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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Reichsbmik und Geldumlauf

bestände, welche den Banken und damit der Volkswirtschaft zur Nutzbarmachung
überlassen sind, vorübergehend wieder in die Form barer Kasse überführt werden
müssen, nämlich so lange bis die wirtschaftlichen Vorgänge, zu deren Abwicklung
die baren Mittel erforderlich sind und von Hand zu Hand gehen müssen,
beendigt, der Besitzwechsel vollzogen ist und eine Wiedereinzahlung der frei¬
gewordenen Beträge bei der Bank erfolgen kann. Diese Zahlungsmittel muß
die Reichsbank durch Notenausgabe zur Verfügung stellen. Sie ist das große
Reservoir, aus dem der Verkehr im Bedarfsfalle schöpft, und zwar nach der
ganzen Struktur unseres Geldwesens das einzige Reservoir, das zur Verfügung
steht. Das heißt, unser Geldwesen ist auf dem Einreservesystem aufgebaut.
Der Metallschatz der Reichsbank, auf Grund dessen sie Noten ausgibt, stellt die
nationale Betriebsreserve dar. Alles Metallgeld, insbesondere alles Gold, dessen
der interne Verkehr nicht unbedingt zur Zirkulation bedarf, in dieses Reservoir
zu leiten und ihm dort dreifache wirtschaftliche Kraft zu verleihen, ist die wich¬
tigste Aufgabe der allgemeinen Geld- und Bankpolitik. Nicht darauf kommt es
an, daß große Bestände an barer Kasse sich in den Einzelwirtschaften oder bei
den Banken häufen, sondern darauf, daß diese Kassenbestände in die Keller der
Reichsbank geleitet werden. Freilich hat man gegen dieses Einreservesystem
mancherseits gewisse Bedenken erhoben. Man macht geltend, daß dasselbe zu
einer zu starken Belastung der Zentralbank führt, weil eben das Bedürfnis nach
Kasse dann ausschließlich durch sie befriedigt werden muß, während große
Kassenbestände in den Händen der Banken eine zweite Betriebsreseroe darstellten,
deren Vorhandensein eine Entlastung des Noteninstituts bedeute. Ferner seien
die Goldbestände in den Händen der Reichsbank für jedermann gegen Ein¬
reichung von Noten greifbar und daher dem Abfluß in das Ausland ausgesetzt,
was bei den Kassebeständen der Banken nicht zutreffe. Einen: Abfluß des
Goldes müsse die Reichsbank in der Regel durch eine Diskonterhöhung zu
begegnen suchen, daher vermehre sich hierdurch die Gefahr häufiger Zins¬
steigerungen und einer Belastung der Volkswirtschaft.

Diese Einwendungen sind nur mit Einschränkungen zutreffend. Sie haben
nämlich nur dann eine gewisse Berechtigung, wenn die in den Händen der zen¬
tralen Notenbank befindliche Goldreserve an sich, gemessen an den Bedürfnissen
der heimischen Volkswirtschaft, zu schmal ist. Ist das der Fall, so kann aller¬
dings eine auch nur vorübergehende starke Inanspruchnahme zu einem gefährlichen
Rückgang der Notendeckung führen und den Wunsch nach einer gewissen
"Schonung" der Bank wachrufen. Nur unter der gleichen Voraussetzung kann
ferner der Abfluß von Gold nach dem Ausland der Bank gefährlich werden und
sie zu raschem Anziehen der Diskontschraube zwingen, um ihren Goldbestand zu
schützen. Offenbar ist dann aber dieser geringe Metallbestand auf einen ander¬
weiten Fehler in der Organisation des Geldwesens zurückzuführen. Dann ist
die Aufgabe die, diesen Fehler zu erkennen und ihm mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln abzuhelfen, nicht aber eine Unvollkommenheit durch eine andere


Reichsbmik und Geldumlauf

bestände, welche den Banken und damit der Volkswirtschaft zur Nutzbarmachung
überlassen sind, vorübergehend wieder in die Form barer Kasse überführt werden
müssen, nämlich so lange bis die wirtschaftlichen Vorgänge, zu deren Abwicklung
die baren Mittel erforderlich sind und von Hand zu Hand gehen müssen,
beendigt, der Besitzwechsel vollzogen ist und eine Wiedereinzahlung der frei¬
gewordenen Beträge bei der Bank erfolgen kann. Diese Zahlungsmittel muß
die Reichsbank durch Notenausgabe zur Verfügung stellen. Sie ist das große
Reservoir, aus dem der Verkehr im Bedarfsfalle schöpft, und zwar nach der
ganzen Struktur unseres Geldwesens das einzige Reservoir, das zur Verfügung
steht. Das heißt, unser Geldwesen ist auf dem Einreservesystem aufgebaut.
Der Metallschatz der Reichsbank, auf Grund dessen sie Noten ausgibt, stellt die
nationale Betriebsreserve dar. Alles Metallgeld, insbesondere alles Gold, dessen
der interne Verkehr nicht unbedingt zur Zirkulation bedarf, in dieses Reservoir
zu leiten und ihm dort dreifache wirtschaftliche Kraft zu verleihen, ist die wich¬
tigste Aufgabe der allgemeinen Geld- und Bankpolitik. Nicht darauf kommt es
an, daß große Bestände an barer Kasse sich in den Einzelwirtschaften oder bei
den Banken häufen, sondern darauf, daß diese Kassenbestände in die Keller der
Reichsbank geleitet werden. Freilich hat man gegen dieses Einreservesystem
mancherseits gewisse Bedenken erhoben. Man macht geltend, daß dasselbe zu
einer zu starken Belastung der Zentralbank führt, weil eben das Bedürfnis nach
Kasse dann ausschließlich durch sie befriedigt werden muß, während große
Kassenbestände in den Händen der Banken eine zweite Betriebsreseroe darstellten,
deren Vorhandensein eine Entlastung des Noteninstituts bedeute. Ferner seien
die Goldbestände in den Händen der Reichsbank für jedermann gegen Ein¬
reichung von Noten greifbar und daher dem Abfluß in das Ausland ausgesetzt,
was bei den Kassebeständen der Banken nicht zutreffe. Einen: Abfluß des
Goldes müsse die Reichsbank in der Regel durch eine Diskonterhöhung zu
begegnen suchen, daher vermehre sich hierdurch die Gefahr häufiger Zins¬
steigerungen und einer Belastung der Volkswirtschaft.

Diese Einwendungen sind nur mit Einschränkungen zutreffend. Sie haben
nämlich nur dann eine gewisse Berechtigung, wenn die in den Händen der zen¬
tralen Notenbank befindliche Goldreserve an sich, gemessen an den Bedürfnissen
der heimischen Volkswirtschaft, zu schmal ist. Ist das der Fall, so kann aller¬
dings eine auch nur vorübergehende starke Inanspruchnahme zu einem gefährlichen
Rückgang der Notendeckung führen und den Wunsch nach einer gewissen
„Schonung" der Bank wachrufen. Nur unter der gleichen Voraussetzung kann
ferner der Abfluß von Gold nach dem Ausland der Bank gefährlich werden und
sie zu raschem Anziehen der Diskontschraube zwingen, um ihren Goldbestand zu
schützen. Offenbar ist dann aber dieser geringe Metallbestand auf einen ander¬
weiten Fehler in der Organisation des Geldwesens zurückzuführen. Dann ist
die Aufgabe die, diesen Fehler zu erkennen und ihm mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln abzuhelfen, nicht aber eine Unvollkommenheit durch eine andere


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[0264] Reichsbmik und Geldumlauf bestände, welche den Banken und damit der Volkswirtschaft zur Nutzbarmachung überlassen sind, vorübergehend wieder in die Form barer Kasse überführt werden müssen, nämlich so lange bis die wirtschaftlichen Vorgänge, zu deren Abwicklung die baren Mittel erforderlich sind und von Hand zu Hand gehen müssen, beendigt, der Besitzwechsel vollzogen ist und eine Wiedereinzahlung der frei¬ gewordenen Beträge bei der Bank erfolgen kann. Diese Zahlungsmittel muß die Reichsbank durch Notenausgabe zur Verfügung stellen. Sie ist das große Reservoir, aus dem der Verkehr im Bedarfsfalle schöpft, und zwar nach der ganzen Struktur unseres Geldwesens das einzige Reservoir, das zur Verfügung steht. Das heißt, unser Geldwesen ist auf dem Einreservesystem aufgebaut. Der Metallschatz der Reichsbank, auf Grund dessen sie Noten ausgibt, stellt die nationale Betriebsreserve dar. Alles Metallgeld, insbesondere alles Gold, dessen der interne Verkehr nicht unbedingt zur Zirkulation bedarf, in dieses Reservoir zu leiten und ihm dort dreifache wirtschaftliche Kraft zu verleihen, ist die wich¬ tigste Aufgabe der allgemeinen Geld- und Bankpolitik. Nicht darauf kommt es an, daß große Bestände an barer Kasse sich in den Einzelwirtschaften oder bei den Banken häufen, sondern darauf, daß diese Kassenbestände in die Keller der Reichsbank geleitet werden. Freilich hat man gegen dieses Einreservesystem mancherseits gewisse Bedenken erhoben. Man macht geltend, daß dasselbe zu einer zu starken Belastung der Zentralbank führt, weil eben das Bedürfnis nach Kasse dann ausschließlich durch sie befriedigt werden muß, während große Kassenbestände in den Händen der Banken eine zweite Betriebsreseroe darstellten, deren Vorhandensein eine Entlastung des Noteninstituts bedeute. Ferner seien die Goldbestände in den Händen der Reichsbank für jedermann gegen Ein¬ reichung von Noten greifbar und daher dem Abfluß in das Ausland ausgesetzt, was bei den Kassebeständen der Banken nicht zutreffe. Einen: Abfluß des Goldes müsse die Reichsbank in der Regel durch eine Diskonterhöhung zu begegnen suchen, daher vermehre sich hierdurch die Gefahr häufiger Zins¬ steigerungen und einer Belastung der Volkswirtschaft. Diese Einwendungen sind nur mit Einschränkungen zutreffend. Sie haben nämlich nur dann eine gewisse Berechtigung, wenn die in den Händen der zen¬ tralen Notenbank befindliche Goldreserve an sich, gemessen an den Bedürfnissen der heimischen Volkswirtschaft, zu schmal ist. Ist das der Fall, so kann aller¬ dings eine auch nur vorübergehende starke Inanspruchnahme zu einem gefährlichen Rückgang der Notendeckung führen und den Wunsch nach einer gewissen „Schonung" der Bank wachrufen. Nur unter der gleichen Voraussetzung kann ferner der Abfluß von Gold nach dem Ausland der Bank gefährlich werden und sie zu raschem Anziehen der Diskontschraube zwingen, um ihren Goldbestand zu schützen. Offenbar ist dann aber dieser geringe Metallbestand auf einen ander¬ weiten Fehler in der Organisation des Geldwesens zurückzuführen. Dann ist die Aufgabe die, diesen Fehler zu erkennen und ihm mit allen zu Gebote stehenden Mitteln abzuhelfen, nicht aber eine Unvollkommenheit durch eine andere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/264>, abgerufen am 23.07.2024.