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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen

nicht recht sicher und bat immer wieder, ihm Zeit zu weiteren Beobachtungen
zu lassen. So schwankte die Wage zwischen Mömpelgard, wo Dorotheas Vater,
Prinz Friedrich Eugen, sein Hoflager hatte, und Darmstadt hin und her. Ist
es nun Friedrich der Große gewesen, der die Entscheidung zugunsten der Darm¬
städterin herbeigeführt hat? Er selbst rühmt sich dessen in seinen Memoiren:
nur durch Schliche und Intrigen sei es ihm gelungen, die Wahl der Kaiserin
auf Wilhelmine zu lenken. Wer aber die Geschichte der Vorverhandlungen
kennt und dann die betreffenden Bände der politischen Korrespondenz des Königs
(Band 82 bis 34) durchblättert, gewinnt doch den Eindruck, daß er seinen Anteil
an der Sache hier etwas zu stark unterstrichen hat.

Erst im April 1772, also volle vier Jahre nach Asseburgs Abreise aus
Rußland, teilte der Petersburger Gesandte Solms seinem Herrn mit, daß dort
jedermann eine Prinzessin von Hessen-Darmstadt als künftige Gemahlin des
Großfürstin-Thronfolgers bezeichne. Keine Nachricht konnte Friedrich angenehmer
sein. Sein Neffe und Thronerbe war seit einigen Jahren mit einer Tochter des
Landgrafen verheiratet; wenn er der Schwager des dereinstigen russischen Kaisers
wurde, mußte das auch auf die politischen Beziehungen zwischen beiden Staaten
aufs günstigste einwirken. Außerdem gönnte der König seiner alten Freundin,
der Landgräfin Karoline, von Herzen diese glänzende Versorgung für ihre
Tochter. Karoline war einst, als ihr Gemahl noch in Prenzlau seine
Garnison hatte, ein stets willkommener Gast der Berliner Hoffeste gewesen,
auch Prinz Heinrich und Prinzessin Amalie gehörten zu ihrer engeren Freundschaft.
Bald nach dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges hatte der Erbprinz
auf Befehl seines österreichisch gesinnten Vaters den preußischen Dienst verlassen
müssen. Karolinens Herz aber blieb in Preußen zurück. "Die Hoffnung, einst
Berlin wiederzusehen", so schrieb sie damals an den Prinzen Heinrich, war
"einer der Gründe, die ihr das Leben wünschenswert machten." Diese Hoffnung
ging in Erfüllung, als sie zwölf Jahre später ihre Tochter Friederike ihrem
Verlobten, dem Prinzen von Preußen, zuführte. Und mit welcher Spannung
wartete sie im folgenden Sommer zusammen mit dem Großoheim in Potsdam
auf die Geburt des preußische?! Thronerbe". Ihre Töchter zu verheiraten und
gut zu verheiraten, war vou jeher die Sorge der Mutter gewesen. "Wo Männer
finden für neun Prinzessinnen von Darmstadt?" hatte sie einst seufzend gefragt,
als auch ihre Schwägerin, die Prinzessin Georg, wieder ein kleines Mädchen
bekam. Und ihrem Manne machte sie scherzhafte Vorwürfe, daß er sich so gar
nicht nur Schwiegersöhne bemühe, während sie für ihr Leben gern Schwieger¬
mutter und Großmutter werden möchte. Endlich gelang es ihr. Ihre älteste
Tochter Karoline heiratete den trefflichen Landgrafen Friedrich den Fünften von
Hessen-Homburg, ein Jahr darauf Friederike den freilich schon etwas bedenk-
kicheren Neffen Friedrichs des Großen. Amalie hatte durch ihre gleichnamige
Patin, die preußische Prinzessin, eine Stiftsstelle in Quedlinburg bekommen,
vermählte sich aber später doch mit dem Erbprinzen Karl Ludwig von Baden.


Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen

nicht recht sicher und bat immer wieder, ihm Zeit zu weiteren Beobachtungen
zu lassen. So schwankte die Wage zwischen Mömpelgard, wo Dorotheas Vater,
Prinz Friedrich Eugen, sein Hoflager hatte, und Darmstadt hin und her. Ist
es nun Friedrich der Große gewesen, der die Entscheidung zugunsten der Darm¬
städterin herbeigeführt hat? Er selbst rühmt sich dessen in seinen Memoiren:
nur durch Schliche und Intrigen sei es ihm gelungen, die Wahl der Kaiserin
auf Wilhelmine zu lenken. Wer aber die Geschichte der Vorverhandlungen
kennt und dann die betreffenden Bände der politischen Korrespondenz des Königs
(Band 82 bis 34) durchblättert, gewinnt doch den Eindruck, daß er seinen Anteil
an der Sache hier etwas zu stark unterstrichen hat.

Erst im April 1772, also volle vier Jahre nach Asseburgs Abreise aus
Rußland, teilte der Petersburger Gesandte Solms seinem Herrn mit, daß dort
jedermann eine Prinzessin von Hessen-Darmstadt als künftige Gemahlin des
Großfürstin-Thronfolgers bezeichne. Keine Nachricht konnte Friedrich angenehmer
sein. Sein Neffe und Thronerbe war seit einigen Jahren mit einer Tochter des
Landgrafen verheiratet; wenn er der Schwager des dereinstigen russischen Kaisers
wurde, mußte das auch auf die politischen Beziehungen zwischen beiden Staaten
aufs günstigste einwirken. Außerdem gönnte der König seiner alten Freundin,
der Landgräfin Karoline, von Herzen diese glänzende Versorgung für ihre
Tochter. Karoline war einst, als ihr Gemahl noch in Prenzlau seine
Garnison hatte, ein stets willkommener Gast der Berliner Hoffeste gewesen,
auch Prinz Heinrich und Prinzessin Amalie gehörten zu ihrer engeren Freundschaft.
Bald nach dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges hatte der Erbprinz
auf Befehl seines österreichisch gesinnten Vaters den preußischen Dienst verlassen
müssen. Karolinens Herz aber blieb in Preußen zurück. „Die Hoffnung, einst
Berlin wiederzusehen", so schrieb sie damals an den Prinzen Heinrich, war
„einer der Gründe, die ihr das Leben wünschenswert machten." Diese Hoffnung
ging in Erfüllung, als sie zwölf Jahre später ihre Tochter Friederike ihrem
Verlobten, dem Prinzen von Preußen, zuführte. Und mit welcher Spannung
wartete sie im folgenden Sommer zusammen mit dem Großoheim in Potsdam
auf die Geburt des preußische?! Thronerbe». Ihre Töchter zu verheiraten und
gut zu verheiraten, war vou jeher die Sorge der Mutter gewesen. „Wo Männer
finden für neun Prinzessinnen von Darmstadt?" hatte sie einst seufzend gefragt,
als auch ihre Schwägerin, die Prinzessin Georg, wieder ein kleines Mädchen
bekam. Und ihrem Manne machte sie scherzhafte Vorwürfe, daß er sich so gar
nicht nur Schwiegersöhne bemühe, während sie für ihr Leben gern Schwieger¬
mutter und Großmutter werden möchte. Endlich gelang es ihr. Ihre älteste
Tochter Karoline heiratete den trefflichen Landgrafen Friedrich den Fünften von
Hessen-Homburg, ein Jahr darauf Friederike den freilich schon etwas bedenk-
kicheren Neffen Friedrichs des Großen. Amalie hatte durch ihre gleichnamige
Patin, die preußische Prinzessin, eine Stiftsstelle in Quedlinburg bekommen,
vermählte sich aber später doch mit dem Erbprinzen Karl Ludwig von Baden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/212>, abgerufen am 09.01.2025.