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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

spielungen gewürzte Schilderung des Paradieses, die freilich weniger dem Berichte
der Genesis als den Darstellungen der niederländischen Maler entsprach. In diesem
Paradiese, so führte er aus, sei monsieur le baron als ein, wenn auch ein wenig
betagter, so doch ewig jugendlicher Adam schon lange daheim, stehe auch nach dem
Gebote des Schöpfers mit aller Kreatur auf Erden, im Wasser und in der Luft
auf einem amiablen Fuße, -- "insonderheit mit den Spanferkeln, die hat er zum
Fressen lieb!" rief Herr v. Pallandt dazwischen, -- weshalb denn auch Gott
resolviert habe, ihm aufs neue eine Gehilfin beizugesellen.

"Gedachte Eva", so schloß er, "sehen wir anjetzt lieblich und frisch, als sei
sie eben erst aus einer Rippe formiert worden, an seiner Seite, und ist wohl
keiner unter uns, der ihm sein Glück nicht von ganzem Herzen gönnte. Nun ist
aber meine Meinung, daß auch wir schwachen Menschlein, da Gott selbst unserm
Freunde das Paradies durch Beisteuerung des vornehmsten Stückes so wunder-
barlich komplettieret, nicht tardieren sollen, auch unsererseits sein Glück ein weniges
zu vermehren, weshalb ich mir die kranLniss nehme", -- bei diesen Worten bückte
er sich und holte unter dem Tische einen Gegenstand hervor, den das weitherab¬
hängende Tafeltuch bisher allen Augen verborgen hatte, -- "ihm dieses Kästlein
als ein kleines Hochzeitspräsent zu überreichen."

Der Redner wanderte um den Tisch herum und stellte ein sorgfältig umschnürtes
Kistchen vor Herrn Salentin hin. Dieser schmunzelte, denn er hatte von dem
Inhalte schon eine Ahnung, zerschnitt die Schnur und schlug den Deckel zurück.
Der Balg eines Paradiesvogels kam zum Vorschein, ein Prachtstück, wie es eben
nur die frommen Väter der Gesellschaft Jesu mit ihren den ganzen Erdball
umspannenden Missions- und Handelsverbindungen zu beschaffen vermochten.

"Nimm das Tierlein heraus!" wandte sich der Freiherr an seine junge
Frau, "deine Hand soll die erste sein, die es berührt."

Merge gehorchte zögernd. Aller Blicke hingen staunend an dem wundersamen
Geschöpf, dessen fein zerschlissene gelbe Schulterfedern wie ein goldener Schleier
über den farbenprächtigen Körper niederwallten.

"Weißt du auch, was du da in Händen hältst?" fragte Herr Salentin.

Sie nickte, aber über ihrem Antlitz lag etwas wie Trauer.

"Es ist der Glücksvogel", antwortete sie leise.

"Ja, Merge, und er kommt, uns das Glück ins Haus zu bringen."

Sie schüttelte den Kopf.

"Ich glaub' nicht dran", sagte sie. "Ja, wenn er noch lebte! Aber daß ein
totes Vöglein Glück bringen sollt', das glaub' ich nie und nimmer."

(Fortsetzung folgt)




Das Glück des Hauses Rottland

spielungen gewürzte Schilderung des Paradieses, die freilich weniger dem Berichte
der Genesis als den Darstellungen der niederländischen Maler entsprach. In diesem
Paradiese, so führte er aus, sei monsieur le baron als ein, wenn auch ein wenig
betagter, so doch ewig jugendlicher Adam schon lange daheim, stehe auch nach dem
Gebote des Schöpfers mit aller Kreatur auf Erden, im Wasser und in der Luft
auf einem amiablen Fuße, — „insonderheit mit den Spanferkeln, die hat er zum
Fressen lieb!" rief Herr v. Pallandt dazwischen, — weshalb denn auch Gott
resolviert habe, ihm aufs neue eine Gehilfin beizugesellen.

„Gedachte Eva", so schloß er, „sehen wir anjetzt lieblich und frisch, als sei
sie eben erst aus einer Rippe formiert worden, an seiner Seite, und ist wohl
keiner unter uns, der ihm sein Glück nicht von ganzem Herzen gönnte. Nun ist
aber meine Meinung, daß auch wir schwachen Menschlein, da Gott selbst unserm
Freunde das Paradies durch Beisteuerung des vornehmsten Stückes so wunder-
barlich komplettieret, nicht tardieren sollen, auch unsererseits sein Glück ein weniges
zu vermehren, weshalb ich mir die kranLniss nehme", — bei diesen Worten bückte
er sich und holte unter dem Tische einen Gegenstand hervor, den das weitherab¬
hängende Tafeltuch bisher allen Augen verborgen hatte, — „ihm dieses Kästlein
als ein kleines Hochzeitspräsent zu überreichen."

Der Redner wanderte um den Tisch herum und stellte ein sorgfältig umschnürtes
Kistchen vor Herrn Salentin hin. Dieser schmunzelte, denn er hatte von dem
Inhalte schon eine Ahnung, zerschnitt die Schnur und schlug den Deckel zurück.
Der Balg eines Paradiesvogels kam zum Vorschein, ein Prachtstück, wie es eben
nur die frommen Väter der Gesellschaft Jesu mit ihren den ganzen Erdball
umspannenden Missions- und Handelsverbindungen zu beschaffen vermochten.

„Nimm das Tierlein heraus!" wandte sich der Freiherr an seine junge
Frau, „deine Hand soll die erste sein, die es berührt."

Merge gehorchte zögernd. Aller Blicke hingen staunend an dem wundersamen
Geschöpf, dessen fein zerschlissene gelbe Schulterfedern wie ein goldener Schleier
über den farbenprächtigen Körper niederwallten.

„Weißt du auch, was du da in Händen hältst?" fragte Herr Salentin.

Sie nickte, aber über ihrem Antlitz lag etwas wie Trauer.

„Es ist der Glücksvogel", antwortete sie leise.

„Ja, Merge, und er kommt, uns das Glück ins Haus zu bringen."

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich glaub' nicht dran", sagte sie. „Ja, wenn er noch lebte! Aber daß ein
totes Vöglein Glück bringen sollt', das glaub' ich nie und nimmer."

(Fortsetzung folgt)




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[0241] Das Glück des Hauses Rottland spielungen gewürzte Schilderung des Paradieses, die freilich weniger dem Berichte der Genesis als den Darstellungen der niederländischen Maler entsprach. In diesem Paradiese, so führte er aus, sei monsieur le baron als ein, wenn auch ein wenig betagter, so doch ewig jugendlicher Adam schon lange daheim, stehe auch nach dem Gebote des Schöpfers mit aller Kreatur auf Erden, im Wasser und in der Luft auf einem amiablen Fuße, — „insonderheit mit den Spanferkeln, die hat er zum Fressen lieb!" rief Herr v. Pallandt dazwischen, — weshalb denn auch Gott resolviert habe, ihm aufs neue eine Gehilfin beizugesellen. „Gedachte Eva", so schloß er, „sehen wir anjetzt lieblich und frisch, als sei sie eben erst aus einer Rippe formiert worden, an seiner Seite, und ist wohl keiner unter uns, der ihm sein Glück nicht von ganzem Herzen gönnte. Nun ist aber meine Meinung, daß auch wir schwachen Menschlein, da Gott selbst unserm Freunde das Paradies durch Beisteuerung des vornehmsten Stückes so wunder- barlich komplettieret, nicht tardieren sollen, auch unsererseits sein Glück ein weniges zu vermehren, weshalb ich mir die kranLniss nehme", — bei diesen Worten bückte er sich und holte unter dem Tische einen Gegenstand hervor, den das weitherab¬ hängende Tafeltuch bisher allen Augen verborgen hatte, — „ihm dieses Kästlein als ein kleines Hochzeitspräsent zu überreichen." Der Redner wanderte um den Tisch herum und stellte ein sorgfältig umschnürtes Kistchen vor Herrn Salentin hin. Dieser schmunzelte, denn er hatte von dem Inhalte schon eine Ahnung, zerschnitt die Schnur und schlug den Deckel zurück. Der Balg eines Paradiesvogels kam zum Vorschein, ein Prachtstück, wie es eben nur die frommen Väter der Gesellschaft Jesu mit ihren den ganzen Erdball umspannenden Missions- und Handelsverbindungen zu beschaffen vermochten. „Nimm das Tierlein heraus!" wandte sich der Freiherr an seine junge Frau, „deine Hand soll die erste sein, die es berührt." Merge gehorchte zögernd. Aller Blicke hingen staunend an dem wundersamen Geschöpf, dessen fein zerschlissene gelbe Schulterfedern wie ein goldener Schleier über den farbenprächtigen Körper niederwallten. „Weißt du auch, was du da in Händen hältst?" fragte Herr Salentin. Sie nickte, aber über ihrem Antlitz lag etwas wie Trauer. „Es ist der Glücksvogel", antwortete sie leise. „Ja, Merge, und er kommt, uns das Glück ins Haus zu bringen." Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaub' nicht dran", sagte sie. „Ja, wenn er noch lebte! Aber daß ein totes Vöglein Glück bringen sollt', das glaub' ich nie und nimmer." (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/241>, abgerufen am 23.07.2024.