Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichsspiegel Kohlenlagerplätze an der Ostsee und im Binnenland, Versuch der Monopolisierung Die Besserung am internationalen Eisenmarkte macht weitere Fortschritte. Reichsspiegel Kohlenlagerplätze an der Ostsee und im Binnenland, Versuch der Monopolisierung Die Besserung am internationalen Eisenmarkte macht weitere Fortschritte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319151"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1311" prev="#ID_1310"> Kohlenlagerplätze an der Ostsee und im Binnenland, Versuch der Monopolisierung<lb/> des Berliner Kohlenhandels, Anknüpfung von Handelsbeziehungen in Italien<lb/> und Rußland, vor allem aber auch durch eine planmäßige Ausgestaltung und<lb/> Erweiterung seines Reedereibetriebes zu schaffen. Wir haben darüber, insbesondere<lb/> über den Erwerb der Aktienmajorität der „Midgard", Deutsche Seeverkehrs¬<lb/> gesellschaft in Nordenham, in Heft 27 berichtet. Nun ist es plötzlich der preußische<lb/> Fiskus, der durch einen wohlvorbereiteten, aber überraschend ausgeführten<lb/> Schachzug sich die Vorhand in der Rheinschiffahrt gesichert und damit alle<lb/> auf eine Monopolisierung des Wassertransports gerichteten Bestrebungen dauernd<lb/> vereitelt hat. Der Bergfiskus hat die Aktienmajorität der Rhein- und See¬<lb/> schiffahrtsgesellschaft in Köln erworben. Mit diesem Unternehmen, das selbst<lb/> schon ein Konglomerat verschiedener Betriebe darstellt, hatte der Fiskus einen sieben<lb/> Jahre laufenden Verfrachtungsvertrag unter gleichzeitiger Ausbedingung einer<lb/> Option auf die Majorität der Aktien abgeschlossen. Diese Option hat er jetzt<lb/> ausgeübt und dadurch nicht nur diese Gesellschaft, sondern indirekt auch die Mann¬<lb/> heimer Lagerhausgesellschaft und die Mannheimer Dampfschiffahrtsgesellschaft in<lb/> seine Hand bekommen, so daß er eine bedeutende Flotte kontrolliert und die Ver¬<lb/> bindung zwischen den Ruhrzechen und dem fiskalischen Lagerplatz in Mannheim<lb/> sich selbst gesichert hat. Darüber hinaus gewinnt er in den Agenturen der<lb/> genannten Speditionsgesellschaften zweckmäßige Stützpunkte für seinen Kohlen¬<lb/> vertrieb. Diesem Vorgehen des Fiskus ist eine außerordentliche Bedeutung bei¬<lb/> zumessen. Wieder sehen wir den Staat an der Arbeit, ein drohendes Privat-<lb/> monopol durch sein Eingreifen zu verhindern. Die monopolistische Entwicklung<lb/> wird dadurch freilich nicht aufgehalten, aber sie wird wenigstens in die Hände des<lb/> Staates gelegt und der öffentlichen Kontrolle unterstellt. Zugleich bemüht sich der<lb/> Staat auch, die verbliebenen Überreste der einst so blühenden Privatschiffahrt zu<lb/> retten. Der Stand der sogenannten Partikulierschiffer am Rhein hat unter<lb/> der Konkurrenz der großen Reedereien empfindlich gelitten. Unterbietung der<lb/> Frachten und Beschäftigungslosigkeit haben die Schiffer dem Ruin nahe gebracht,<lb/> so daß der letzte Rettungsweg in der Bildung eines „Befrachtungskontors" gesehen<lb/> wurde, um Verteilung der Frachten und Frachtsätze einheitlich zu regeln. Dieser<lb/> Vereinigung hat der Fiskus eine beträchtliche Beihilfe zugesagt und durch seinen<lb/> Einfluß auch das Kohlensyndikat zu einer wohlwollenden Haltung gegenüber der<lb/> Vereinigung bewogen. Auf die Dauer wird den Privatschiffern indessen wohl<lb/> nicht zu helfen sein. Die Schiffahrt ist einmal in die Hände des Großbetriebs<lb/> übergegangen, der durch größere Leistungsfähigkeit, bessere Organisation und Ver-<lb/> billigung der Frachten die Kleinen hier wie auf so manchem anderen Gebiete<lb/> ausschaltet und expropriiert. Dem wird auch das Eingreifen des Staates nicht<lb/> steuern können. Hierin ist also nicht die Bedeutung des fiskalischen Eingreifens<lb/> zu suchen. Wohl aber stärkt-der Staat seine Position bei den Verhandlungen<lb/> über die Erneuerung und Erweiterung des Kohlensyndikats. Namentlich<lb/> für den Fall, daß er selbst dem Syndikat als Teilnehmer beiträte, ist es für ihn<lb/> von allergrößter Wichtigkeit, über eigene Verfrachtungsgelegenheiten zu verfügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1312" next="#ID_1313"> Die Besserung am internationalen Eisenmarkte macht weitere Fortschritte.<lb/> Nicht nur aus England, sondern auch aus Belgien werden steigende Preise gemeldet,<lb/> und da letzteres Land ganz besonders vom Weltmarkt abhängt, weil es den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
Reichsspiegel
Kohlenlagerplätze an der Ostsee und im Binnenland, Versuch der Monopolisierung
des Berliner Kohlenhandels, Anknüpfung von Handelsbeziehungen in Italien
und Rußland, vor allem aber auch durch eine planmäßige Ausgestaltung und
Erweiterung seines Reedereibetriebes zu schaffen. Wir haben darüber, insbesondere
über den Erwerb der Aktienmajorität der „Midgard", Deutsche Seeverkehrs¬
gesellschaft in Nordenham, in Heft 27 berichtet. Nun ist es plötzlich der preußische
Fiskus, der durch einen wohlvorbereiteten, aber überraschend ausgeführten
Schachzug sich die Vorhand in der Rheinschiffahrt gesichert und damit alle
auf eine Monopolisierung des Wassertransports gerichteten Bestrebungen dauernd
vereitelt hat. Der Bergfiskus hat die Aktienmajorität der Rhein- und See¬
schiffahrtsgesellschaft in Köln erworben. Mit diesem Unternehmen, das selbst
schon ein Konglomerat verschiedener Betriebe darstellt, hatte der Fiskus einen sieben
Jahre laufenden Verfrachtungsvertrag unter gleichzeitiger Ausbedingung einer
Option auf die Majorität der Aktien abgeschlossen. Diese Option hat er jetzt
ausgeübt und dadurch nicht nur diese Gesellschaft, sondern indirekt auch die Mann¬
heimer Lagerhausgesellschaft und die Mannheimer Dampfschiffahrtsgesellschaft in
seine Hand bekommen, so daß er eine bedeutende Flotte kontrolliert und die Ver¬
bindung zwischen den Ruhrzechen und dem fiskalischen Lagerplatz in Mannheim
sich selbst gesichert hat. Darüber hinaus gewinnt er in den Agenturen der
genannten Speditionsgesellschaften zweckmäßige Stützpunkte für seinen Kohlen¬
vertrieb. Diesem Vorgehen des Fiskus ist eine außerordentliche Bedeutung bei¬
zumessen. Wieder sehen wir den Staat an der Arbeit, ein drohendes Privat-
monopol durch sein Eingreifen zu verhindern. Die monopolistische Entwicklung
wird dadurch freilich nicht aufgehalten, aber sie wird wenigstens in die Hände des
Staates gelegt und der öffentlichen Kontrolle unterstellt. Zugleich bemüht sich der
Staat auch, die verbliebenen Überreste der einst so blühenden Privatschiffahrt zu
retten. Der Stand der sogenannten Partikulierschiffer am Rhein hat unter
der Konkurrenz der großen Reedereien empfindlich gelitten. Unterbietung der
Frachten und Beschäftigungslosigkeit haben die Schiffer dem Ruin nahe gebracht,
so daß der letzte Rettungsweg in der Bildung eines „Befrachtungskontors" gesehen
wurde, um Verteilung der Frachten und Frachtsätze einheitlich zu regeln. Dieser
Vereinigung hat der Fiskus eine beträchtliche Beihilfe zugesagt und durch seinen
Einfluß auch das Kohlensyndikat zu einer wohlwollenden Haltung gegenüber der
Vereinigung bewogen. Auf die Dauer wird den Privatschiffern indessen wohl
nicht zu helfen sein. Die Schiffahrt ist einmal in die Hände des Großbetriebs
übergegangen, der durch größere Leistungsfähigkeit, bessere Organisation und Ver-
billigung der Frachten die Kleinen hier wie auf so manchem anderen Gebiete
ausschaltet und expropriiert. Dem wird auch das Eingreifen des Staates nicht
steuern können. Hierin ist also nicht die Bedeutung des fiskalischen Eingreifens
zu suchen. Wohl aber stärkt-der Staat seine Position bei den Verhandlungen
über die Erneuerung und Erweiterung des Kohlensyndikats. Namentlich
für den Fall, daß er selbst dem Syndikat als Teilnehmer beiträte, ist es für ihn
von allergrößter Wichtigkeit, über eigene Verfrachtungsgelegenheiten zu verfügen.
Die Besserung am internationalen Eisenmarkte macht weitere Fortschritte.
Nicht nur aus England, sondern auch aus Belgien werden steigende Preise gemeldet,
und da letzteres Land ganz besonders vom Weltmarkt abhängt, weil es den
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