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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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losen Anwendung von Gewalt nehmen, dann bleibt nichts übrig, als jedes
andere Hilfsmittel zur Eroberung Preußens nutzbar zu machen" (S. 314/15).

Also, wie es an dieser Stelle wiederholt gezeigt wurde, um die preußische
Wahlrechtsbewegung strategisch vorzubereiten, haben die Sozialdemokraten das
G. Li, "Opfer" gebracht.


Bank und Geld

Fusionen und Interessengemeinschaften in der Industrie -- Das Schicksal der großen
Verbände -- Stellung der Großindustrie zur Frage der Erneuerung -- Tempelhofer
Feld-Aktien -- Große Berliner Straßenbahn -- Der Geldmarkt am Ultimo

Außerordentlich bezeichnend für die gegenwärtige Lage der schweren Industrie
sind die sich förmlich drängenden Fusionen und Verschmelzungen. Kaum eine
Woche vergeht, in der nicht ein neues Projekt in die Wege geleitet oder gar
zum Abschluß gebracht wird. So sind in diesen Tagen nicht weniger als drei
solcher Fusionen bekannt geworden: Buderus-Massen, Deutsch Luxemburg-
Rümelingen und Rheinische Stahlwerke-Batate Tellering. Bei den beiden letzt¬
genannten handelt es sich zunächst nur um Abschluß einer Interessengemeinschaft,
die, seitdem Krupp durch die Transaktion mit der Westfälischen Drahtindustrie
hierfür den Weg gezeigt hat, sich ein immer größeres Anwendungsgebiet in der
Industrie zu erobern scheint. Sachlich sind diese Interessengemeinschaften indessen
von einer vollständigen Fusion nur wenig verschieden; der wirtschaftliche End¬
zweck, Werken der schweren solche der weiter verarbeitenden Industrie anzugliedern
oder Kohlenwerke mit Hüttenwerken zu vereinigen, kann auch in der Form einer
Interessengemeinschaft erreicht werden, sofern nur die finanzielle und technische
Verbindung der beiden Gesellschaften so fest gefügt wird, daß sie fortan für
die erweiterte und verfeinerte Produktion, und insbesondere für die Stellung
gegenüber den Verbänden als ein Ganzes erscheinen. Die Stellung zu den
Verbänden ist dabei das Ausschlaggebende. Bei Lichte betrachtet, handelt es
sich um eine Mobilmachung für die schweren Kämpfe bei Erneuerung des Kohlen¬
syndikats und des Stahlwerksverbandes. Die Zahl der Hüttenzechen wächst, die
bestehenden vergrößern unablässig ihren Machtbereich, um für alle Fälle, auch
beim Scheitern der Syndikatsverhandlungen gerüstet zu sein und den dann
unvermeidlichen Kampf um die Existenz mit Erfolg ausfechten zu können. So
rückt Deutsch Luxemburg durch den Vertrag mit Rümelingen an die erste Stelle
hinsichtlich der syndiziertet! Produkte im Stahlwerksverband. Nicht weniger als
560000 Tonnen wird seine Beteiligungsziffer betragen und damit sowohl den
Phönix, als Krupp und die Gewerkschaft Deutscher Kaiser hinter sich zurück¬
lassen. Je größer aber die Machtentfaltung dieser Riesenuuternehmungen wird,
um so geringer wird ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der Verbände, die
ja nicht sowohl ihnen als den kleineren Produzenten nützlich sind, während sie
für die ganz großen nur eine Beschränkung ihrer Aktionsfreiheit bedeuten. Manche
Anzeichen deuten daher auch darauf hin, daß man in diesen Kreisen mit dein


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losen Anwendung von Gewalt nehmen, dann bleibt nichts übrig, als jedes
andere Hilfsmittel zur Eroberung Preußens nutzbar zu machen" (S. 314/15).

Also, wie es an dieser Stelle wiederholt gezeigt wurde, um die preußische
Wahlrechtsbewegung strategisch vorzubereiten, haben die Sozialdemokraten das
G. Li, „Opfer" gebracht.


Bank und Geld

Fusionen und Interessengemeinschaften in der Industrie — Das Schicksal der großen
Verbände — Stellung der Großindustrie zur Frage der Erneuerung — Tempelhofer
Feld-Aktien — Große Berliner Straßenbahn — Der Geldmarkt am Ultimo

Außerordentlich bezeichnend für die gegenwärtige Lage der schweren Industrie
sind die sich förmlich drängenden Fusionen und Verschmelzungen. Kaum eine
Woche vergeht, in der nicht ein neues Projekt in die Wege geleitet oder gar
zum Abschluß gebracht wird. So sind in diesen Tagen nicht weniger als drei
solcher Fusionen bekannt geworden: Buderus-Massen, Deutsch Luxemburg-
Rümelingen und Rheinische Stahlwerke-Batate Tellering. Bei den beiden letzt¬
genannten handelt es sich zunächst nur um Abschluß einer Interessengemeinschaft,
die, seitdem Krupp durch die Transaktion mit der Westfälischen Drahtindustrie
hierfür den Weg gezeigt hat, sich ein immer größeres Anwendungsgebiet in der
Industrie zu erobern scheint. Sachlich sind diese Interessengemeinschaften indessen
von einer vollständigen Fusion nur wenig verschieden; der wirtschaftliche End¬
zweck, Werken der schweren solche der weiter verarbeitenden Industrie anzugliedern
oder Kohlenwerke mit Hüttenwerken zu vereinigen, kann auch in der Form einer
Interessengemeinschaft erreicht werden, sofern nur die finanzielle und technische
Verbindung der beiden Gesellschaften so fest gefügt wird, daß sie fortan für
die erweiterte und verfeinerte Produktion, und insbesondere für die Stellung
gegenüber den Verbänden als ein Ganzes erscheinen. Die Stellung zu den
Verbänden ist dabei das Ausschlaggebende. Bei Lichte betrachtet, handelt es
sich um eine Mobilmachung für die schweren Kämpfe bei Erneuerung des Kohlen¬
syndikats und des Stahlwerksverbandes. Die Zahl der Hüttenzechen wächst, die
bestehenden vergrößern unablässig ihren Machtbereich, um für alle Fälle, auch
beim Scheitern der Syndikatsverhandlungen gerüstet zu sein und den dann
unvermeidlichen Kampf um die Existenz mit Erfolg ausfechten zu können. So
rückt Deutsch Luxemburg durch den Vertrag mit Rümelingen an die erste Stelle
hinsichtlich der syndiziertet! Produkte im Stahlwerksverband. Nicht weniger als
560000 Tonnen wird seine Beteiligungsziffer betragen und damit sowohl den
Phönix, als Krupp und die Gewerkschaft Deutscher Kaiser hinter sich zurück¬
lassen. Je größer aber die Machtentfaltung dieser Riesenuuternehmungen wird,
um so geringer wird ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der Verbände, die
ja nicht sowohl ihnen als den kleineren Produzenten nützlich sind, während sie
für die ganz großen nur eine Beschränkung ihrer Aktionsfreiheit bedeuten. Manche
Anzeichen deuten daher auch darauf hin, daß man in diesen Kreisen mit dein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/56>, abgerufen am 28.12.2024.