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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Die Lebensbedingungen des deutschen Annstgewerbes

"Aber nicht die geringste!"

"Nun, da mesciames von so großer amabilits sind, so will ich's gestehen:
ich habe seit langem einen äösir sräent nach den kleinen braunen Küchelchen, die
die Frau Priorin immer selbst zu backen pflegte. Ich glaube, es war eine
ürianäisö nollanä^ise."

"Moppenl" rief Schwester Felizitas, eine Träne der Rührung zerdrückend,
"er meint die Moppenl Ja, die backe ich immer noch, und alle, die bei uns
visite machen, rühmen sie. Nein, liebster Mathias, daß Sie sich noch an die
Moppen erinnern! Warten Sie, warten Sie! Ihr achir aräent soll gestillt werden!"
Damit erhob sie sich und ging an den Wandschrank.

Und als er dann mit wahrem Heißhunger die ganze Schale des knusperigen
Gebäcks leerte, sahen ihm die beiden alten Damen mit inniger Befriedigung zu
und suchten sich Aufklärung darüber zu verschaffen, wie man diesen charmanter
jungen Herrn so lange hatte verkennen können. (Fortsetzung folgt)




Die Lebensbedingungen des deutschen Aunstgewerbes
von Dr. Karl Storck

MM
M^ ^ >Hom sogenannten "modernen" deutschen Kunstgewerbe spreche ich
natürlich. Das ist ein mit Begriffen schwer zu umgrenzendes Ge¬
biet, aber fühlen tut ein jeder, was gemeint ist. Darin offenbart
sich die Berechtigung der ganzen Bewegung, so viele Ausschreitungen
und Mißgriffe im einzelnen ihr auch anhaften mögen. Man fühlt
hier ein Streben, die Gebrauchsgegenstände unseres Lebens aus einem neuen
Geiste heraus künstlerisch zu gestalten, aus einem Geiste heraus, der diesem Leben
entspricht und darum Formen sucht, die unser heutiges Sein zum Ausdruck bringen.
Man begnügt sich nicht mehr mit einer rein formelhaften Überlieferung, sondern
verlangt nach einer Durchgeistigung der Arbeit. Dieses Losungswort des deutschen
Werkbundes ist eine urdeutsche Losung, viel deutscher, als wenn gesagt würde:
"Wiederaufnahme altdeutscher Formen" oder "Pflege deutscher Bauernkunst".
Denn es ist urdeutsche Eigenart, die Form der Kunst aus dem Geiste heraus zu
gewinnen, so daß dieser Geist die gestaltende Kraft ist, die Formgebung dagegen
nur Ausdruck eines geistigen Wollens. Weil dieser Geist immer lebendig und da¬
mit in steter Bewegung ist, hat die Formgebung deutscher Kunst zu allen Zeiten
einerseits einen individualistischen Charakter getragen, andererseits sich dauernd vor
Probleme gestellt gesehen. Denn nur die Form ist überlieferbar, der Geist muß
immer aufs neue geboren werden.

Ein derartiges deutsches Kunstgewerbe ist auf dem Weltmarkte eine neue Er¬
scheinung. So mag es mit großer Genugtuung erfüllen, daß dieses deutsche
Kunstgewerbe in den letzten Jahren eine Reihe starker moralischer Siege erfochten


Die Lebensbedingungen des deutschen Annstgewerbes

„Aber nicht die geringste!"

„Nun, da mesciames von so großer amabilits sind, so will ich's gestehen:
ich habe seit langem einen äösir sräent nach den kleinen braunen Küchelchen, die
die Frau Priorin immer selbst zu backen pflegte. Ich glaube, es war eine
ürianäisö nollanä^ise."

„Moppenl" rief Schwester Felizitas, eine Träne der Rührung zerdrückend,
„er meint die Moppenl Ja, die backe ich immer noch, und alle, die bei uns
visite machen, rühmen sie. Nein, liebster Mathias, daß Sie sich noch an die
Moppen erinnern! Warten Sie, warten Sie! Ihr achir aräent soll gestillt werden!"
Damit erhob sie sich und ging an den Wandschrank.

Und als er dann mit wahrem Heißhunger die ganze Schale des knusperigen
Gebäcks leerte, sahen ihm die beiden alten Damen mit inniger Befriedigung zu
und suchten sich Aufklärung darüber zu verschaffen, wie man diesen charmanter
jungen Herrn so lange hatte verkennen können. (Fortsetzung folgt)




Die Lebensbedingungen des deutschen Aunstgewerbes
von Dr. Karl Storck

MM
M^ ^ >Hom sogenannten „modernen" deutschen Kunstgewerbe spreche ich
natürlich. Das ist ein mit Begriffen schwer zu umgrenzendes Ge¬
biet, aber fühlen tut ein jeder, was gemeint ist. Darin offenbart
sich die Berechtigung der ganzen Bewegung, so viele Ausschreitungen
und Mißgriffe im einzelnen ihr auch anhaften mögen. Man fühlt
hier ein Streben, die Gebrauchsgegenstände unseres Lebens aus einem neuen
Geiste heraus künstlerisch zu gestalten, aus einem Geiste heraus, der diesem Leben
entspricht und darum Formen sucht, die unser heutiges Sein zum Ausdruck bringen.
Man begnügt sich nicht mehr mit einer rein formelhaften Überlieferung, sondern
verlangt nach einer Durchgeistigung der Arbeit. Dieses Losungswort des deutschen
Werkbundes ist eine urdeutsche Losung, viel deutscher, als wenn gesagt würde:
„Wiederaufnahme altdeutscher Formen" oder „Pflege deutscher Bauernkunst".
Denn es ist urdeutsche Eigenart, die Form der Kunst aus dem Geiste heraus zu
gewinnen, so daß dieser Geist die gestaltende Kraft ist, die Formgebung dagegen
nur Ausdruck eines geistigen Wollens. Weil dieser Geist immer lebendig und da¬
mit in steter Bewegung ist, hat die Formgebung deutscher Kunst zu allen Zeiten
einerseits einen individualistischen Charakter getragen, andererseits sich dauernd vor
Probleme gestellt gesehen. Denn nur die Form ist überlieferbar, der Geist muß
immer aufs neue geboren werden.

Ein derartiges deutsches Kunstgewerbe ist auf dem Weltmarkte eine neue Er¬
scheinung. So mag es mit großer Genugtuung erfüllen, daß dieses deutsche
Kunstgewerbe in den letzten Jahren eine Reihe starker moralischer Siege erfochten


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[0196] Die Lebensbedingungen des deutschen Annstgewerbes „Aber nicht die geringste!" „Nun, da mesciames von so großer amabilits sind, so will ich's gestehen: ich habe seit langem einen äösir sräent nach den kleinen braunen Küchelchen, die die Frau Priorin immer selbst zu backen pflegte. Ich glaube, es war eine ürianäisö nollanä^ise." „Moppenl" rief Schwester Felizitas, eine Träne der Rührung zerdrückend, „er meint die Moppenl Ja, die backe ich immer noch, und alle, die bei uns visite machen, rühmen sie. Nein, liebster Mathias, daß Sie sich noch an die Moppen erinnern! Warten Sie, warten Sie! Ihr achir aräent soll gestillt werden!" Damit erhob sie sich und ging an den Wandschrank. Und als er dann mit wahrem Heißhunger die ganze Schale des knusperigen Gebäcks leerte, sahen ihm die beiden alten Damen mit inniger Befriedigung zu und suchten sich Aufklärung darüber zu verschaffen, wie man diesen charmanter jungen Herrn so lange hatte verkennen können. (Fortsetzung folgt) Die Lebensbedingungen des deutschen Aunstgewerbes von Dr. Karl Storck MM M^ ^ >Hom sogenannten „modernen" deutschen Kunstgewerbe spreche ich natürlich. Das ist ein mit Begriffen schwer zu umgrenzendes Ge¬ biet, aber fühlen tut ein jeder, was gemeint ist. Darin offenbart sich die Berechtigung der ganzen Bewegung, so viele Ausschreitungen und Mißgriffe im einzelnen ihr auch anhaften mögen. Man fühlt hier ein Streben, die Gebrauchsgegenstände unseres Lebens aus einem neuen Geiste heraus künstlerisch zu gestalten, aus einem Geiste heraus, der diesem Leben entspricht und darum Formen sucht, die unser heutiges Sein zum Ausdruck bringen. Man begnügt sich nicht mehr mit einer rein formelhaften Überlieferung, sondern verlangt nach einer Durchgeistigung der Arbeit. Dieses Losungswort des deutschen Werkbundes ist eine urdeutsche Losung, viel deutscher, als wenn gesagt würde: „Wiederaufnahme altdeutscher Formen" oder „Pflege deutscher Bauernkunst". Denn es ist urdeutsche Eigenart, die Form der Kunst aus dem Geiste heraus zu gewinnen, so daß dieser Geist die gestaltende Kraft ist, die Formgebung dagegen nur Ausdruck eines geistigen Wollens. Weil dieser Geist immer lebendig und da¬ mit in steter Bewegung ist, hat die Formgebung deutscher Kunst zu allen Zeiten einerseits einen individualistischen Charakter getragen, andererseits sich dauernd vor Probleme gestellt gesehen. Denn nur die Form ist überlieferbar, der Geist muß immer aufs neue geboren werden. Ein derartiges deutsches Kunstgewerbe ist auf dem Weltmarkte eine neue Er¬ scheinung. So mag es mit großer Genugtuung erfüllen, daß dieses deutsche Kunstgewerbe in den letzten Jahren eine Reihe starker moralischer Siege erfochten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/196>, abgerufen am 03.07.2024.