war,
wenn er auch in reizvoller Weise in einigen populären Aufsätzen von den
Chinesen und ihrer so eigenartigen Sprache erzählt und als außerordentlicher
Professor der Berliner Universität über ihre Religion und ihren Kultus für
eine weitere Hörerschaft berechnete Vorlesungen") gehalten hatte. Von amtlicher
Seite wurden seine wissenschaftlichen Leistungen nicht in dem Maße gewürdigt,
wie sie es verdient hatten. Der Mann, den der Geograph Freiherr v. Richt-
hofen den besten Kenner des chinesischen Volkes genannt hat und der die Auf¬
merksamkeit des Prinzen Heinrich in hohem Maße auf sich gelenkt hatte, wurde
zur Amtszeit Althoffs nicht "entdeckt". Die Sinologie ist bei uns lange, sicherlich
zu unserem eigenen Schaden, stiefmütterlich behandelt worden. Von 1892 bis



") Sie liegen jetzt im Druck vor (Haupt, Leipzig 1910). Die Grenzboten veröffent¬
lichten im letzten Sommer <Heft 29 u, 30) zwei Vorträge Grubes: Bausteine der chinesischen
Kultur.
Briefe aus China

Durchschnittsbetrag der fremden Gelder prozentual festzusetzenden Summe.
Auf diese Weise würden die Bedenken gegen eine verstärkte Inanspruchnahme
der Reichsbank an den Quartalsterminen beseitigt und alle Vorteile erzielt
werden, welche mit einer starken Bardeckung der Noten verbunden sind.




Briefe aus (Lhina
weiland Professor Dr. Wilhelm Grube- von

Mes gibt Menschen, die zu Leid und Einsamkeit vorbestimmt erscheinen.
Das sind jene seltenen, feinen Künstlernaturen, die mit einer idealen
Forderung an die Welt herantreten, um an den Schroffen und
Härten der Wirklichkeit zu verbluten. Keine Menschen der Tat,
^aber Helden des Gedankens und Märtyrer des Gefühls, gehört
ihnen nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft: ihre tiefe Innerlichkeit scheut
den Lärm des Alltags, und ihr Schaffen reift erst in der kühlen Lust der Ge¬
schichte. Es ist ein eigentümlicher Zug der menschlichen Seele, der vielleicht das
Geheimnis aller Tragik birgt, daß sie erst angesichts des Todes die Kraft zur
Gerechtigkeit findet — der Mensch und die Menschheit brauchen die Abgeschlossen¬
heit eines Vergangenen, um Werte richtig zu erkennen und zu bemessen.

Als an einem Julitage des Jahres 1908 der Hügel sich über Wilhelm
Grube wölbte, wußten nur wenige, daß der Besten einer von uns gegangen
war, ein großer Gelehrter und ein großer Mensch. Sein Forschungsgebiet
hatte von dem Interessenkreis der Allgemeinheit weit ab gelegen, da war es
kein Wunder, daß er dem großen Publikum ein Unbekannter geblieben war,
wenn er auch in reizvoller Weise in einigen populären Aufsätzen von den
Chinesen und ihrer so eigenartigen Sprache erzählt und als außerordentlicher
Professor der Berliner Universität über ihre Religion und ihren Kultus für
eine weitere Hörerschaft berechnete Vorlesungen") gehalten hatte. Von amtlicher
Seite wurden seine wissenschaftlichen Leistungen nicht in dem Maße gewürdigt,
wie sie es verdient hatten. Der Mann, den der Geograph Freiherr v. Richt-
hofen den besten Kenner des chinesischen Volkes genannt hat und der die Auf¬
merksamkeit des Prinzen Heinrich in hohem Maße auf sich gelenkt hatte, wurde
zur Amtszeit Althoffs nicht „entdeckt". Die Sinologie ist bei uns lange, sicherlich
zu unserem eigenen Schaden, stiefmütterlich behandelt worden. Von 1892 bis



") Sie liegen jetzt im Druck vor (Haupt, Leipzig 1910). Die Grenzboten veröffent¬
lichten im letzten Sommer <Heft 29 u, 30) zwei Vorträge Grubes: Bausteine der chinesischen
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[0276] Briefe aus China Durchschnittsbetrag der fremden Gelder prozentual festzusetzenden Summe. Auf diese Weise würden die Bedenken gegen eine verstärkte Inanspruchnahme der Reichsbank an den Quartalsterminen beseitigt und alle Vorteile erzielt werden, welche mit einer starken Bardeckung der Noten verbunden sind. Briefe aus (Lhina weiland Professor Dr. Wilhelm Grube- von Mes gibt Menschen, die zu Leid und Einsamkeit vorbestimmt erscheinen. Das sind jene seltenen, feinen Künstlernaturen, die mit einer idealen Forderung an die Welt herantreten, um an den Schroffen und Härten der Wirklichkeit zu verbluten. Keine Menschen der Tat, ^aber Helden des Gedankens und Märtyrer des Gefühls, gehört ihnen nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft: ihre tiefe Innerlichkeit scheut den Lärm des Alltags, und ihr Schaffen reift erst in der kühlen Lust der Ge¬ schichte. Es ist ein eigentümlicher Zug der menschlichen Seele, der vielleicht das Geheimnis aller Tragik birgt, daß sie erst angesichts des Todes die Kraft zur Gerechtigkeit findet — der Mensch und die Menschheit brauchen die Abgeschlossen¬ heit eines Vergangenen, um Werte richtig zu erkennen und zu bemessen. Als an einem Julitage des Jahres 1908 der Hügel sich über Wilhelm Grube wölbte, wußten nur wenige, daß der Besten einer von uns gegangen war, ein großer Gelehrter und ein großer Mensch. Sein Forschungsgebiet hatte von dem Interessenkreis der Allgemeinheit weit ab gelegen, da war es kein Wunder, daß er dem großen Publikum ein Unbekannter geblieben war, wenn er auch in reizvoller Weise in einigen populären Aufsätzen von den Chinesen und ihrer so eigenartigen Sprache erzählt und als außerordentlicher Professor der Berliner Universität über ihre Religion und ihren Kultus für eine weitere Hörerschaft berechnete Vorlesungen") gehalten hatte. Von amtlicher Seite wurden seine wissenschaftlichen Leistungen nicht in dem Maße gewürdigt, wie sie es verdient hatten. Der Mann, den der Geograph Freiherr v. Richt- hofen den besten Kenner des chinesischen Volkes genannt hat und der die Auf¬ merksamkeit des Prinzen Heinrich in hohem Maße auf sich gelenkt hatte, wurde zur Amtszeit Althoffs nicht „entdeckt". Die Sinologie ist bei uns lange, sicherlich zu unserem eigenen Schaden, stiefmütterlich behandelt worden. Von 1892 bis ") Sie liegen jetzt im Druck vor (Haupt, Leipzig 1910). Die Grenzboten veröffent¬ lichten im letzten Sommer <Heft 29 u, 30) zwei Vorträge Grubes: Bausteine der chinesischen Kultur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/276>, abgerufen am 23.07.2024.