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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

geiht" hat nirgends vergessen, sich in der Welt
mit rücksichtslosem Selbstbewußtsein Geltung
und den Platz an der Sonne zu verschaffen.
Wie oft haben wir dies aber vermissen lassen!
Bismarck hat jener völkischen stolzen Rücksichts¬
losigkeit bei aller staatsmännischen Klugheit
nie entraten, und er hat mit trutziger Stirn
einer ganzen Welt den deutschen Schild, das
"Liois ALrmsnus sum", entgegengehalten.
Er zeigte das deutsche Herrentum auch den
Gegnern des Deutschtums im Innern des
Reiches, den Welschlingen in der deutschen
Westmark, den Slawen in der Ostmark, Ihn
schreckte nicht Haß und Anfeindung, ihn lockte
nicht buhlerische Lobpreisung, er war nur der
urwüchsige, hoheitsvolle deutsche Recke, in dem
deutsche Art und Kraft ihre schönste lebens¬
starke Darstellung fanden. In ihm lebte die
Erkenntnis, daß beim Gegner nur die mit
Scheu gepaarte Achtung dauernde Erfolge
verbürge. So sandte er seine "kalten Wasser¬
strahlen" nach dein Auslande, so war er auf
ein volksbewußtes Diplomatentum bedacht,
bei dem er ein zu enges Anschließen und
Anbequemen an ausländische Verhältnisse als
einen in der strammen Dcutschbetätigung
hemmenden Umstand ansah,

Lob und Preis wollte er nicht erringen;
aber so groß auch die Feindschaft des Gegners
etwa war, -er hat in alle Herzen Bewunde¬
rung und Ehrfurcht hineingetragen, vor ihm
selbst und vor dem deutschen Namen, mag
nun Liebe oder Abneigung daneben her¬
gegangen sein. Er hat mit fester Hand die
Königs- und Kaiserstandarte hochgehalten;
und als die von ihm geschaffene gesetzliche
Fessel gegen den inneren Umsturz gefallen
War, da hat er seinen mannhaften Willen
doch so stark hervorzukehren gewußt, daß der
Umsturz es nicht gewagt hat, zügellos Re¬
publik und Revolution zu predigen und zu
feiern, Otto v, Bismarck ist dahingegangen
und ruht still unter den rauschenden Wipfeln
des Sachsenwaldes, Deutsche Liebe und Treue
heftet die trauernden Blicke auf jenen ge¬
weihten Erdenfleck, Sie schaut nicht bloß
zurück, sie schaut auch voll heißer Sehnsucht
in die Zukunft und erhofft wieder ein eisernes
Kanzlertum, das unter dem Zeichen des alten
hehren Kanzlcrwortes steht: "Wir Deutsche
fürchten Gott, sonst nichts auf dieser Welt!"

[Spaltenumbruch]

Tatkräftig handeln wollen wir; führe man
uns mit eherner Willensstärke, wir werden
freudig folgen! Veto v, Pfister-Darmstadt

Anltnrgeschichts

Das Zeitalter der Renaissance. I, Serie
3, Band: Enea Silvio Piccolomini, Briefe,
Übersetzt und eingeleitet von Max Meil.
Jena, Eugen Diederichs, 1911.

Wer Zeit und Kultur der italienischen
Renaissance liebt, wird dieses Buch freudig
begrüßen, wer sie haßt, wird darin reichliche
und vielleicht willkommene Rechtfertigung für
seine Abneigung finden; niemand aber wird
diese Briefe aus der Hand legen, ohne viel
des Interessanten gefunden zu haben. Wer
Humor hat, wird lächeln über die eigentüm¬
liche, mit antiken Floskeln sorgfältig verbrämte
und doch so "allzumenschliche" Sophisterei,
wer Sinn für Geschichte hat, nicht ohne Be¬
wunderung bleiben für einen starken und klar
bewußten Kulturwillen, wie er sich in den
Briefen des Humanisten ausspricht; und wer
die Menschen und ihre Eigenart zu erkennen
liebt, wird viel Charakteristisches und frisch
Lebendiges bemerken. Da sind seltsam cicero-
nianisch aufgeputzte Trostbriefe, in fremdem
Auftrag verfaßte Liebes- und sauersüße Bettel¬
briefe, anmutige Beschreibungen von Genua
und seinen leichtfertigen Frauen, von Basel,
Wien und der Residenz des Bischofs von
Passau. Wir erhalten ausführliche Berichte
vom großen Baseler Konzil, eine sehr aus¬
führliche, sehr Pessimistische Schilderung des
HoflevenS, aber auch über das Persönliche
des späteren Pius des Zweiten erfahren wir
mancherlei; wir hören von seiner Laufbahn,
hören, wie er zu einem Sohne kam und in
welcher Weise er mit den Freunden verkehrt.
Und endlich wird man auch die berühmte,
in bezug auf das Künstlerische stark über¬
schätzte, aber von Anfang bis zu Ende inter¬
essierende Novelle von Euryalus und Lukretia
gern einmal wieder lesen wollen.

Mit der Auswahl kann man sehr zufrieden
sein, sie bringt das Wesentliche zur Geltung,
ohne im Detail karg zu sein, und zeigt,
ebenso wie die gut und knapp orientierende
Einleitung von Mnx Meil, das wohlgelungene
Bestreben, das Wirken eines durch Charakter,
Tätigkeit und Schicksal gleich bedeutsamen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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geiht" hat nirgends vergessen, sich in der Welt
mit rücksichtslosem Selbstbewußtsein Geltung
und den Platz an der Sonne zu verschaffen.
Wie oft haben wir dies aber vermissen lassen!
Bismarck hat jener völkischen stolzen Rücksichts¬
losigkeit bei aller staatsmännischen Klugheit
nie entraten, und er hat mit trutziger Stirn
einer ganzen Welt den deutschen Schild, das
„Liois ALrmsnus sum", entgegengehalten.
Er zeigte das deutsche Herrentum auch den
Gegnern des Deutschtums im Innern des
Reiches, den Welschlingen in der deutschen
Westmark, den Slawen in der Ostmark, Ihn
schreckte nicht Haß und Anfeindung, ihn lockte
nicht buhlerische Lobpreisung, er war nur der
urwüchsige, hoheitsvolle deutsche Recke, in dem
deutsche Art und Kraft ihre schönste lebens¬
starke Darstellung fanden. In ihm lebte die
Erkenntnis, daß beim Gegner nur die mit
Scheu gepaarte Achtung dauernde Erfolge
verbürge. So sandte er seine „kalten Wasser¬
strahlen" nach dein Auslande, so war er auf
ein volksbewußtes Diplomatentum bedacht,
bei dem er ein zu enges Anschließen und
Anbequemen an ausländische Verhältnisse als
einen in der strammen Dcutschbetätigung
hemmenden Umstand ansah,

Lob und Preis wollte er nicht erringen;
aber so groß auch die Feindschaft des Gegners
etwa war, -er hat in alle Herzen Bewunde¬
rung und Ehrfurcht hineingetragen, vor ihm
selbst und vor dem deutschen Namen, mag
nun Liebe oder Abneigung daneben her¬
gegangen sein. Er hat mit fester Hand die
Königs- und Kaiserstandarte hochgehalten;
und als die von ihm geschaffene gesetzliche
Fessel gegen den inneren Umsturz gefallen
War, da hat er seinen mannhaften Willen
doch so stark hervorzukehren gewußt, daß der
Umsturz es nicht gewagt hat, zügellos Re¬
publik und Revolution zu predigen und zu
feiern, Otto v, Bismarck ist dahingegangen
und ruht still unter den rauschenden Wipfeln
des Sachsenwaldes, Deutsche Liebe und Treue
heftet die trauernden Blicke auf jenen ge¬
weihten Erdenfleck, Sie schaut nicht bloß
zurück, sie schaut auch voll heißer Sehnsucht
in die Zukunft und erhofft wieder ein eisernes
Kanzlertum, das unter dem Zeichen des alten
hehren Kanzlcrwortes steht: „Wir Deutsche
fürchten Gott, sonst nichts auf dieser Welt!"

[Spaltenumbruch]

Tatkräftig handeln wollen wir; führe man
uns mit eherner Willensstärke, wir werden
freudig folgen! Veto v, Pfister-Darmstadt

Anltnrgeschichts

Das Zeitalter der Renaissance. I, Serie
3, Band: Enea Silvio Piccolomini, Briefe,
Übersetzt und eingeleitet von Max Meil.
Jena, Eugen Diederichs, 1911.

Wer Zeit und Kultur der italienischen
Renaissance liebt, wird dieses Buch freudig
begrüßen, wer sie haßt, wird darin reichliche
und vielleicht willkommene Rechtfertigung für
seine Abneigung finden; niemand aber wird
diese Briefe aus der Hand legen, ohne viel
des Interessanten gefunden zu haben. Wer
Humor hat, wird lächeln über die eigentüm¬
liche, mit antiken Floskeln sorgfältig verbrämte
und doch so „allzumenschliche" Sophisterei,
wer Sinn für Geschichte hat, nicht ohne Be¬
wunderung bleiben für einen starken und klar
bewußten Kulturwillen, wie er sich in den
Briefen des Humanisten ausspricht; und wer
die Menschen und ihre Eigenart zu erkennen
liebt, wird viel Charakteristisches und frisch
Lebendiges bemerken. Da sind seltsam cicero-
nianisch aufgeputzte Trostbriefe, in fremdem
Auftrag verfaßte Liebes- und sauersüße Bettel¬
briefe, anmutige Beschreibungen von Genua
und seinen leichtfertigen Frauen, von Basel,
Wien und der Residenz des Bischofs von
Passau. Wir erhalten ausführliche Berichte
vom großen Baseler Konzil, eine sehr aus¬
führliche, sehr Pessimistische Schilderung des
HoflevenS, aber auch über das Persönliche
des späteren Pius des Zweiten erfahren wir
mancherlei; wir hören von seiner Laufbahn,
hören, wie er zu einem Sohne kam und in
welcher Weise er mit den Freunden verkehrt.
Und endlich wird man auch die berühmte,
in bezug auf das Künstlerische stark über¬
schätzte, aber von Anfang bis zu Ende inter¬
essierende Novelle von Euryalus und Lukretia
gern einmal wieder lesen wollen.

Mit der Auswahl kann man sehr zufrieden
sein, sie bringt das Wesentliche zur Geltung,
ohne im Detail karg zu sein, und zeigt,
ebenso wie die gut und knapp orientierende
Einleitung von Mnx Meil, das wohlgelungene
Bestreben, das Wirken eines durch Charakter,
Tätigkeit und Schicksal gleich bedeutsamen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/239>, abgerufen am 29.12.2024.