Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Universität Frankfurt a, M,

Die Denkschrift weist mit Recht darauf hin, daß ja, da alle Institute
neu errichtet sind, nicht sobald Neubauten und Reparaturen notwendig sein
würden, ferner, daß der bewährte Opfermut der Bürger, der sich schon seit
Jahrhunderten betätigt und namentlich in den letzten zehn Jahren so Hervor¬
ragendes geleistet hat, nun erst recht nicht erlahmen werde, wenn es sich um
die Erhaltung der Krone des Gebäudes, der Universität, handle. Dieser Wechsel
auf die Zukunft entbehrt allerdings der sicheren finanziellen Grundlage. Denn,
was die Zukunft bringt, weiß man nicht; es können schwere materielle Krisen eintreten
und es kann dadurch die Opferwilligkeit der Spender beeinträchtigt werden. Nun
aber machen nicht alle reichen Leute große Stiftungen; ein großer Teil der
in Betracht kommenden Personen ist auch bei den Stiftungen bereits beteiligt;
es wird auch nicht immer ein Adickes da sein, der es mit suggestiver Macht
versteht, Millionen flüssig zu machen. Aber abgesehen von all diesen Bedenken
muß mau doch die veränderten Verhältnisse berücksichtigen, unter welchen später
die Gelder verlangt werden gegenüber jetzt und früher. Die bisherigen
Stiftungen sind von Bürgern für Bürger gemacht, diesen in erster Linie zugute
gekommen, die Selbstverwaltung war in weitesten Umfange garantiert. Wenn
aber später wahrgenommen wird, daß diese Millionen doch in erster Linie staat¬
lichen Zwecken zugute kommen sollen, daß der Bürger nichts oder nur sehr
wenig in der Verwaltung mitzureden hat, dann wird vielleicht mancher die
Taschen zuhalten, der sie bisher weitgeöffnet hat; er wird sagen, es ist Sache
des Staates, die Universität zu erhalten, oder der Stadt Frankfurt, die sie aus
der Taufe gehoben hat, zumal der preußische Staat vielleicht doch einmal ver¬
suchen wird, trotz aller Festlegungen seine "bewährten" Universitätsgrundsätze auch
bei der Verwaltung der neuen Universität einzubürgern. Man sollte also unserer
Meinung nach entweder mit der Errichtung der Universität warten, bis ein
Reservefonds von etwa 1000000 Mark zur Verfügung steht, oder je nach Ma߬
gabe der vorhandenen und auch für die Zukunft gesicherten Mittel mit der
Errichtung der Hochschule nach dem Muster Münsters fakultätenweise vorgehen.

Noch ein drittes Bedenken hört man äußern, ob nämlich die bisherigen
Fortbildungsbestrebungen, wie sie von den Instituten seither gepflegt wurden
und weiten Kreisen der Bürgerschaft zugute gekommen sind, auch nach
Errichtung der Universität aufrecht erhalten werden können. Es wird dies
in Aussicht gestellt, aber ob die Professoren, nachdem sie tagsüber Vorlesungen,
Übungen und Prüfungen für die Studierenden abgehalten und Verwaltungs¬
geschäfte erledigt haben, noch Zeit und Kraft haben werden, allabendlich
populärwissenschaftliche Vorlesungen für die Frankfurter Bürger zu halten?
Wenn hier nicht die Publika einen Ersatz bieten sollen, dann werden für die
Fortbildungsvorträge doch wohl besondere Kräfte angestellt werden müssen.

Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung hat sich aber in ihrer Majorität
von derartigen ängstlichen Vorstellungen nicht beherrschen lassen. Die gesamten
nichtsozialdemokratischen Parteien stimmten am 28. Juni 1911 -- dieser Tag


Die Universität Frankfurt a, M,

Die Denkschrift weist mit Recht darauf hin, daß ja, da alle Institute
neu errichtet sind, nicht sobald Neubauten und Reparaturen notwendig sein
würden, ferner, daß der bewährte Opfermut der Bürger, der sich schon seit
Jahrhunderten betätigt und namentlich in den letzten zehn Jahren so Hervor¬
ragendes geleistet hat, nun erst recht nicht erlahmen werde, wenn es sich um
die Erhaltung der Krone des Gebäudes, der Universität, handle. Dieser Wechsel
auf die Zukunft entbehrt allerdings der sicheren finanziellen Grundlage. Denn,
was die Zukunft bringt, weiß man nicht; es können schwere materielle Krisen eintreten
und es kann dadurch die Opferwilligkeit der Spender beeinträchtigt werden. Nun
aber machen nicht alle reichen Leute große Stiftungen; ein großer Teil der
in Betracht kommenden Personen ist auch bei den Stiftungen bereits beteiligt;
es wird auch nicht immer ein Adickes da sein, der es mit suggestiver Macht
versteht, Millionen flüssig zu machen. Aber abgesehen von all diesen Bedenken
muß mau doch die veränderten Verhältnisse berücksichtigen, unter welchen später
die Gelder verlangt werden gegenüber jetzt und früher. Die bisherigen
Stiftungen sind von Bürgern für Bürger gemacht, diesen in erster Linie zugute
gekommen, die Selbstverwaltung war in weitesten Umfange garantiert. Wenn
aber später wahrgenommen wird, daß diese Millionen doch in erster Linie staat¬
lichen Zwecken zugute kommen sollen, daß der Bürger nichts oder nur sehr
wenig in der Verwaltung mitzureden hat, dann wird vielleicht mancher die
Taschen zuhalten, der sie bisher weitgeöffnet hat; er wird sagen, es ist Sache
des Staates, die Universität zu erhalten, oder der Stadt Frankfurt, die sie aus
der Taufe gehoben hat, zumal der preußische Staat vielleicht doch einmal ver¬
suchen wird, trotz aller Festlegungen seine „bewährten" Universitätsgrundsätze auch
bei der Verwaltung der neuen Universität einzubürgern. Man sollte also unserer
Meinung nach entweder mit der Errichtung der Universität warten, bis ein
Reservefonds von etwa 1000000 Mark zur Verfügung steht, oder je nach Ma߬
gabe der vorhandenen und auch für die Zukunft gesicherten Mittel mit der
Errichtung der Hochschule nach dem Muster Münsters fakultätenweise vorgehen.

Noch ein drittes Bedenken hört man äußern, ob nämlich die bisherigen
Fortbildungsbestrebungen, wie sie von den Instituten seither gepflegt wurden
und weiten Kreisen der Bürgerschaft zugute gekommen sind, auch nach
Errichtung der Universität aufrecht erhalten werden können. Es wird dies
in Aussicht gestellt, aber ob die Professoren, nachdem sie tagsüber Vorlesungen,
Übungen und Prüfungen für die Studierenden abgehalten und Verwaltungs¬
geschäfte erledigt haben, noch Zeit und Kraft haben werden, allabendlich
populärwissenschaftliche Vorlesungen für die Frankfurter Bürger zu halten?
Wenn hier nicht die Publika einen Ersatz bieten sollen, dann werden für die
Fortbildungsvorträge doch wohl besondere Kräfte angestellt werden müssen.

Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung hat sich aber in ihrer Majorität
von derartigen ängstlichen Vorstellungen nicht beherrschen lassen. Die gesamten
nichtsozialdemokratischen Parteien stimmten am 28. Juni 1911 — dieser Tag


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319717"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Universität Frankfurt a, M,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_478"> Die Denkschrift weist mit Recht darauf hin, daß ja, da alle Institute<lb/>
neu errichtet sind, nicht sobald Neubauten und Reparaturen notwendig sein<lb/>
würden, ferner, daß der bewährte Opfermut der Bürger, der sich schon seit<lb/>
Jahrhunderten betätigt und namentlich in den letzten zehn Jahren so Hervor¬<lb/>
ragendes geleistet hat, nun erst recht nicht erlahmen werde, wenn es sich um<lb/>
die Erhaltung der Krone des Gebäudes, der Universität, handle. Dieser Wechsel<lb/>
auf die Zukunft entbehrt allerdings der sicheren finanziellen Grundlage. Denn,<lb/>
was die Zukunft bringt, weiß man nicht; es können schwere materielle Krisen eintreten<lb/>
und es kann dadurch die Opferwilligkeit der Spender beeinträchtigt werden. Nun<lb/>
aber machen nicht alle reichen Leute große Stiftungen; ein großer Teil der<lb/>
in Betracht kommenden Personen ist auch bei den Stiftungen bereits beteiligt;<lb/>
es wird auch nicht immer ein Adickes da sein, der es mit suggestiver Macht<lb/>
versteht, Millionen flüssig zu machen. Aber abgesehen von all diesen Bedenken<lb/>
muß mau doch die veränderten Verhältnisse berücksichtigen, unter welchen später<lb/>
die Gelder verlangt werden gegenüber jetzt und früher. Die bisherigen<lb/>
Stiftungen sind von Bürgern für Bürger gemacht, diesen in erster Linie zugute<lb/>
gekommen, die Selbstverwaltung war in weitesten Umfange garantiert. Wenn<lb/>
aber später wahrgenommen wird, daß diese Millionen doch in erster Linie staat¬<lb/>
lichen Zwecken zugute kommen sollen, daß der Bürger nichts oder nur sehr<lb/>
wenig in der Verwaltung mitzureden hat, dann wird vielleicht mancher die<lb/>
Taschen zuhalten, der sie bisher weitgeöffnet hat; er wird sagen, es ist Sache<lb/>
des Staates, die Universität zu erhalten, oder der Stadt Frankfurt, die sie aus<lb/>
der Taufe gehoben hat, zumal der preußische Staat vielleicht doch einmal ver¬<lb/>
suchen wird, trotz aller Festlegungen seine &#x201E;bewährten" Universitätsgrundsätze auch<lb/>
bei der Verwaltung der neuen Universität einzubürgern. Man sollte also unserer<lb/>
Meinung nach entweder mit der Errichtung der Universität warten, bis ein<lb/>
Reservefonds von etwa 1000000 Mark zur Verfügung steht, oder je nach Ma߬<lb/>
gabe der vorhandenen und auch für die Zukunft gesicherten Mittel mit der<lb/>
Errichtung der Hochschule nach dem Muster Münsters fakultätenweise vorgehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_479"> Noch ein drittes Bedenken hört man äußern, ob nämlich die bisherigen<lb/>
Fortbildungsbestrebungen, wie sie von den Instituten seither gepflegt wurden<lb/>
und weiten Kreisen der Bürgerschaft zugute gekommen sind, auch nach<lb/>
Errichtung der Universität aufrecht erhalten werden können. Es wird dies<lb/>
in Aussicht gestellt, aber ob die Professoren, nachdem sie tagsüber Vorlesungen,<lb/>
Übungen und Prüfungen für die Studierenden abgehalten und Verwaltungs¬<lb/>
geschäfte erledigt haben, noch Zeit und Kraft haben werden, allabendlich<lb/>
populärwissenschaftliche Vorlesungen für die Frankfurter Bürger zu halten?<lb/>
Wenn hier nicht die Publika einen Ersatz bieten sollen, dann werden für die<lb/>
Fortbildungsvorträge doch wohl besondere Kräfte angestellt werden müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_480" next="#ID_481"> Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung hat sich aber in ihrer Majorität<lb/>
von derartigen ängstlichen Vorstellungen nicht beherrschen lassen. Die gesamten<lb/>
nichtsozialdemokratischen Parteien stimmten am 28. Juni 1911 &#x2014; dieser Tag</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] Die Universität Frankfurt a, M, Die Denkschrift weist mit Recht darauf hin, daß ja, da alle Institute neu errichtet sind, nicht sobald Neubauten und Reparaturen notwendig sein würden, ferner, daß der bewährte Opfermut der Bürger, der sich schon seit Jahrhunderten betätigt und namentlich in den letzten zehn Jahren so Hervor¬ ragendes geleistet hat, nun erst recht nicht erlahmen werde, wenn es sich um die Erhaltung der Krone des Gebäudes, der Universität, handle. Dieser Wechsel auf die Zukunft entbehrt allerdings der sicheren finanziellen Grundlage. Denn, was die Zukunft bringt, weiß man nicht; es können schwere materielle Krisen eintreten und es kann dadurch die Opferwilligkeit der Spender beeinträchtigt werden. Nun aber machen nicht alle reichen Leute große Stiftungen; ein großer Teil der in Betracht kommenden Personen ist auch bei den Stiftungen bereits beteiligt; es wird auch nicht immer ein Adickes da sein, der es mit suggestiver Macht versteht, Millionen flüssig zu machen. Aber abgesehen von all diesen Bedenken muß mau doch die veränderten Verhältnisse berücksichtigen, unter welchen später die Gelder verlangt werden gegenüber jetzt und früher. Die bisherigen Stiftungen sind von Bürgern für Bürger gemacht, diesen in erster Linie zugute gekommen, die Selbstverwaltung war in weitesten Umfange garantiert. Wenn aber später wahrgenommen wird, daß diese Millionen doch in erster Linie staat¬ lichen Zwecken zugute kommen sollen, daß der Bürger nichts oder nur sehr wenig in der Verwaltung mitzureden hat, dann wird vielleicht mancher die Taschen zuhalten, der sie bisher weitgeöffnet hat; er wird sagen, es ist Sache des Staates, die Universität zu erhalten, oder der Stadt Frankfurt, die sie aus der Taufe gehoben hat, zumal der preußische Staat vielleicht doch einmal ver¬ suchen wird, trotz aller Festlegungen seine „bewährten" Universitätsgrundsätze auch bei der Verwaltung der neuen Universität einzubürgern. Man sollte also unserer Meinung nach entweder mit der Errichtung der Universität warten, bis ein Reservefonds von etwa 1000000 Mark zur Verfügung steht, oder je nach Ma߬ gabe der vorhandenen und auch für die Zukunft gesicherten Mittel mit der Errichtung der Hochschule nach dem Muster Münsters fakultätenweise vorgehen. Noch ein drittes Bedenken hört man äußern, ob nämlich die bisherigen Fortbildungsbestrebungen, wie sie von den Instituten seither gepflegt wurden und weiten Kreisen der Bürgerschaft zugute gekommen sind, auch nach Errichtung der Universität aufrecht erhalten werden können. Es wird dies in Aussicht gestellt, aber ob die Professoren, nachdem sie tagsüber Vorlesungen, Übungen und Prüfungen für die Studierenden abgehalten und Verwaltungs¬ geschäfte erledigt haben, noch Zeit und Kraft haben werden, allabendlich populärwissenschaftliche Vorlesungen für die Frankfurter Bürger zu halten? Wenn hier nicht die Publika einen Ersatz bieten sollen, dann werden für die Fortbildungsvorträge doch wohl besondere Kräfte angestellt werden müssen. Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung hat sich aber in ihrer Majorität von derartigen ängstlichen Vorstellungen nicht beherrschen lassen. Die gesamten nichtsozialdemokratischen Parteien stimmten am 28. Juni 1911 — dieser Tag

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/116>, abgerufen am 03.07.2024.